Zum Guten oder zum Schlechten?! Der Gaga-Gigantismus von Hollywood verschlingt sie alle, und vor allem das Comicgenre, als solches ja längst bestätigt, gefeiert und ausgebaut, weist in diesem Zusammenhang wohl die größten finanziellen Erfolge sowie größten Reputationszuwachs der letzten Jahre auf. Auch Marc Webb, Regisseur des Indie-Erfolgs „500 Days of Summer“, ist nach dem ersten prestigeträchtigen Ausflug in die Blockbustergefilde nun mit seiner Fortsetzung dort angekommen, wo und vor allem was man ihm nie gewünscht hatte.
„The Amazing Spider-Man 2“ ist wahrlich ein Ausblick in die Zukunft, krachend und CGI-(verseucht oder gesegnet), spinnt Webb gewichtige Storystränge, die so zahl- und teils orientierungslos sind wie die Fäden seines Helden. Da ist es jedes Mal tröstlich zu sehen, wenn sich Webb zurücknimmt und mit seinen beiden Protagonisten eine immer noch intime, authentische und an sein Erstlingswerk erinnernde Romanze webt, die die „Schneller, höher, weiter“ - Paradigmen der Hollywood – Studios auszuhebeln scheint.
Denn nur hier scheint man nochmal den Anker zurückzuwerfen zum ersten Teil der neuen Spidey – Reihe, die man bereits großspurig durchgeplant hat inklusive Antagonisten – Addons um „Venom“ und die „Sinister Six“. Die Beziehung zwischen Gwen Stacy und Peter Parker nimmt sich genug Zeit, um den Trubel und das Actiongewitter rundherum erfreulicherweise etwas zu entschleunigen, ansonsten hätte sich „Rise of Electro“ schnell zu einer thematischen Resonanzkatastrophe hochschaukeln können. Rasch beginnt der Film nämlich mit einer knappen Einführung von Peter's verschwundenen Eltern, die hier neben zahlreichen Bedrohungen und Identitätskrisen einen weiteren wichtigen Punkt im Film abarbeiten sollen. Lange bleibt dieser Strang in der Luft hängen, ehe er etwas sehr schnell aus der Versenkung aufgegriffen, abgearbeitet wird, um in einem Container von Richard Parker's letzten Überbleibseln eine zumindest brauchbare Information zu entlocken, die im Schlussverlauf dann traurigerweise überhaupt keine Relevanz mehr besitzt. Höchstwahrscheinlich hebt sich Webb die Entdeckung für sein weiteres Franchise auf, was aufgrund des, sagen wir mal angedeuteten Cliffhangers, zu erwarten ist.
Ebenso weitestgehend verwirrend mutet Webb den Strang um Peter's Sinnsuche an, der sich ein wenig mit dem Verschwinden seiner Eltern zu verbinden scheint und dann letztlich auch etwas tölpelhaft mit seiner Liebe zu Gwen in Beziehung steht. Doch genau dort bleibt Webb geradezu irrwitzig authentisch, eine Superheldenbeziehung, gespickt mit kleinen problematischen Alltagssituationen, wird hier zum erfreulichen Novum.
Was diese Situation wieder ins Gegenteil verkehrt,
ist das Ableben von Gwen Stacy zum Ende hin
. Aus einem verständlicherweise anderen Grund erfährt Peter doch wieder die Motivation aus Raimis „Spider-Man 2“, den Webb an vielen Stellen manchmal gekonnt, wie beispielsweise Parker's Handyklingelton oder eine schwer kontrollierbare Kreissäge, teilweise aber auch zu oft und wiederholend zitiert und sein Film somit unnötig provokant zum Vergleich mit Raimi's zwingt, den er nur verlieren kann. Was Tobey Maguire über eine Stunde durchmacht, revidiert Andrew Garfield's Spider-Man innerhalb weniger Minuten und taucht so „unerwartet“ (das setzen wir mal in Anführungsstriche) aus der Versenkung wieder auf, um sich seinem neuen Gegner Rhino in den Weg zu stellen, bei dessen Gegenüberstellung mal wieder ein Kind derart klischeehaft zur Unheil strotzenden Symbolfigur wird, dass sogar mein kleiner Bruder fragte, wieso man denn immer diesen Schritt wählen müsse (da lässt schließlich nicht nur „Iron Man 2“ grüßen).
Trotzdem umläuft Marc Webb geschickt das „Spider-Man 3“ - Bösewicht – Schaulaufen. Denn eben jener letzte Gegner, Rhino, erfährt nicht gerade mehr als einen Cameo – Auftritt, der für die künftige Vorbereitung auf die „Sinister Six“ allerdings bravorös gelungen ist, und zwischen den beiden anderen Gegenspielern Green Goblin und Electro kommt es erfreulicherweise zu eher wenigen Überschneidungen. Somit ist es ebenso sinnvoll, dass der fertige Film letztlich „Rise of Electro“ als Beititel hat, denn Webb konzentriert sich so zumeist auf der von Jamie Foxx verkörperten Figur Max. Auch wenn die Mann-wird-von-Aal-gebissen Prämisse zu Beginn doch recht bekannt vorkommt, zumindest in Bezug auf Tierbisse, gibt Webb Foxx' gelungenem Spiel viel Raum für eine für die Spielzeit sehr ausgereifte Version eines Antagonisten, der ideenreich, für einen Comic ungewöhnlich komplex ist und in physischen Kämpfen auch deutlich was hermacht.
Sowieso sind die Kämpfe zwischen Electro und Spider-Man DIE Augenöffner des Films, die auf gewitzte Settings wie einem Futuredesign – Kraftwerk oder dem Times Square und einem exlosiven Electro-Soundtrack *zwinker**zwinker* bauen. Hinzukommt, dass man auch CGI-technisch einen drauf gesetzt hat und so Electro's schwer zu realisierende Blitze nicht zu einer Unecht-Echt-Raterei verkommen lässt.
Überraschenderweise verreißt der Film gerade bei Shootingstar Dane DeHaan etwas, dessen Freundschaft zu Peter einerseits vom Drehbuch arg unwirklich präsentiert wird, anderseits aber auch einiges an der Entwicklungsdauer zum Green Goblin, die James Franco zu gute kam, vermissen lässt. Schlussendlich wirkt DeHaan's Harry Osborn doch arg aufbrausend und realitätsfremd, zumal die ziemlich verwirrende Blutgeschichte hinzukommt, die letztlich aber auch wieder eines von Webb nur unzureichend begründeten Themen ist. Glücklicherweise bleibt der Goblin allerdings nach einem kurzen Kampfintermezzo mit Folgen dem Franchise erhalten, denn seine äußerliche Präsenz ist wahrlich eindrucksvoll.
Fazit: Marc Webb geht inmitten der groß angelegten Comic – Sause ein wenig verloren und es täte ihm gut etwas mehr im altmodischeren Rahmen zu inszenieren wie es Sam Raimi eben tat. Nichtsdestotrotz ist „The Amazing Spiderman 2: Rise of Electro“ wieder ein actionreicher und witziger Comicfilm geworden, dessen Nährwert allerdings größtenteils verloren geht.