Was habe ich nach der Enttäuschung der "Unerwarteten Reise" auf diesen zweiten Teil gehofft. Doch kurz gesagt: Auch das war nix. Das Gute vorweg: Der Film ist visuell eindrucksvoll, HFR und 3D funktionieren diesmal deutlich besser, die Bilder sind toll und Peter Jackson bemüht sich streckenweise redlich, logische Löcher der Vorlage zu stopfen. Doch das reicht nicht. Nie wird man so in den Film hineingesogen wie in die Ringe-Trilogie, immer bleibt man als Zuschauer an der Oberfläche. Kurz gesagt: Auch wenn der zweite Teil des Hobbits besser ist als der erste, ist er immer noch nicht gut. Nur: Warum war "Der Herr der Ringe" so toll und warum ist "Der Hobbit" so viel schlechter?
Kern des Unterschiedes: Der Herr der Ringe war realistisch. Der Hobbit ist es nicht. Wie bitte, Realismus? Ringgeister, Orks und Trolle, Zauberer und Elben sollen realistisch sein? Ja, zumindest in den ersten beiden Teilen der Ringe-Trilogie wirkten sie so. Man hatte das Gefühl, es mit einer realen Welt zu tun zu haben, in der sich phantastische, aber "echte" Kreaturen tummeln, die Überbleibsel einer mystischen Urgeschichte darstellen. Erreicht wurde das durch einen unglaublichen Sinn für die Stimmigkeit von Details und einen geschickten Umgang nicht nur mit dem zugrunde liegenden Roman, sondern dem literarischen Gesamtwerk Tolkiens, das die Drehbuchautoren kreativ und zielgerichtet plündern durften. Peter Jackson selbst äußerte sich damals während des Drehs so, dass er an das ganze Projekt nicht wie an einen Fantasy-Film, sondern wie an einen Historienfilm herangehen wolle, und genau so sah das Ergebnis aus.
Davon sind wir jetzt meilenweit entfernt. Man hat nicht mehr das Gefühl, es mit realen, glaubhaften Figuren zu tun zu haben, die etwas nachvollziehbares machen, dabei nachvollziehbare Probleme lösen und nachvollziehbaren Gefahren trotzen müssen. Im "Hobbit" fühlt sich einfach nichts echt und glaubhaft an, der Film wirkt nicht "geerdet", sondern wie ein überkandidelter Comic. Deshalb kann man auch nicht richtig mitfiebern, wenn zwei Elben gefühlt dreihundert Fallobst-Orks den Garaus machen. Was in "Die zwei Türme" noch sehr dosiert vorkam und in "Rückkehr des Königs" schon störte, dort aber wenigstens noch ironisch gebrochen wurde ("Der zählt trotzdem nur als einer!"), wird nun zum Dauerzustand: Heldenfiguren überwinden alle Grenzen der Logik, des gesunden Menschenverstandes und der Physik und führen schwerelose CGI-Stunts vor, die an einen Animationsfilm erinnern. Die omnipräsenten Orks sind keine üblen, grobschlächtigen, gefährlichen Typen oder insektenhaften, durch Überzahl bedrohlichen Schwarmwesen mehr, sondern zeigen sich als parodiehaft überzeichnete Comicfiguren mit CGI-Gummihaut, denen Metall aus dem Körper wächst und die bei einem kurzen Knuff tot umfallen. Die wuchtige Körperlichkeit der Nahkämpfe aus "Die Gefährten" geht völlig verloren, der Zuschauer wird davon distanziert. Nie scheint einer der "Guten" wirklich in Gefahr zu schweben oder echte Schmerzen zu leiden, Tod und Verstümmelung werden zu einem ästhetisierten Scherz, zu einem Ballet für vier Messer und zwei Bögen.
Waren vor allem in "Die Gefährten" Jacksons Eingriffe in Plot, Tempo und Figuren noch geradezu genial, versagt er in beiden Hobbit-Filmen auf diesem Gebiet kläglich. Passagen mit großem, erzählerischem Potential werden massiv gekürzt und verstümmelt, fremdes Material wird ohne Not, mit massiven Brüchen und kaum nachvollziehbar eingefügt. Wo ist der Düsterwald-Fluss hin? Was ist mit der im Buch wunderbaren Einführungsszene Beorns passiert? Warum sehen wir die spukhaften Festivitäten der Elben im Düsterwald nicht? Warum darf Bilbo nicht ein wenig im Verborgenen deren unterirdische Stadt erkunden?Figuren verhalten sich teilweise bizarr und gegen ihre innere Logik. Sämtliche Regeln Mittelerdes scheinen außer Kraft gesetzt. Die Krönung dieser Entgleisungen ist eine lächerliche und unglaubhafte Liebes- und Eifersuchtsgeschichte - und hier möchte ich übrigens anmerken, dass ich die Notwendigkeit einer Liebesgeschichte für einen Hollywood-Film irgendwie ja einsehe und Jacksons kreative Einbeziehung der Arwen-Figur in der Ringe-Trilogie großartig fand!
