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    Schnappt Shorty
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Schnappt Shorty
    Von Carsten Baumgardt

    1994 war die Kinokarriere von John Travolta so tot wie Disco. Mit „Kuck‘ mal, wer da spricht“ (1989) und der Fortsetzung „Kuck‘ mal, wer da spricht 2“ (1990) landete der ehemalige Superstar (Grease, „Saturday Night Fever“) zwar noch einmal kommerzielle Erfolge, dennoch nahm ihn angesichts dieser seichten Unterhaltung niemand mehr ernst – erst recht nicht, nachdem Travolta den Bogen mit dem Flop „Kuck‘ mal, wer da jetzt spricht“ (1993) endgültig überspannte. Der Rest ist Geschichte: Der damals nur Insidern durch Reservoir Dogs bekannte Quentin Tarantino verhalf dem abgehalfterten Star mit dem Sensationshit Pulp Fiction (1994) zum vielleicht grandiosesten Comeback der Filmhistorie. Travolta nutzte den Rückenwind anschließend zu einer Reihe von Erfolgen („Operation: Broken Arrow“, „Phenomenon“, „Michael“, Im Körper des Feindes). Einer davon ist auch Barry Sonnenfelds extrem lässige Hollywood-Satire „Get Shorty“. In dieser Verfilmung eines Romans von Elmore Leonard glänzt Travolta in der Hauptrolle als filmverrückter Kredithai.

    Chili Palmer (John Travolta) treibt in Miami Schulden für den Mafiaboss Momo (Ron Karabatsos) ein. Der Trockenreinigungsbesitzer Leo Devoe (David Paymer) hat mit seinem fingierten Tod die Versicherung um 300.000 Dollar betrogen, steht aber sowohl bei Momo als auch bei Mobster Ray „Bones“ Barboni (Dennis Farina) tief in der Kreide. Der dauergrimmige „Bones“ macht sich auf den Weg an die Westküste, wo sein Erzfeind Chili bereits Leos Spuren folgt. In Los Angeles will Kredithai Chili auch bei dem Z-Movie-Produzenten Harry Zimm (Gene Hackman) Außenstände eintreiben. Doch es kommt ganz anders. Zimm begeistert den hoffnungslosen Filmfreak Chili für sein neues Drehbuchmeisterwerk „Mr. Lovejoy“, das er mit großer Besetzung verfilmen will. Zimms Stammschauspielerin und Freundin Karen Flores (Rene Russo) soll die Kontakte zu ihrem Ex-Mann, Superstar Martin Weir (Danny DeVito), knüpfen und ihn für den Film gewinnen. Mittendrin: Chili Palmer, der sich auf der Stelle in Karen verliebt und an dem Projekt mitarbeiten will. Doch er bringt seine eigenen Methoden ein und behält weiterhin den flüchtigen Leo Devoe im Auge, der zusätzlich noch von Barbonis Schergen gehetzt wird. Um das Chaos zu komplettieren, interessiert sich neben Barboni auch noch der zwielichtige Bo Catlett (Delroy Lindo), bei dem Zimm ebenfalls im Minus steht, für den Film, der mit Drogengeldern finanziert werden soll…

    Eines ist völlig klar: Ohne „Pulp Fiction“ hätte Travolta die Rolle in „Get Shorty“ niemals bekommen. Und somit auch keinen Golden Globe, den er für seinen Auftritt als Chili Palmer zu Recht kassierte. Aber nicht nur das: Quentin Tarantino selbst, der zunächst als Regisseur für den Film im Gespräch war (und zwei Jahre später die Leonard-Verfilmung Jackie Brown realisierte), machte sich für seinen neuen Kumpel stark, nachdem Robert DeNiro, Dustin Hoffman, Michael Keaton und Al Pacino die Rolle abgelehnt hatten. Sogar Danny DeVito war für die Hauptrolle vorgesehen, gab sich dann aber mit der Figur des Martin Weir, die Romanautor Elmore Leonard (Out Of Sight) nach eigener Aussage an Dustin Hoffman angelehnt hat, zufrieden. Selbst wenn Regisseur Barry Sonnenfeld mit Men In Black zu Weltruhm gelangte, hat er mit „Get Shorty“ doch seinen besten Film geschaffen. Im Gegensatz zu Robert Altmans artverwandtem The Player setzt Sonnenfeld bei seiner Frontalattacke auf Hollywood nicht auf beißenden Zynismus. Seine Waffe ist der Humor. Dieser wird so effektiv eingesetzt, dass die vielen kleinen Boshaftigkeiten gegen das Studiosystem immer mit einem schelmischen Grinsen serviert werden und sich oft erst im Detail offenbaren, weshalb auch ein mehrmaliges Schauen lohnenswert ist.

