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    Chappie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Chappie
    Von Christoph Petersen

    Als „District 9“-Regisseur Neill Blomkamp 2010 das Skript zu „Elysium“ (ein Film mit vielen Robotern) schrieb, lief nebenher ständig die Musik der Kapstädter Rap-Rave-Band Die Antwoord, die im Jahr zuvor YouTube mit ihrem Debütalbum „$O$“ im Sturm erobert hatte (wer die Clips der Truppe nicht kennt, sollte zur Einstimmung das Musikvideo unter dieser Kritik schauen). Und da kam es Blomkamp plötzlich in den Sinn: Wie genial-verrückt wäre bitte ein Film, in dem die rappenden White-Trash-Kunstfiguren Ninja und Yo-Landi Visser von Die Antwoord einen Baby-Roboter aufziehen? Natürlich würde sich wohl kaum ein Studio finden, das für ein solch durchgeknalltes Projekt das nötige Kleingeld zur Verfügung stellt… Aber trotz stolzer Produktionskosten von kolportierten 115 Millionen Dollar (Danke Sony!) kommt nun fünf Jahre später eben jener irrsinnige Film mit dem Titel „Chappie“ in die Kinos und das absurde Konzept geht auf der Leinwand tatsächlich auf. Nur können die an „RoboCop“ angelehnten Sci-Fi-Ideen, die Blomkamp als Hintergrund zu den unwahrscheinlichen Protagonisten dazuerfindet, mit dem zentralen Gangsta-Trio aus Rappern und Roboter leider nicht mithalten.

    Der bei einem Waffenkonzern angestellte Deon Wilson (Dev Patel) hat die Polizei-Androiden entwickelt, die in Kapstadt inzwischen weitestgehend ihre Kollegen aus Fleisch und Blut ersetzt haben. In seiner Freizeit schreibt der Ingenieur zudem an einem Programm, das den Robotern ermöglichen soll, wie ein Mensch ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Weil sich damit aber kaum Geld verdienen ließe, stößt er bei seiner Chefin (Sigourney Weaver) mit der Bitte um einen Feldversuch auf taube Ohren. Also lässt Deon kurzerhand einen im Einsatz beschädigten Androiden mitgehen, nur um ihn sich kurz darauf von Ninja (Ninja) und Yolandi (Yo-Landi Visser) wieder abluchsen zu lassen. Das White-Trash-Gangsterpärchen will den High-Tech-Blechmann für einen Überfall auf einen Geldtransporter einspannen, muss den von Yolandi liebevoll Chappie getauften Roboter dafür aber erst einmal erziehen. Denn nachdem Deon ihm sein Bewusstseinsprogramm aufgespielt hat, wird aus Chappie so etwas wie ein menschliches Baby – wenn auch eines, das sehr, sehr schnell lernt…

    In ihren Videos karikieren Die Antwoord die südafrikanische Gangkultur und präsentieren sich dabei als deutlich intellektuellere Variante der niederländischen Proleten-Komiker von den „New Kids“. Für ihre Rolle als Roboter-Eltern (mit stilbewussten MPs in Gelb und Pink) bedeutet das, dass für Chappie zunächst Zielschießen (im Gangsta-Style mit quergehaltener Knarre) und Autoklauen auf dem Stundenplan stehen – wobei zumindest Yolandi bald echte Muttergefühle entwickelt. Neill-Blomkamp-Stammkraft Sharlto Copley („Das A-Team“) verkörpert Roboter Chappie dabei per Motion-Capture-Verfahren nach einer verängstigten Baby-Phase als pubertär-schlaksigen, betont lässigen Nachwuchs-Gangster – dicke Goldkettchen und Ghetto-Slang inklusive. Diese Kindheit im Schnelldurchlauf ist zwar die meiste Zeit über extrem unterhaltsam (und Blomkamp jongliert geschickt mit der spannenden Frage, wieviel ein Erwachsener seiner DNA und wieviel seiner Erziehung verdankt), aber der Ton kann auch sehr schnell umschlagen: Weil Chappie seinem „Schöpfer“ Dean versprochen hat, nichts Kriminelles zu tun, setzt ihn Ninja in einem besonders üblen Viertel aus, wo ihn die dortigen Gangmitglieder mit Eisenstangen und Molotowcocktails malträtieren – so soll der Roboter gezwungen werden, selbst Gewalt anzuwenden. Eine schmerzhaft-emotionale „Kindes“-Misshandlung, denn zu diesem Zeitpunkt hat das Publikum Chappie längst als echtes Lebewesen akzeptiert.

    Die Beziehung der Rapper zu ihrem Roboter ist definitiv das Herzstück des Films – aber ein Blockbuster dieser Budgetkategorie verlangt nun mal nach einer noch „größeren“ Story und internationalen Stars. Erstere haben sich Neill Blomkamp und seine „District 9“-Schreibpartnerin Terri Tatchell kurzerhand bei Paul Verhoevens Genre-Klassiker „RoboCop“ ausgeliehen: Soll man nun möglichst menschenähnliche Roboter oder doch gleich panzerartige Kriegsmaschinen ins Feld schicken? Leider liefert uns diese Nebenhandlung bis auf einen Seitenhieb auf die das Büffet leerfutternden Polizeichefs wenig Neues, wobei Superstar Hugh Jackman („X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“) in seiner Nebenrolle als Deons firmeninterner Konkurrent Vincent Moore zumindest sichtlich Spaß an seinem Bösewicht-Part und seiner unvorteilhaften Vokuhila-Frisur hat. Sci-Fi-Ikone Sigourney Weaver bleibt als börsenkursorientierte Firmenchefin hingegen eher blass, hat mit Neill Blomkamp aber zumindest nebenbei den passenden Regisseur für ihren nächsten „Alien“-Film gefunden.

    Fazit: Die stylische Sci-Fi-Gangsta-Antwort auf „Drei Männer und ein Baby“ – völlig gaga und sehr unterhaltsam.

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