Dr. Alan Grant (alias Sam Neill) hat es in Steven Spielbergs Klassiker „Jurassic Park“ kultig-brillant auf den Punkt gebracht: „Dinosaurier und Menschen – zwei Spezies zwischen denen 65 Millionen Jahre der Evolution liegen, sind auf einmal in ein und dieselbe Zeit katapultiert worden. Wie können wir auch nur die blasseste Vorstellung von dem haben, was uns erwartet?“ Kein Mensch hat je einen lebenden Dinosaurier zu Gesicht bekommen, aber die Faszination des Homo Sapiens für die gigantischen Urzeittiere ist ungebrochen. Der neueste Versuch, uns für 90 Minuten am Leben der Riesenechsen teilhaben zu lassen, kommt von den Regisseuren Neil Nightingale und Barry Cook, die in der 3D-Kinoversion der erfolgreichen britischen BBC-TV-Serie „Dinosaurier - Im Reich der Giganten“ die fossilen Titelhelden digital wiederauferstehen lassen. Das computeranimierte Kinder-Abenteuer vor realer Kulisse ist technisch auf der Höhe der Zeit, langweilt jedoch mit einer lieblos zusammengestückelten, klischeeüberladenen Geschichte und schwachen Dialogen.
Der Paläontologe Zack (Karl Urban) fährt mit seinem Neffen Ricky (Charlie Rowe) und seiner Nichte Jade (Angourie Rice) zu einer Ausgrabungsstätte, um ein Dinosaurierskelett freizulegen. Während Jade begeistert beim Knochenausbuddeln hilft, bleibt Ricky lieber genervt beim Auto. Doch sein ausgeprägtes Desinteresse nimmt ein jähes Ende, als ein sprechender Urzeitvogel (Stimme: Otto Waalkes) auftaucht und ihm eine Geschichte erzählt, die 70 Millionen Jahre vorher einsetzt: Der junge Pachyrhinosaurus Patchi (Stimme: Patrick Roche) ist der kleinste Dino unter seinen Geschwistern und hat hart zu kämpfen. Doch der Außenseiter, der stets von seinem besten Freund, dem Vogel Alex (Otto Waalkes), begleitet wird, ist intelligenter als seine Artgenossen. Als Patchis Eltern bei einem Angriff einer verfeindeten Gorgosaurus-Gruppe sterben, muss sich der Dino noch demütiger unterordnen, die Herde wird nun von seinem starken, aber dummen Bruder Bruto (Manuel Straube) angeführt. Der schnappt sich ganz ungalant auch Patchis große Liebe Juniper (Marie-Christin Morgenstern).
Sagenhafte 700 Millionen Fernsehzuschauer haben sich 1999 weltweit die sechsteilige BBC-Serie „Dinosaurier - Im Reich der Giganten“ angesehen. Ein solches TV-Ereignis für ein Kinopublikum aufzubereiten, hat schon bei der beeindruckenden Natur-Doku „Unsere Erde“ herausragend funktioniert – allein in Deutschland pilgerten 3,8 Millionen Menschen in „Unsere Erde – Der Film“ (2008). Dieses Muster soll nun auch bei der Kinoversion der Dinosaurier-Reihe greifen. Tier- und Naturfilmer Neil Nightingale („Enchanted Kingdom“) bildet mit dem erfahrenen Animations-Regisseur Barry Cook („Mulan“) ein kreatives Gespann, das die technischen Herausforderungen dieser Mischung aus Realfilm und Animation exzellent meistert. Die beiden lassen die monströsen Urzeittiere in brillanter 3D-Optik auferstehen und fügen sie organisch in majestätische Landschaftsaufnahmen aus Alaska und Neuseeland ein - dank des üppigen Budgets von 80 Millionen Dollar sind die Dino-Animationen denen der 1999er TV-Version selbstverständlich weit überlegen. Doch mag der Ausflug in die Vorzeit des Menschen visuell auch durchaus beträchtliche Reize haben, auf inhaltlicher und erzählerischer Seite stimmt dafür nicht allzu viel.
Schon im gut fünfminütigen seltsam angestaubt wirkenden Realfilm-Prolog, der hier als Einführung in die Geschichte dient, geht erzählerisch einiges schief. So leuchtet kaum ein, warum der Teenager Ricky partout keine Lust hat, seinem Paläontologen-Onkel bei der Dino-Ausgrabung zu helfen, dürfte es doch - so wie das hier präsentiert wird - gerade für Kinder und Jugendliche kaum etwas Spannenderes geben. Dieser Misston ist nur der erste in einem insgesamt wenig stimmigen Film. So trimmen die Regisseure ihre harmlos-biedere Fabel über den smarten Pachyrhinosaurus Patchi und den Urzeitvogel Alex mit Gewalt auf „Ice Age“, aber erreichen nie auch nur ansatzweise den frechen Witz der Eiszeit-Abenteuer von Sid, Diego und Co. Die einfach gehaltenen Dialoge sind auf die jungen Zuschauer abgestimmt, aber dabei meist unnötig flach („Krass, der muss echt voll unheimlich gewesen sein“) und bieten letztlich kaum etwas als sattsam bekannte Allgemeinplätze. Überhaupt fehlen der Geschichte einfach die unerwarteten Ideen und die originellen Einzelheiten – zudem wird das ganze Dino-Einerlei auch noch ohne rechten Schwung dargeboten.
Der Handlungsverlauf von „Dinosaurier - Im Reich der Giganten“ macht den Eindruck als hätte jemand auf Autopilot geschaltet – Konflikte und Wendepunkte sind in dieser Schema-F-Dramaturgie bis auf das i-Tüpfelchen vorhersehbar. Die krasse Vermenschlichung der sprechenden Dinos (deren Münder sich in den Animationen nicht bewegen) ist hingegen nicht konsequent durchdacht: Da werden einerseits Grausamkeiten wie der Tod von Vater und Mutter serviert, aber dieser herzzerreißende Verlust der Eltern (die seltsamerweise der Leinwandsprache nicht mächtig sind!) löst bei Hauptfigur Patchi absolut überhaupt nichts aus und wird nahezu unkommentiert hingenommen. Das disqualifiziert den Film für Vorschulkinder, für die „Dinosaurier - Im Reich der Giganten“ zu gruselig und brutal ist, obwohl Deutschlands Vorzeige-Blödelbarde Otto Waalkes (der wie schon bei „Ice Age“ die deutsche Stimme von John Leguizamo spricht) krampfhaft versucht, dem Geschehen eine ulkige Note zu geben. Sein Erzähler berichtet „aus der Vogelperspektive“ (der beste Witz des Films unter vielen misslungenen Pointen) über die Heldentaten Patchis, der sich mit seinem nervenden Protzbruder Bruto herumschlagen muss.
Fazit: Als prähistorische Natur- und Tier-Dokumentation hätte Neil Nightingales und Barry Cooks Film einfach durch seine phantastischen Bilder überzeugen können, aber die Kinoversion der erfolgreichen BBC-TV-Serie „Dinosaurier - Im Reich der Giganten“ gefällt eben nur durch beeindruckende Animationen und lässt auf inhaltlicher Ebene jede Substanz vermissen. Für Erwachsene zu kindisch, für kleinere Zuschauer trotz aller Harmlosigkeit in einigen Szenen zu grausam.