Ein indischer Film unter 180 Minuten Laufzeit? Der statt tränenreicher Gesangs- und farbenfroher Tanzeinlagen junge indische Damen im sportlichen Wettkampf aufs Feld schickt, um dort Selbstbewusstsein und Teamgeist gleichermaßen zu erfahren? Der Film muss etwas Besonderes sein, auch wenn Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan darin die Hauptrolle spielt. In der Tat sticht der lebensfrohe „Chakde! India“ aus der Produktionsmaschinerie Bollywood angenehm unkonventionell hervor und dürfte gleichzeitig für das westliche Publikum erheblich leichter konsumierbar sein als der Großteil der Drei-Stunden-und-mehr-Romanzen. Dabei verbindet das Feel-Good-Movie amüsante (Wort)Gefechte mit persönlichen Entwicklungen der Figuren.
Natürlich geht es nicht ganz ohne Dramatik, wenigstens einmal im Film muss Schmachtkönig Khan die Tränendrüsen kitzeln. Hier tut er dies bei seiner unehrenhaften Entlassung aus dem Hockey-Nationalteam nach dem Verpatzen des entscheidenden Schlages im Endspiel der Weltmeisterschaft, ausgerechnet gegen Pakistan. Unter der Schmach des Verdachts, absichtlich gegen Geld daneben getroffen zu haben, muss der gefeierte Starspieler Kabir Khan nicht nur die Mannschaft, sondern gleich sein Heim verlassen und zieht sich komplett zurück. Sieben Jahre später stehen wieder die Vorbereitungen für die WM an und Khan wittert seine Chance, sich mit einem Erfolg rehabilitieren zu können. Er will jedoch nicht selbst aufs Spielfeld, und auch nicht mit den Herren. Um sein Herz für seine Heimat Indien zu beweisen, will er aus einem chaotischen Hühnerhaufen die indische Nationalmannschaft der Damen machen und mit ihr den Weltmeistertitel holen. Was als belächeltes Hirngespinst abgetan wird, bekommt seine Chance. Mit konsequenter Disziplin weckt er in den zunächst wahlweise zickigen, plumpen oder begriffsstutzigen jungen Ladys nach anfänglich enormen Widerständen einen Sports- und Teamgeist, der alles möglich macht.
Es sind nicht nur die Funktionäre, die Frauen in Sportkleidung gleichermaßen lächerlich wie unanständig finden, die dem Ziel Steine in den Weg legen. Es sind auch die Persönlichkeiten, die mit höchst unterschiedlichen Erwartungen hierher gekommen sind und ihren Traum gegen die verschiedensten Vorbehalte verteidigen müssen. Da ist der zukünftige Gatte, der den Sport seiner Verlobten bestenfalls als netten Zeitvertreib betrachtet, da sind die Eltern mit übertriebenem Erfolgsdruck oder auch die Schwiegereltern, in deren traditionelles Bild keine Frau mit eigener Karriere passt. Nicht zuletzt müssen die Mädchen aber auch sich selbst überwinden, um als Team gewinnen zu können. Persönliche Animositäten und Selbstüberschätzung gefährden den Erfolg immer wieder – bis zum spannenden Finale.
Diese David-gegen-Goliath-Geschichte ist dem Hollywoodkino nicht unbekannt und bietet in dieser Hinsicht nicht viel Neues. Spannend daran ist vor allem, die Haltung des „against all odds“ stimmig auf die indischen Gesellschaftsstrukturen zu übertragen. Bei einer ganzen Hockeymannschaft bleibt für die einzelnen Charaktere nicht genügend Raum, um wirklich in die Tiefe zu gehen, was durch die Vielseitigkeit der angesprochenen Thematiken jedoch wieder wettgemacht wird. Wirklich subversiv ist das nicht, die ganz heiklen Themen werden ausgespart. Umso deutlicher wird der eigentümliche Balanceakt zwischen Moderne und Tradition, in dem sich Indien seit einiger Zeit befindet. Das betrifft natürlich vor allem die Rolle der Frau, die sich zunehmend aus ihrem häuslichen Sari befreit und eigenständig wird.
Shak Rukh Khan mal nicht als singenden und tanzenden Herzensbrecher zu sehen, ist angenehm und gibt ihm Gelegenheit zu neuen Facetten. Allerdings weiß er sie nicht immer zu nutzen, sein größter Beitrag zu diesem lebensfrohen Film mit einem Schuss Emanzipation ist wohl, ob verdient oder nicht, mit seinem Namen die wohlverdienten Zuschauer in die Kinos zu locken. Die Riege der jungen Darstellerinnen stellt gleichermaßen sportliches wie darstellerisches Talent unter Beweis und spielt damit den indischen Superstar ziemlich an die Wand.
Im Mantel der wahren Geschichte des indischen Hockey-Nationalteams der Damen erzählt der Film mehr als den Mythos des amerikanischen Traums, dass jeder alles schaffen kann. Er erzählt davon, wie sich junge indische Frauen aus ihrem Rollenbild befreien und sich in einer durchaus nicht reibungs- und schmerzlosen Häutung emanzipieren. Und das ist immerhin nicht wenig für ein Filmland, aus dem uns meist nur die prächtig inszenierte Feier der Traditionen erreicht. Den Feel-Good-Faktor schöpft „Cahkde! India“ nicht zuletzt durch einen mitreißenden Titelsong voll aus und ist für einen Frauenabend wärmstens zu empfehlen, wobei auch die Herren durchaus ihren Spaß haben können. Mitsingen können nachher bestimmt alle.