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    The Stool Pigeon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Stool Pigeon
    Von Björn Becher

    Mit großer Zuverlässigkeit und in schneller Folge produzieren sowohl Johnnie To als auch Dante Lam regelmäßig gute Hongkong-Thriller. Unterschiedlicher könnten die Werke der beiden Filmemacher aber kaum sein. Während To immer nach Perfektion und Schönheit strebt und dabei atemberaubendes Kugelballett auf die Leinwand zaubert, ist Lam so etwas wie sein böser Bruder. Bei ihm regiert das Chaos. Hier wird nicht in Schönheit gestorben, sondern krepiert wie ein Hund. Seine ungeschönte Weltsicht zeigt sich auch in Lams „The Stool Pigeon", der wie 2008 bereits „The Beast Stalker" im Forum der Berlinale vorgestellt wurde. Sein Werk ist von einer zynisch-pessimistischen Grundstimmung durchzogen, aber in ihm gibt es Szenen von höchster inszenatorischer Brillanz. Mit dieser Mischung ist „The Stool Pigeon" trotz einiger überflüssiger Nebenhandlungsstränge über weite Strecken richtig klasse.

    Ein vorschneller Zugriff der Polizei bei einem Drogendeal hat höchst unterschiedlichen Einfluss auf das Leben zweier Beteiligter. Während Polizist Don Lee (Nick Cheung) zum Leiter einer Spezialeinheit befördert wird, fällt sein Spitzel Jabber (Kai Chiu Liu) einer Racheaktion zum Opfer, die er nur mit Glück überlebt. Geistig verwirrt lebt er von nun an auf der Straße. Ein Jahr später bekommt Lee den Auftrag, den gefährlichen Diamantenräuber Barbarian (Yi Lu) zu stoppen. Der skrupellose Gangster ist der Polizei bislang immer entwischt und plant einen neuen Coup. Lee gelingt es, den frisch aus dem Gefängnis entlassenen, langjährigen Fluchtwagenfahrer Ghost Jr. (Nicolas Tse) in Barbarians Gruppe einzuschleusen. Doch dessen Einsatz wird immer riskanter, weil Barbarian höchst misstrauisch ist und sich Ghost Jr. zu allem Überfluss noch in dessen Freundin Dee (Lunmei Kwai) verliebt. Und so muss Don Lee sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: den Gangster zu fassen oder dieses Mal seinen Spitzel zu retten?

    Während die Inszenierung von „Stool Pigeon" sehr einheitlich gelungen ist, überfrachten Dante Lam und sein Stammdrehbuchautor der vergangenen zwei Jahre, Wai Lun Ng („Kill Zone S.P.L. "), den Film inhaltlich durch allzu zahlreiche Nebenhandlungen. Sind Ghost Jr.s Schulden und Dees Schwangerschaft zumindest partiell noch wichtig für die Haupthandlung, erscheinen besonders Don Lees Traumata - einmal bezüglich seines einstigen Informanten, zum anderen in Zusammenhang mit dem ausdauernden Besuch einer Tanzschule – als arg in die Breite gezogene Ablenkungen. Lam nutzt sie letztlich zu kaum etwas anderem als zur Untermauerung seiner pessimistischen Haltung. Seine Figuren sind hier wie stets Verlierer, die es niemals langfristig auf die Sonnenseite des Lebens bringen werden, dies wird durch diese Abschweifungen noch einmal betont. Aber am Ende fallen solche redundanten Irrwege kaum ins Gewicht, zu stark, kraftvoll und spannend ist der Rest.

    Immer wieder setzt Dante Lam gezielt Höhepunkte: Mit einem illegalen Autorennen sorgt er frühzeitig für gekonnte Action und durch eine kurze Rückblende mit der schicksalhaften Kreuzung zweier verschiedener Verfolgungsjagden für eine Prise Humor. Ein weiteres Glanzlicht ist eine Polizeiobservation, die mit ihren Tempowechseln und den perfekt gesetzten Schnitten an den Überwachungsthriller „Eye In The Sky" erinnert, der hier erkennbar Pate stand. Und über allem liegt die ständige Angst, dass Ghost Jr. auffliegen könnte. Dazu kommt ein fast durchgehend starkes Schauspielerensemble angeführt von Nicholas Tse, in dessen Gesicht sich immer mehr die Narben des Niedergangs aller Charaktere sammeln.

    Um den Bogen zum Beginn zurückzuschlagen: Wo ein Johnnie To Action im Spiegelkabinett zelebriert („Mad Detective") oder einen wunderschönen Kugeltanz mit Essenpause veranstaltet („Exiled"), findet das Finale von Dante Lam in einer vermüllten Wellblechsiedlung statt. Es fliegen keine Geschosse in Slow-Motion durch die Luft, sondern es wird wild mit allem, was greifbar ist aufeinander eingeprügelt. Wenn die Protagonisten mit Steinen, Scherben und allerhand Gerümpel immer wieder aufeinander einhauen und –stechen, ist das Chaos pur, bisweilen unübersichtlich und weit entfernt von Tos Perfektion. Es ist aber ungemein kraftvoll: Pure Emotionen, hohe Spannung – ein echter Dante Lam eben.

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