Im Finale glaubt der immer noch auf ein versöhnliches Ende hoffende Zuschauer dann mal kurz, dass Jackson die Kurve doch noch kriegt. Smaug ist wirklich eindrucksvoll, visuell sicherlich der grandioseste Drache der Filmgeschichte. Leider verhält sich der im Buch hochintelligente, charmante Bösewicht, der auf mich immer wie eine zu groß geratene, grausame Katze gewirkt hat, deren einzige Schwäche die Eitelkeit war, schlicht und ergreifend wie ein Trottel. Diesem Drachen-Deppen treten die Zwerge dann, die Vorlage völlig missachtend, mutig gegenüber, und tun Aberwitziges. An dieser Stelle erreicht das Realismus-Defizit, ja, der galoppierende Wahnwitz in Jacksons neuer Mittelerde einen traurigen, unfreiwillig komischen Höhepunkt. Was dem fassungslosen Zuschauer da für ein Unfug geboten wird, spottet wirklich jeder Beschreibung.
Insgesamt bleibt alles Oberfläche, nichts geht in die Tiefe. Die Dialoge: Arm, pathetisch und uninspiriert bis peinlich. Die Charakterzeichnung: Eindimensional und blass (eventuell einzige Ausnahme ist Thranduil). Gelang es Jackson in der Ringe-Trilogie noch, seine Schauspieler zu teilweise eindrucksvollen Leistungen anzuspornen, kann er hier selbst mit Vollblut-Profis wie Martin Freeman und Ian McKellen offenbar nichts mehr anfangen. Orlando Bloom scheint, wenn er gerade niemanden umbringen muss, verblüfft über seine eigene Langweiligkeit in immer gleicher Weise starr und CGI-blau an der Kamera vorbeizublicken, als wähne er sich, buchstäblich, im falschen Film. So wirkt er wie ein Roboter -
kein Wunder, dass die holde Elbenmaid ihn uncool findet und Zuflucht bei einem bartlosen und minderwüchsigen Mondscheinromantiker sucht.
Sicher werden manche zur Verteidigung des Regisseurs dieses einwenden: Der Hobbit sei ein Kinderbuch, das tatsächlich reich an logischen Lücken ist und dessen Stil und Inhalt sich nicht bruchlos mit dem Herrn der Ringe zur Deckung bringen lasse. Und tatsächlich: Nicht nur bei den Filmen, sondern auch in den Büchern verhält es sich so, dass der Herr der Ringe "realistisch" ist und der Hobbit nicht unbedingt - wie das in Kinderbüchern halt so ist. Ich persönlich werfe Peter Jackson aber vor, dass er diesen bekannten Konflikt extrem inkonsequent aufgelöst hat. Er hat Filme im visuellen Stil seines Herrn der Ringe geschaffen, ohne den Mut zu besitzen, die Geschichte und die Erzähltechnik diesem Stil tatsächlich anzupassen. So sitzt er für mich am Ende zwischen allen Stühlen mit seinem Kinderfilm im Kleid eines Schlachtengemäldes. Seine einzige wirklich gute, eigene Idee ist die Nummer mit
dem Arkenstein als eigentlichem Ziel der ganzen Unternehmung aufgrund seiner Eigenschaft als "Kronjuwel", das die sieben Zwergenvölker vereinen kann.
Das ist grundsätzlich ein guter Einfall, bleibt im Buch doch lange völlig unklar, was eigentlich der Plan und was genau die Aufgabe des "Meisterdiebes" ist,
dem im Erebor stehend aufgeht, dass er ja schlecht den ganzen Schatz am schlafenden Smaug vorbeitragen kann.
Verglichen mit dem Feuerwerk guter eigener Ideen aus Jacksons früheren/späteren Werken ist das aber viel zu wenig. Schade.