Für Christopher Nolan, James Cameron und eine kleine Handvoll anderer Filmemacher ist Hollywood vielleicht tatsächlich noch so etwas wie eine Traumfabrik, in der sie ihre ganz persönlichen Visionen verwirklichen können. Aber das Interesse der großen Studios an originellen und ungewöhnlichen Ideen ist ansonsten verschwindend gering. Ihr Augenmerk liegt vornehmlich auf Fortsetzungen, Neuverfilmungen und Adaptionen populärer Stoffe – daraus werden dann enorm teure Superblockbuster, die hohe Profite abwerfen sollen. In diesen Zeiten der kreativen Dürre boomt nicht nur das Fernsehen mit seinen epischen Erzählbögen, sondern auch das Internet. Hier wird mit neuen Vertriebswegen experimentiert, per Video-On-Demand sind manche Filme schon vor dem (längst nicht mehr unerlässlichen) Kinostart legal online zu sehen und nun will auch YouTube als Filmplattform und Produktionsfirma mitspielen. „Girl Walks Into a Bar", so heißt die mit bekannten Gesichtern gespickte Großstadt-Komödie von Sebastian Gutierrez, die in Episodenform zunächst auf YouTube in den USA zu sehen war. In Deutschland erscheint der durchwachsene Film als DVD-/Blu-Ray-Premiere unter dem irreführenden Titel „Hangover in L.A.", den man am besten ignoriert.
In den endlosen Nächten von L.A. kann viel passieren, das erlebt der verkniffene Langweiler Nick (Zachary Quinto) am eigenen Leibe. In einer schummerigen Bar trifft er die Killerin Francine (Carla Gugino), die er beauftragt, seine Frau umzubringen. Nick muss nur noch das Blutgeld auftreiben und der Deal ist unter Dach und Fach. Der neurotische Gangster Aldo (Danny DeVito) soll ihm aushelfen, doch es kommt ganz anders. Francine ist nämlich Undercover-Polizistin und hat Nicks Mordauftrag mitgeschnitten. Es beginnt eine Odyssee durch das schrille nächtliche Los Angeles beginnt, ein exzessiver Reigen, in dem Nicks Probleme kaum auffallen.
Auch wenn hier ein beachtliches Aufgebot von Stars aus Hollywoods zweiter Garde auftritt, brauchen sich die Kinobetreiber keine Sorgen zu machen, dass YouTube ihnen so bald ernsthafte Konkurrenz machen könnte. Sebastian Gutiérrez' („Rise: Blood Hunter") skurrile Nachtrundfahrt wird wohl als achtbares Experiment in Erinnerung bleiben, aber gewiss nicht als bahnbrechender Meilenstein. Die Episodenstruktur dominiert, der Film fühlt sich wenig nach Kino an. Dafür sind die Bilder zu unverbindlich, zu austauschbar und zu bescheiden geraten, auch das Drehbuch gibt eher wenig her. Von Anfang an zerfällt „Hangover in L.A." in meist hübsche, manchmal belanglose Einzelteile und Genre-Miniaturen, ohne dass ein homogenes Ganzes entstehen würde. Viele Probleme und Themen werden angerissen, man langweilt sich nie und doch wirkt der Film unfertig wie eine Idee, die nicht zu Ende gedacht wurde.
Trotz der prominenten Besetzung werden hier kaum nachhaltige darstellerische Akzente gesetzt, das mag am knappen Drehplan gelegen haben, am niedrigen Budget oder an den Drehbuchschwächen. Der sonst so stilsichere Zachary Quinto („Star Trek", „Margin Call") wirkt als biederer Jedermann jedenfalls fehlbesetzt und im billigen Anzug wie verkleidet. Danny DeVito zieht unterdessen seine typische „Danny DeVito Show" ab, die auch schon mal amüsanter war, Carla Cugino („Sin City") ist vor allem sexy und Fernsehstar Emmanuelle Chriqui („Entourage") ist vor allem süß. In weiteren Rollen tummeln sich Josh Hartnett („Die schwarze Dahlie") und der wie immer souveräne Veteran Robert Forster („Jackie Brown"), doch letztlich wirken die Auftritte der Stars oft wie ein bloßes Schaulaufen.
Insgesamt wirkt allzu vieles an „Hangover in L.A." beliebig und so gelingt auch das komödiantische Timing nur selten: Weder die lauten Lacher sitzen, noch die leisen, ironischen Momente. Und da dies beileibe nicht das erste Mal ist, dass von der Odyssee eines Normalos durch eine wilde Nacht erzählt würde, bleibt der Gedanke an besser gelungene Vorbilder und Vorläufer nicht aus – dabei standen hier weniger die „Hangover"-Filme als vielmehr Martin Scorseses „Die Zeit nach Mitternacht" und John Landis' „Kopfüber durch die Nacht" offenkundig Pate. Zudem ist der Einfluss von Kultfilmen wie „Short Cuts" oder „Pulp Fiction" unübersehbar, von dem meisterlichen Umgang mit der Episodenstruktur wie ihn Robert Altman und Quentin Tarantino zeigten ist hier jedoch nichts zu spüren. Und so bleibt kaum mehr als die Freude an einzelnen gelungenen Momenten und Auftritten.
Fazit: „Hangover in L.A." mag ein interessantes Experiment sein und – was die Vermarktung kleinerer Produktionen auf Online-Plattformen angeht – vielleicht sogar einen gewissen Pioniercharakter haben. Davon unabhängig ist die Komödie mit ihren erzählerischen und inszenatorischen Schwächen aber klar unterdurchschnittlich.