Mein Konto
    Vampire Nation
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Vampire Nation
    Von Maren Koetsier

    Der Mythos des Vampirs ist wesentlich älter als das Medium Film, schon in frühneuzeitlichen Schriften ist die Rede von blutsaugenden Nachtgestalten. Seit ihrer Verbannung aus dem osteuropäischen Aberglauben in die Literatur und dann auf die Leinwand fallen die Beschreibungen der Nachtwesen umso vielfältiger – und umso harmloser – aus. Mit der Umsetzung von Stephenie Meyers „Twilight"-Buchreihe wurde wohl eine der bekanntesten Abweichungen vom gängigen Mythos visuell festgehalten: in der Sonne glitzernde Vampire. Im Zuge popkultureller Romantisierung ist der Vampir zum zahm daher schmachtenden Posterboy verkommen. Mit Jim Mickles „Vampire Nation" kommen Horror-, Vampir- und Zombieliebhaber nun wieder auf ihre Kosten – und das (fast) ohne Romantik. In dem von Mickle atmosphärisch inszenierten Road Movie wird eine Mischung aus Vampir- und Zombiefilm geboten, ausgeführt mit solider Schauspielleistung, brutalem Splatter und einem stimmungsvollen Post-Apokalypse-Szenario.

    Es geht bergab mit Amerika. Blutsauger lauern auf den Straßen und brechen in Häuser ein. Nirgends ist man mehr sicher, überall streunen die Geschöpfe der Nacht umher. Auch Martins Eltern fallen der Vampir-Epidemie zum Opfer. Durch einen glücklichen Zufall entgeht der Teenager (Connor Paolo) dem Massaker, doch die Schreie seiner Mutter lassen ihn umkehren. Im letzten Moment eilt ihm der gnadenlose Vampirjäger Mister (Nick Damici) zu Hilfe. Von nun an ziehen die beiden durchs Land, auf dem Weg zu einem besseren Ort, dem New Eden in Kanada. Mister lehrt den Jungen das Töten, begleitet ihn beim Erwachsenwerden und trifft mit ihm auf weitere Vampire, aber auch Menschen, die den widerlichen Kreaturen in Sachen Grausamkeit in nichts nachstehen...

    Nach seinem Langfilmdebüt „Mulberry Street" aus dem Jahr 2006 hat Regisseur Jim Mickle nun ein weiteres Horror-Spektakel abgeliefert. Hat er mit fleischfressenden Rattenmenschen in seinem ersten Film noch eine eher ungewöhnliche Variante des Zombiefilms präsentiert, greift er jetzt auf die bewährten Nachtgeschöpfe zurück. So ganz löst sich Mickle dabei nicht vom Zombie-Genre, denn seine Blutsauger sind den kannibalischen Untoten nachempfunden: Mit entstellter Fratze, wildgeworden und blutlüstern streifen sie durch die Dunkelheit der Nacht und beißen alles und jeden, der ihnen über den Weg läuft. So verleihen Mickle und Hauptdarsteller Damici, die auch gemeinsam das Drehbuch verfasst haben, ihrem Genre-Film eine gewisse Würze. Die Nachtwesen bilden keine homogene Masse, vielmehr agieren sie nach Lust und Laune. Vampir oder Zombie? So genau lässt sich das hier nicht mehr sagen.

    Die verschiedenen Stationen auf dem Weg nach Norden sind spannend inszeniert. Der Umgang mit der Vampir-Epidemie wird vielfältig thematisiert; vor allem die christliche Miliz, die ihr eigenes Camp aufgebaut hat und einem apokalyptischen Fanatismus frönt, bietet viel Spielraum und grenzt den Film von straighten Weltuntergangs-Späßen wie Zack Snyders „Dawn of the Dead" ab. Die Reise der Hauptfiguren wirkt allerdings zusammengenommen wie eine Kompilation aus Kurzgeschichten, deren Sinn sich zum Teil erst zum Ende hin erschließt. Mickles Erzählstrategie ist gewagt und sorgt für Überraschungen, verlangt so aber auch nach einem geduldigen Publikum.

    Die ständig wechselnden Mitreisenden derweil sind oft arg stereotyp ausformuliert. Immerhin bevölkern sie ein authentisch wirkendes Szenario, das durch die düstere Musik und die ruhige Erzählstimme von Jungdarsteller Connor Paolo, bekannt als reicher Teenie aus der Fernsehserie „Gossip Girl", vertieft wird. In puncto atmosphärische Inszenierung zieht Mickle locker mit Genre-Kollegen wie David und Alex Pastor („Carriers") oder Danny Boyle („28 Days Later") mit. Der Road-Movie-Aspekt erinnert an Ruben Fleischers Parodie „Zombieland". Trotz klischeebeladener Nebenfiguren unterhält der Vampirfilm im Zombie-Gewand mit seiner dichten Atmosphäre, Ryan Samuls dynamischer Kamera und der bedrohlichen Musik- und Soundkulisse. Vor allem aber sind Vampire hier endlich mal wieder so richtig fies!

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top