Über 3 Jahre haben Dennis Gansel, der seinerzeit noch als Regiestudent an der HFF München eingeschrieben war, und sein Produktionsteam akribisch an der Vorbereitung des TV-Films "Das Phantom" gearbeitet. Dabei wurden mehr als 2500 Seiten Aktenmaterial studiert, etliche Bücher gelesen, mit 40 Zeitzeugen und 5 RAF-Experten gesprochen. Vor allem die 1992 veröffentliche Abhandlung "Das RAF-Phantom" von Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker inspirierte Gansels Debüt, die eine brisante Frage stellte: Ist es möglich, dass die sogenannte "Dritte Generation der RAF" von Geheimdiensten unterwandert wurde und die von ihr verübten Terroranschläge staatlich abgesichert waren? Der immense Aufwand machte sich für das Filmteam jedenfalls bezahlt: Im Jahr 2000 gab es für das Ergebnis zur Belohnung gleich mehrere Preise. Mit "Das Phantom" gelang Gansel ein beeindruckendes Erstlingswerk, das sein ambitioniertes politisches Thema überaus souverän mit Thrillermotiven zu einem sehr spannend erzählten homogenen Ganzen verbindet.
Eigentlich ist die Observation, die die beiden Drogenfahnder Leo Kramer (Jürgen Vogel) und sein bester Freund Pit Roth (Hilmi Sözer) durchführen sollen, nichts weiter als eine Routineaufgabe: Zwei Verdächtige haben sich verabredet und sollen nun abgehört werden. Als jedoch lange Zeit nichts passiert und Leo den Dienstwagen verlässt, um Kaffee zu holen, findet er Pit und die Zielpersonen bei seiner Rückkehr ermordet vor, vom Band aus dem Aufnahmegerät fehlt jede Spur. Kommissar Faber (Mathias Herrmann) verdächtigt Leo, an den Morden beteiligt zu sein, und dieser wird für eine Nacht in eine konspirative Wohnung der Polizei gebracht. Dort überfallt Leo ein Unbekannter (Dietrich Hollinderbäumer), und als dann auch noch Leos Vorgesetzter Reuter (Andreas Mannkopf) erschossen wird, befindet Leo sich als Polizistenmörder gesucht auf der Flucht. Er findet heraus, dass die mutmaßlichen Drogendealer, die er observieren sollte, mit der Terrorgruppe RAF in Verbindung standen...
Anders als Rainer Werner Fassbinders komödiantische Politsatire "Die Dritte Generation" ist Gansels "Das Phantom" ein gänzlich humorloser Beitrag zum Thema geworden. Die einzigen Scherze werden zu Beginn zwischen Leo und Pit ausgetauscht, danach gibt es für keinen der handelnden Charaktere irgendetwas zu lachen. Gansel bleibt dieser ernsthaften Stimmung bis zum hervorragend inszenierten Ende konsequent treu, was den Zuschauer in Dauerspannung versetzt und nach der letzten Szene mit einem beklemmenden Gefühl zurück lässt. Seinem selbst auferlegten Ziel, einen politischen Film zu machen, der zum Nachdenken anregt, wird er somit absolut gerecht.
Besonders das Einbinden von historischen Originalaufnahmen gelingt Gansel auf beeindruckende Weise. Immer wieder werden an sich trockene Dialoge der Protagonisten durch solche Bilder konkretisiert, veranschaulicht und damit emotional präsent. Neben dem charismatischen Hauptdarsteller Jürgen Vogel bleibt vor allem Horst Sachtleben als Vater eines mutmaßlichen Terroristen in Erinnerung. Sein Aufeinandertreffen mit Leo Kramer und der anschließende Monolog, in den immer wieder fiktive Rückblenden und historisches Filmmaterial eingebunden sind, stellt einen der absoluten Höhepunkte des Films dar.
Dass die Handlung kleinere Logiklöcher enthält, verzeiht man da gerne, denn der Spannung und dem Unterhaltungswert tut das keinen Abbruch. Gansel erzählt seine Geschichte in grobkörnigen, oft unruhig mit der Handkamera gefilmten Bildern, was dem Geschehen einen authentischen Look gibt und die rastlose Getriebenheit des Helden wirkungsvoll deutlich macht. Dazu trägt auch Rainer Kühns zurückhaltende, aber dennoch eindringliche Musik bei, die das Geschehen hervorragend untermalt.
Fazit: Mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm nimmt sich Dennis Gansel dem Mythos RAF an und liefert einen durchgängig spannend inszenierten Thriller ab, dem man durchaus eine Kinoauswertung gewünscht hätte.