    Die Story schlägt im Verlauf wilde Haken und setzt diverse Parteien zueinander in Beziehung. Fixpunkte sind dabei Zimms Drehbuch zu „Mr. Lovejoy“ und das Drogengeld, das in einem Schließfach am Flughafen schlummert, aber so heiß ist, dass sich niemand die Finger daran verbrennen will und stattdessen lieber den Kontrahenten damit aufs Kreuz legt. Um diese beiden Pole strikt Autor Scott Frank (Schatten der Vergangenheit, Minority Report, Out Of Sight) bei seiner Leonard-Adaption ein äußerst cleveres, gewitztes Skript, das neben den Fallstricken der Handlung eben auch eine ironische Demaskierung Hollywoods betreibt, grundsätzliche Fehler im System kritisiert und die Macken der Stars zwar gnadenlos, aber nichtsdestotrotz stilvoll persifliert.

    Trotz der hervorragenden Besetzung, die bis in die Nebenrollen perfekt ausgewählt ist, garantiert John Travolta das Funktionieren des Films, weil bei ihm alle Fäden zusammenlaufen und das Comeback-Kid mit seiner coolen Präsenz einfach ein Ereignis ist. Obwohl er als Kredithai ein schmutziges Geschäft betreibt, was ihn allerdings schon lange anödet, ist sein Charakter aufgrund seiner fast schon naiven Zuneigung zum Film einfach liebenswert. Wenn Travolta im Kino die letzten Zeilen von Orsons Welles in Im Zeichen des Bösen synchron nachspricht, wird klar, wie tief seine Begeisterung geht. Diese Passion als Filmliebhaber symbolisiert zugleich auch eine Versöhnung mit dem angegriffenen Studiosystem.

    Neben Travolta überragt vor allem Gene Hackman (French Connection, Mississippi Burning) als schmieriger Schund-Produzent mit Überbiss. Er ist zwar kein Gauner, verhält sich aber so und versucht, in dem verworrenen Beziehungsgeflecht immer die besten Karten für sich auszuhandeln und zur Not Partner und Gegner gegeneinander auszuspielen. Somit unterscheidet er sich kaum noch von den professionellen Kriminellen. Rene Russo (Lethal Weapon 3, Lethal Weapon 4, In The Line Of Fire) überzeugt als B-Movie-Queen, die das Trio Zimm, Palmer und Weir zusammenführt, während Dennis Farina (The Grand, Out Of Sight, Der Soldat James Ryan) als fluchfreudiger Mafiaboss eine grandiose Vorstellung abliefert. Seine Dauerfehde mit Chili Palmer zieht sich als eine Art Running Gag durch die Handlung und mündet in einem kuriosen Film-im-Film-Cameo von Harvey Keitel (Hexenkessel, Cop Land). Und die Selbstironie, mit der Danny DeVito (Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten, Der Mondmann, Batmans Rückkehr) seinen abgehobenen, spleenigen Filmstar gibt, ist sowieso eine wahre Freude.

    Fazit: Barry Sonnenfelds „Get Shorty“ ist eine treffsichere, extrem coole Hollywood-Satire, die mit einem Großaufgebot an Stars begeistert und neben entlarvender Systemkritik einfach jede Menge Spaß verbreitet. Schade, dass es nicht dabei blieb und F. Gary Gray 2005 mit Be Cool noch eine ordentliche, aber im Grunde überflüssige Fortsetzung nachschob, die dem Kultfilm „Get Shorty“ nie das Wasser reichen kann…

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