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    Leben in mir
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Leben in mir
    Von Deike Stagge

    Vom polnischen Kino hört man hierzulande eher wenig - wie von vielen osteuropäischen Nachbarn. Auf internationalen Festivals hat sich Regisseurin Malgosia Szumowska mit ihrem letzten Film „Szczesliwy Czlowiek“ aber so hervorgetan, dass ihr das Sundance Film Festival Unterstützung in der Drehbuchentwicklung für das nächste Projekt zusagte. Herausgekommen ist das Drama „Leben in mir“.

    Die junge Eva (Malgosia Bela) ist 22, hat einen ätzenden Job in einer Tankstelle und wohnt noch bei ihren Eltern (Marek Malczewski und Teresa Budzisz-Krzyanowska). Eines Tages erfährt sie, dass sie schwanger ist. Da sie selbst noch so jung ist und der Vater keine Rolle mehr in ihrem Leben spielt, entschließt sie sich zur Abtreibung. Auf dem Weg zur Klinik wird ihr von Michal (Marcin Brzozowski) das Geld für den Eingriff gestohlen. Als sie dies in der Klinik bemerkt, hört sie zufällig ein Gespräch mit an, in dem eine Ärztin einer werdenden Mutter erklärt, dass ungeborene Kinder schon hören, was man ihnen sagt. Von dieser Vorstellung ist Eva so angetan, dass sie beschließt, dem Kind eine Chance zu geben. Sie spricht fortwährend mit dem Ungeborenen und versucht so, auch die Welt für sich zu erkennen und an den Punkt des Erwachsenwerdens zu gelangen. Dabei hilft ihr auch ihre Freundin Ivona (Barbara Kurzaj) und der immer intensiver werdende Kontakt zu Michal. Allerdings hat sie ihren Eltern die große Neuigkeit noch nicht erzählt. Ewig kann die Schwangere ihr Geheimnis nicht verbergen. Und das Leben als werdende Mutter ist schließlich auch nicht nur eitel Sonnenschein. Als eine Ärztin erwähnt, etwas sei vielleicht mit dem Ungeborenen nicht in Ordnung, muss Eva um ihr Kind kämpfen.

    Die Geschichte selbst klingt ziemlich rührselig. Die Auseinandersetzung über den Prozess des Kinderbekommens geht in dieser Inszenierung Hand in Hand mit der Findung der eigenen Identität einer jungen Mutter, die ihre eigene Naivität und Kindlichkeit erst einmal überwinden muss, um sich auf ihre zukünftige Rolle vorzubereiten und auch ihre Schwangerschaft vollends zu akzeptieren. Was hier noch nach einem fließenden Erkenntnisgewinn mit einigen Höhepunkten klingt, findet in der Umsetzung von „Leben in mir“ keinen echten und stimmigen Rhythmus. Episodisch und lückenhaft wird die Geschichte von Eva und ihrem Kind erzählt, ohne dass ein klares Muster deutlich wird. Die eigentlich wichtigen Nebenfiguren werden im Verlauf fast lieblos heranzitiert, wenn sie Evas Problemen gerade ins Bild passen - danach verschwinden sie einfach für einen großen Teil des Films, obwohl sie gerade noch die beste Freundin oder der Love Interest waren. Auch Evas Eltern sind keine richtige Konstante im Film, nur das gute Verhältnis zum Vater trägt sich über die gesamten 95 Minuten Spielzeit. Gerade diese Vernachlässigung der sekundären Figuren nimmt dem Film einen Teil seiner Kraft, denn Eva reift eben nicht nur durch die Gespräche mit sich selbst und dem Kind, sondern durch die Konsultation ihres Umfeldes.

    In ihrer Inszenierung des Stoffes und der schwierigen Frage, wie die Kommunikation zwischen Mutter und Kind für das Publikum greifbar gemacht werden kann, verlässt sich die Regisseurin Malgosia Szumowska ganz auf die poetisch angehauchte Trickkiste. Ein aufgestoßenes Fenster und eine Kamerafahrt hindurch über die Dächer versinnbildlicht die entstandene Verbindung zwischen den beiden, von Metaphern und Gleichnissen gesäumte Gespräche helfen der jungen Protagonistin, sich ein eigenes Weltbild zu zeichnen. Genau diese Gespräche aber rutschen hin und wieder durch den naiven Touch der Figur Evas in überzeichnete Klischees ab, die ein Teil des Publikums sicher nicht widerstandslos schlucken wird. Wie Eva ihrem Kind die wichtigen Dinge des Lebens erklärt (und vor allem ihre Auswahl dieser Dinge) funktioniert dramaturgisch fast nie richtig. Quälend reihen sich Versuche, die verschiedenen Grüntöne der Natur zu erfassen, an die Darstellung alter Fotos im vergilbten Familienalbum. Hier trägt Malgosia Szumowska in ihrer Funktion als Drehbuchautorin ein bisschen zu dick auf. Auch wenn das polnische Topmodel Malgosia Bela, die inzwischen Schauspiel in den Vereinigten Staaten studiert, ihrer Figur Eva Angst und Melancholie verleiht und im richtigen Moment wieder unbeschwerte Lebensfreude und Zuneigung aus dem Hut zaubert - die Monologe erreichen nicht ihr Ziel, den Reifeprozess und die Auseinandersetzung darzustellen, ohne ungemein kitschig oder abwegig zu werden.

    Ein weiteres Problem sind die handwerklichen Auffälligkeiten von „Leben in mir“. Selbstverständlich muss sich ein Film nicht immer an konventionelle Erzählstrategien halten und kann sich auch durch neue Formen hervortun. „Leben in mir“ hängt sich aber von Anfang an nur szenisch an Evas Person auf. Sie ist in jeder Sequenz, die Ereignisse drehen sich nur um sie, ihr Blickwinkel wird dem Publikum offenbart. Im letzten Akt bekommt plötzlich Evas Vater für zwei Szenen einen komplett eigenen Auftritt, der den Zuschauer aus seiner Wahrnehmung reißt. Im Abspann wird per Widmung erklärt, dass Malgosia Szumowska während des Drehs ein männliches Vorbild verlor, dem wohl als Reminiszenz ein kurzer Scheinwerferauftritt gestattet wurde. Allerdings löst dieser Einschub das Publikum von seiner Hauptfigur und stiftet ziemliche Verwirrung. Fazit: Ein eigentlich sehr interessantes Thema wird leider viel zu klischeebeladen und ohne echtes Erzählmuster abgehandelt. Auch als gedanklicher Ausflug in eine fast märchenhafte Mutter-Kind-Welt ist „Leben in mir“ nur eingeschränkt empfehlenswert.

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