Wer gerne Filme abseits des Mainstreams schaut, wurde in den vergangenen Jahren mit ein paar schönen DVD-Reihen verwöhnt. Legend Films widmet sich mit Erfolg auf exzellent aufbereiteten und mit vielen Extras versehenen Silberscheiben dem kontroversen Film. Das junge Label Autobahn brachte kleine Filmperlen wie Brick, Shortbus, Hard Candy oder Für den unbekannten Hund erst in die Kinos, um sie anschließend in einer hochwertigen DVD-Reihe zu veröffentlichen und nun kann sich auch der Italo-Westernfan freuen. Koch Media hat eine Reihe mit Genrewerken gestartet und legt dabei die gleichen Maßstäbe wie die Konkurrenz an: Die technische Seite der DVD soll möglichst gut sein und viel Begleitmaterial enthalten und dazu die Verpackung schick und einheitlich wirken. Passend zum Start der Reihe erscheint nun auch eine Dokumentation über das Genre. Der vorab schon auf ARTE gezeigte Film „Denn sie kennen kein Erbarmen – Der Italowestern“ erweist sich dabei als hintergründiges Pflichtwerk für den Fan, das auch die richtigen Informationen für den Genreeinsteiger bereithält.
Die beiden Westernfans Hans-Jürgen Panitz und Peter Dollinger zeichnen in ihrer Dokumentation die Geschichte des Genres nach. Sie beginnen bei den Anfängen, als die italienische Filmschmiede mit Millionengeldern aus Hollywood immer größere Historienepen drehte, die irgendwann so hoch budgetiert waren, dass die Kosten nicht mehr eingespielt werden konnten. Als Hollywood nach mehreren Flops sein Geld abzog, stand man in Italien vor einem Problem. Inspiriert durch die Erfolge der Sauerkraut-Western („Winnetou“ und Co.) in Deutschland und angespornt durch ein paar vergebliche Versuche von Kollegen kamen Sergio Leone und Sergio Sollima auf die Idee, Western zu drehen, die aber ganz anders als ihre amerikanischen Pendants sein sollten. Staubiger, böser und blutiger. Das Genre war geboren.
Panitz und Dollinger zeichnen – meist in chronologischer Reihenfolge – den Weg nach, den das Genre nahm. Sie zeigen, wie der Italo-Western immer populärer und breiter gefächert wurde. Wie es plötzlich politische Filme oder später mit dem ehemaligen Turner Terence Hill und dem Schwimm-Olympioniken Bud Spencer als ungleiches Duo den Comedy-Western gab und es immer mehr Leute in das Genre zog. Dieser Prozess war anfangs oft von Skepsis begleitet, so wird berichtet, dass sich Tomas Milian für seine erste Italo-Western-Rolle bis zur Unkenntlichkeit maskierte, weil er Angst hatte, dass er nach einem Engagement in solch einem trivialen Genre keine Angebote mehr für ernstere Arthouse-Filme bekäme.
Die beiden Regisseure haben für ihren Film einen enormen Aufwand betrieben. Neben zahlreichen Filmausschnitten und vielen historischen Interviews kommen Genregrößen wie Franco Nero, Bud Spencer, Damiano Damiani, Pierre Brice oder Gianni Garko ausführlich zu Wort. Von anderen wie Sergio Leone, Clint Eastwood oder Eli Wallach gibt es ältere Interviews aus den Achtzigerjahren. Doch nicht nur die Stars dürfen sprechen, auch Nebenfiguren dieser Filmära spielen eine große Rolle. Die wichtigsten Stuntmen wissen genauso Interessantes zu berichten, wie die Besitzerin der Bar, an der die Filmstars nach den Drehs trinkfreudig verweilten. Daneben finden sich viele Archivaufnahmen von den Dreharbeiten, welche die Dokumentation bereichern.
Der Film ist dank der vielen kundigen Interviewpartner sowie der informierten Autoren voll von Anekdoten. Die interessantesten sind Mythen rund um die Werke von Sergio Leone. So zum Beispiel die Information, dass dieser erst seinen Freund Robert Hossein (der später die großartige Leone-Hommage „Friedhof ohne Kreuze“ drehen sollte) oder den deutschen Schauspieler Maximilian Schell für die Rolle des namenlosen Revolverhelden in Für eine Handvoll Dollar haben wollte, und erst als diese absagten, sich für Clint Eastwood (wegen dessen Ähnlichkeit zu James Dean) entschied. Oder dass ein legendärer Klassiker wie Spiel mir das Lied vom Tod nie entstanden wäre, wenn Leone nicht von den amerikanischen Produzenten dazu gezwungen worden wäre. Sonst hätten sie danach Es war einmal in Amerika nicht finanziert. Selbst der Genrefan dürfte daneben noch einige neue Geschichten über die manchmal recht wilde Entstehungsphase des einen oder anderen Werkes erfahren.
Man wagt dabei auch ein Blick über den Tellerrand hinaus, geht kurz auf die Western-Produktionen der DDR ein, natürlich auf die Inspirationsquellen von Leone, Akira Kurosawas „Yojimbo“ und Charlie Chaplins „Easy Street“ sowie am Ende auf die Regisseure, die sich ihrerseits heute vom Genre beeinflusst zeigen, wie Scorsese, Coppola, Tarantino oder Kitano.
Panitz und Dollinger haben für ihre Dokumentation die Originaldrehorte aufgesucht, was zu Beginn einige eindrucksvolle Aufnahmen liefert. Zudem zeigen sie mit der musikalischen Untermalung, wie sehr sie das Genre lieben. Die Soundtracks, vor allem die von Ennio Morricone, gehören zu den Italo-Western wie die Cowboys. Die Regisseure konnten den Songschreiber und Musiker Yullwin Mak für das Projekt gewinnen. Dieser schrieb und komponierte insgesamt 16 Songs, allesamt Hommagen an Filme, Darsteller und Soundtrackstücke. Diese werden hervorragend zur Untermalung einzelner Szenen genutzt, manche wirken dabei in der Doku fast kraftvoller als in ihrem eigentlichen Film.
Wer sich für das Genre interessiert, sich auf Anekdoten freut und noch einmal einige der größten Szenen komprimiert in einem Film sehen will, kommt an dieser Dokumentation nicht vorbei. Wer das Genre kennen lernen möchte, kann einen Leitfaden bekommen, der ihm viele der wichtigsten und besten Italo-Western vorstellt. Daher eine klare Empfehlung.