Mit dem Polizeipsychologen „Alex Cross" schuf der amerikanische Schriftsteller James Patterson eine ungemein populäre Thriller-Figur. Fast zwanzig Jahre sind seit dem Erstlingsroman „Morgen Kinder wird´s was geben" vergangen, fast ebenso viele Bücher erschienen, und noch immer geht die neueste „Cross"-Ausgabe regelmäßig weltweit millionenfach über die Ladentische. Angesichts dieses immensen internationalen Erfolgs überrascht es, dass mit „Denn zum Küssen sind sie da" und „Im Netz der Spinne" bislang lediglich zwei Bücher der Krimireihe verfilmt wurden. Das soll sich nun ändern: Schlüpfte in den ersten beiden Leinwandadaptionen noch Superstar Morgan Freeman („Die Verurteilten", „Sieben") in die Rolle des berühmten Detectives, tritt in Rob Cohens („xXx – Triple X") „Alex Cross" mit Tyler Perry ein eher für zotige Komödien bekannter Schauspieler in die großen Fußstapfen. Sie auszufüllen gelingt Perry allerdings nicht: Der fade Actionthriller, der lose auf „Blood", dem 12. Teil der Buchreihe, basiert, enttäuschte an den amerikanischen Kinokassen und erreicht weder die Klasse der Romanvorlage noch die der ersten beiden „Cross"-Verfilmungen.
Den angesehenen Polizeipsychologen Alex Cross (Tyler Perry) kann nur noch wenig schockieren: Seit vielen Jahren arbeitet er als Detective im Morddezernat des Detroit Police Departments und hat dort schon viele entstellte Leichen zu Gesicht bekommen. Dank seiner hervorragenden Arbeit steht Cross kurz vor einem Wechsel zum FBI, doch vorher gilt es noch einen besonders brutalen Fall zu lösen: In einer schmucken Villa wird neben drei toten Leibwächtern auch die Leiche einer grausam zu Tode gefolterten, ans Bett gefesselten Managerin gefunden. Die Spur führt zu dem sadistischen Serienkiller „Picasso" (Matthew Fox), der nach seinen bestialischen Bluttaten stets eine markante Schwarz-Weiß-Zeichnung am Tatort zurücklässt. Cross und sein langjähriger Partner Thomas Kane (Edward Burns) heften sich an seine Fersen und können „Picasso" bald stellen – doch dann begeht der Ermittler einen folgenschweren Fehler, der nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Familie in große Gefahr bringt...
„You're looking at him!", stellt sich der berüchtigte Serienkiller „Butcher of Sligo" bei seinem ersten Auftritt in der Buchvorlage einem verdutzten Wettmanager vor, bevor er zehntausend Dollar auf sich selbst setzt und im Ring problemlos einen Schwergewichtskämpfer vertrimmt. Keine Frage: Mit dem „Butcher" (bzw. „Schlachter" in der deutschen Ausgabe) ist nicht zu spaßen: Seine Methoden sind ungemein brutal, der selbstgewählte Spitzname passt wie die Faust aufs Auge. Was hat das Autorenduo Kerry Williamson und Marc Moss (letzterer schrieb auch das Drehbuch zu „Im Netz der Spinne") also dazu veranlasst, den charismatischen „Schlachter" für die Kinoadaption in „Picasso" umzubenennen? Ganz einfach: Die Zeichnungen, die der Killer am Tatort zurücklässt, stehen exemplarisch für die Versatzstücke erfolgreicher Genrevorbilder, die vor allem in der ersten Filmhälfte uninspiriert aneinandergereiht werden. Rätsel, die auf das nächste Mordopfer hindeuten, nächtliche Anrufe im Hause Cross und nicht zuletzt abgegriffene „Ich beobachte dich!"-Momente: „Alex Cross" bietet nichts, was man nicht in anderen Filmen schon besser gesehen hätte.
Statt den Figuren – allen voran dem psychopathischen Mörder, über den der Zuschauer im Gegensatz zur literarischen Vorlage so gut wie nichts erfährt – Tiefgang zu verleihen und das Geschehen so mit Leben zu füllen, handeln Williamson und Moss die unverkennbaren Charakteristika der Romanreihe – die wiederkehrenden ruhigen Minuten im Kreise der Familie Cross, die Kumpelgespräche mit Partner Kane und die nachdenklichen Stunden am heimischen Klavier – fast im Vorbeigehen ab. Statt den schmerzhaften Tod einer engen Cross-Vertrauten als einleitenden, tragischen Ausgangspunkt für die energischen Ermittlungen des auf Rache sinnenden Detectives zu nutzen, missbraucht der Film diesen halbherzig als Auslöser für einen actiongeladenen Showdown, bei dem sich die beiden Kontrahenten ein auffallend emotionales Mann-gegen-Mann-Duell liefern, obwohl sich im Vorfeld keine wirkliche Aversion entwickelt hat.
Tyler Perry („Madea's Witness Protection") und Matthew Fox („Lost", „Speed Racer") ist dabei noch der geringste Vorwurf zu machen: Vor allem Fox müht sich als gefühlskalter, brutaler Folterknecht nach Kräften, bleibt aber stets Gefangener des schwachen Drehbuchs und der lustlosen Inszenierung. Während „Denn zum Küssen sind sie da" und „Im Netz der Spinne" allein durch das einnehmende Spiel Morgan Freemans überzeugten, fehlt Tyler Perry schlicht das nötige Charisma, um einen der populärsten Ermittler der Gegenwart zu verkörpern. Immerhin: „Alex Cross" verkommt nicht zum hirnlosen Geballere, sondern nimmt sich abschließend sogar noch Zeit für einen netten Twist, in dem Superstar Jean Reno („Leon – Der Profi") als schwerreicher, zwielichtiger Gilles Mercier eine Schlüsselrolle zukommt.
Fazit: Rob Cohens „Alex Cross" erreicht weder die Klasse der ersten beiden Patterson-Verfilmungen noch die der spannenden Buchvorlage. Statt eines packenden Psycho-Duells zwischen Killer und Cop liefert der „The Fast And The Furious"-Regisseur einen mauen Actionthriller ab, der außer einigen gelungenen Actionszenen und einem brutalen Serienmörder wenig zu bieten hat.