Was war das für ein Geschrei, als sich der Industriellenerbe Gunter Sachs im Mai 2011 das Leben nahm! Nicht nur, dass eine Debatte über das Recht auf den Freitod vom Zaun gebrochen wurde, nein, auch der Verlust des „letzten Playboys" wurde beweint. In der Tat, Sachs mochte die Ladies und die Ladies mochten Sachs. Er lebte auf großem Fuß und ließ nichts anbrennen – und doch hatte man stets den Eindruck, dass er auch zu seinen besten Zeiten nie ein zwanghafter Sex-Addict gewesen sein mag, sondern einfach ein entspannter, ewiger Stenz, dem die Gelegenheiten auf den Schoß fielen. Ganz bestimmt hat die internationale Playboy-Szene einen der ganz Großen verloren. Der Größte von allen jedoch flaniert noch immer in all seiner eitlen und mehrfach gelifteten Pracht durch sein Berliner Jagdrevier und bezirzt das schöne Geschlecht mit Charme und Scheinen. Die Rede ist von Rolf Eden, seines Zeichens Disco-Mogul, Sexprotz, Womanizer und Playboy-Legende der ersten Güteklasse. Regisseur Peter Dörfler, der zuletzt mit „Achterbahn", einer Dokumentation über den gaunerischen Spreepark-Besitzer Norbert Witte, von sich reden machte, begleitete Haudegen Eden und fühlte dem zu diesem Zeitpunkt 81-jährigen Berliner-Urgestein in der Dokumentation „The Big Eden" auf den Zahn.
Der Film besteht zu einem Großteil aus Alltagsbeobachtungen, Archivmaterial – speziell ein Ausschnitt aus Cannes aus den 60er Jahren darf dabei als Sternstunde in der Geschichte des Busengrapschens bezeichnet werden – und ein paar Interviews, in denen Eden aus seinem bewegten Leben erzählt. Von seiner Jugend auf der Flucht vor dem NS-Regime, traumatischen Erfahrungen im israelischen Unabhängigkeitskrieg, dem Leben in Deutschland, den Clubs, den Girls, seinen zahlreichen Kindern (von zahlreichen Frauen), vom Sex – insbesondere vom Sex im Alter – wird dabei kaum etwas ausgelassen. Alles eitel Sonnenschein auf der Bright Side of Life? Ja und nein.
Eigentlich ist viel schief gelaufen im Leben des Disco- und Party-Königs Eden. Gespalten war das Verhältnis zwischen ihm und seinem Land, zu seinem Vater, der Mutter, zu Deutschland und nicht zuletzt zu den Frauen. Konstanz und Demut hat er – soviel sei verraten - nie wirklich erlernt. Zuviel Exzess und Zerstreuung war der geistigen Muße stets im Wege, als dass Eden jemals hätte in sich gehen können. Er war, wenn man so will, ein Opfer seiner Zeit und seiner selbst. Dennoch verkommt das Porträt nie zu einer unangenehm persönlichen Nabelschau. Große Selbstreflexion oder Jammerei wird man von Eden nicht zu hören bekommen. Sein Duktus bleibt dabei über die gesamte Dauer betont unintellektueller und gelassener Natur, vor allem im Bezug auf die Frauen. Für eine dauerhafte Beziehung hat Eden nichts übrig gehabt. Keine seiner vielen (!) Liebschaften hielt dem Zahn der Zeit stand. Was manch anderen wohl betrüblich stimmen und zum Nachdenken über die eigenen Prioritäten anregen würde, ficht den Chauvinismus-Experten nicht im Geringsten an. Sollen sich die Damen doch einen Stubentiger suchen und überhaupt: Wer will schon eine Frau über 30? Eden jedenfalls nicht!
An einem so zurückgelehnten Fossil prallt jede (Selbst-)Kritik ab und Dörfler versucht gar nicht erst, ihn aus der Reserve zu locken und ihn aggressiv mit den Widersprüchen seiner Weltsicht zu konfrontieren. Zum einen würde Lebemann Eden sie lächelnd vom Tisch wischen und mit Disco-Stammtisch-Parolen abschmettern, zum andern stolziert er mit einer solchen Bestimmtheit als die eigene Karikatur umher, die zu mokieren vollkommen überflüssig und in ihrer Überflüssigkeit wiederum selbst lächerlich wäre. Stattdessen wählt Dörfler einen anderen und letztlich viel konsequenteren Weg, um sich dem Phänomen Eden von einer kritischen Warte aus zu nähern: Schweigen und Zeigen; nicht widersprechen, sondern reden lassen, bis der Fluss eitler Selbstinszenierung ins Leere läuft.
Wenn für kurze Momente dann das Schweigen in Edens leicht seniles Gebrabbel einbricht, kann einem der alte Player glatt Leid tun. Plötzlich wirkt er vollkommen verloren und deplatziert vor der Kamera, nur um wenig später wieder in seinen Singsang zurückzufallen. In Augenblicken wie diesen wird „The Big Eden" zur Tragödie eines lächerlichen Mannes, der auf ebenso bewegtes wie erfülltes Leben zurückblickt, jedoch kaum Erkenntnisse und Einsichten mitgenommen zu haben scheint. Achselzuckend und geradezu schmerzhaft pragmatisch gibt Eden seinen Erfahrungsschatz zum Besten und führt nebenbei das alte Gerücht, dass man über Straßen der Exzesse zum Palast der Weisheit gelangt, ad absurdum – dieses Sprichwort ist spätestens nach „The Big Eden" auf unterhaltsame Art widerlegt.