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    I, Anna
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    I, Anna
    Von Robert Cherkowski

    Nico Hofmanns Romanverfilmung „Solo für Klarinette" nach Elsa Lewin war 1998 ein echtes Wagnis. Ein erotischer Psychokrimi in düsteren Molltönen war damals wie heute nicht unbedingt das, wofür das komödienbegeisterte deutsche Kinopublikum Schlange stehen würde. Dabei konnte Hoffmann ausgewiesene Schauspiel-Koryphäen verpflichten. Neben Corinna Harfouch in der weiblichen Hauptrolle glänzte Götz George als sensibler Kommissar. Die BILD-Zeitung schwurbelte ein paar vereinzelte Sexszenen zum Porno-Skandal hoch und George rührte mit einem legendären Pöbel-Auftritt bei „Wetten, dass..?" die Werbetrommel. Es half alles nichts. „Solo für Klarinette" wurde ein desaströser Flop. Der Roman selbst jedoch hat nach wie vor viele Freunde. Mit „I, Anna" steht nun die zweite Verfilmung des Buches an. Statt Hofmanns Berlin oder Lewins New York stellt nun London die Kulisse, vor der sich eine reifere Frau und ein einsamer Kommissar begegnen und ein weiteres Mal die Unmöglichkeit der Liebe erfahren müssen. Mit Charlotte Rampling und Gabriel Byrne steht diesmal sogar ein international hochangesehenes Darstellergespann im Mittelpunkt. Insgesamt mehr Aufmerksamkeit als Hofmanns Version dürfte dem Regidebüt des Rampling-Sohnes Barnaby Southcombe damit schon beschert sein. Besser ist „I, Anna" aber keineswegs.

    Das Leben der alleinstehenden Großmutter Anna (Charlotte Rampling) ist trostlos. Die Besuche ihrer Enkelin sind die Highlights ihres tristen Alltags. Eine kleine Flucht aus ihrem Elend erlaubt sie sich mit der Teilnahme an einem örtlichen Speed-Dating-Workshop, wo sie den etwas ungeschickten, doch schneidigen George (Ralph Brown) kennenlernt. Als George wenig später ermordet aufgefunden wird, wird der ebenfalls von schwerer Einsamkeit geplagte Chef-Inspektor Bernie Reid (Gabriel Byrne) auf Anna aufmerksam. Bernie ist fasziniert von der stilvollen und doch so tieftraurigen Frau, in der er eine Seelenverwandte und eine Chance auf ein neues Glück sieht. Die Ermittlungen jedoch werfen bald dunkle Schatten über die unglücklich Verliebten...

    Die großen Handlungstwists sollen hier nicht vorweg genommen werden. Dass sich der Stoff als Whodunit-Thriller inszenieren lässt, hat Hofmann seinerzeit sehr gekonnt unter Beweis gestellt. Bei Lewins Roman handelt es sich indes vielmehr um ein psychologisches Drama. Nie wird dort ein Zweifel an der Identität des Mörders gelassen. Eine klassische Krimi-Dramaturgie ergab sich dabei nicht. Mit „I, Anna" geht Barnaby Southcombe einen Mittelweg, der dem Erzählfluss seines Films nicht gut bekommt. So wird auch hier schnell verraten, wer den Lüstling George erschlagen hat. Trotzdem quält sich noch ein öder Krimiplot am eigentlichen Drama entlang, ohne für Spannung oder emotionalen Mehrwert zu sorgen.

    Was ein düster-verregnetes Noir-Drama über Einsamkeit und Sehnsucht sein soll, pendelt vielmehr zwischen behäbigem Melodram und Krimi-Elementen auf niedrigem „Tatort"-Niveau umher. Wenn zum Finale hin mit einer weiteren Handlungswendung nochmal ein ganz neues Fass aufgemacht wird, dürfte „I, Anna" auch den besonders wohlwollenden Teil des Kinopublikums verärgern. So wäre es an den Darstellern gewesen, Leben und Tiefe in die Erzählung zu bringen. Allerdings erstarren beide Hochkaräter immer wieder in Posen aufgesetzter Schicksalhaftigkeit. Charlotte Rampling („Swimming Pool", „Melancholia") stiert abwesend vor sich hin und darf nur in wenigen Szenen, etwa bei ihrer ersten flüchtigen Begnung mit Gabriel Byrne, die Leinwand so zum Beben bringen, wie man es eigentlich von ihr gewohnt ist.

    Byrne („Die üblichen Verdächtigen", „In Treatment - Der Therapeut") dagenen wirkt in der Rolle des depressiven Bullen regelrecht deplatziert. Auch er verbringt die meiste Zeit damit, melancholisch aus Fenstern zu blicken. Beide mögen zu den Größten ihrer Zunft gehören – wenn man ihnen nichts zu tun gibt, bleiben jedoch auch die begnadetsten Schauspieler bloße Ausstellungsstücke. Da lobt man sich Eddie Marsan („Gefährten", „Happy-Go-Lucky"), der sich als Bernies uriger Partner Kevin die besten Szenen abgreift. Überzeugend an Southcombes missglücktem Mix aus Drama und Kriminalfilm ist da höchstens noch die eisgraue Optik, mit der Kameramann Ben Smithard London einfängt. Zwischen unbewohnbar scheinenden Betonklötzen und gläsernen Penthouse-Etagen kann kein Glück gedeihen. So artifiziell und überdeutlich wie seine Bildsprache ist dabei der ganze Film geraten.

    Fazit: Viel mag sich hier um Schmerz, Schuld und Sühne drehen – trotzdem lässt Barnaby Southcombes unentschlossenes Krimidrama kalt. Eine Wiederentdeckung der deutlich stärkeren Nico-Hofmann-Verfilmung der gleichen Vorlage wäre in diesem Fall sehr viel lohnenswerter.

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