„Komödie ist die ultimative Form von Gewalt", sagte einst Takeshi Kitano („Kikujiros Sommer") – und wenn sich einer mit beidem auskennt, dann ganz sicher der japanische Fernsehkomödiant und Gewalt-Poet. Schon in den 1920ern hat das amerikanische Comedy-Trio The Three Stooges (deutsch etwa „Die drei Prügelknaben") dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. Mit anarchischem Gaga-Humor, im Minutentakt verteilten Schellen, Schlägen auf den Hinterkopf und fiesen Nippelzwirblern frönten die Kult-Komiker einer kindisch-blöden Brutalo-Komik und zeigten dabei bestechendes Timing. Obgleich die belastbaren Nerds jenseits des Atlantiks nie so populär wie in ihrer US-Heimat waren, haben sie auch in unseren Breitengeraden zumindest einen gewissen Kuriositätenwert. Nun bedienen sich die mit Brachial-Comedy bestens vertrauten Brüder Peter und Bobby Farrelly ausgiebig bei den alten Gags der Stooges und sorgen für eine Neuverfilmung der etwas anderen Art. Kalt lassen wird diese komödiantische Tour de Force ganz sicher niemanden: Was in „Die Stooges - Drei Vollpfosten drehen auf" an bescheuertem Radau über das Publikum hinwegfegt, spottet jeder Beschreibung. Genie und Wahnsinn liegen oft eng nebeneinander – hier haben sie sich ein Doppelstockbett geteilt.
Seit sie als Säuglinge von ihren Redneck-Eltern aus einem fahrenden Auto vor die Türschwelle eines von Nonnen geführten Waisenhauses geworfen wurden, haben sich die gewaltbereiten Trottelbrüder Moe (Chris Diamantopoulos), Curly (Will Sasso) und Larry (Sean Hayes) zur echten Gefahr für Leib und Leben aller Heimbewohner entwickelt. Als dem Waisenhaus jedoch der finanzielle Ruin droht, ziehen die drei Sorgenkinder hinaus in die Welt, um irgendwie die fehlende Kohle aufzutreiben. Wo immer das irre Geschwister-Trio auftaucht, bricht pures Chaos aus und bald werden die drei Brüder mit gedungenen Mördern verwechselt, die im Auftrag der schönen Lydia (Sofía Vergara) deren reichen Gatten umbringen sollen. Das haben die drei Stooges zwar nicht wirklich vor – doch das Geld scheint zum Greifen nah. Als dann freilich auch dieser Plan in die Hose geht, bleibt ihnen immer noch die Chance, Karriere im Reality-TV zu machen...
Für die Farrelly-Brüder („Verrückt nach Mary") sind „Die Stooges" ein langjähriges Herzensprojekt, an dem sie auch nach vielen Produktionsrückschlägen konsequent festgehalten haben. Zwischenzeitlich waren mit den bekennenden Stooges-Fans Benicio Del Toro, Sean Penn und Jim Carrey einige der hochkarätigsten Hollywood-Darsteller in Aussicht für die Titelrollen – bis sich das Besetzungskarussell weiterdrehte und drei unbekanntere Darsteller aufsprangen. Haben die drei Stars etwa Lunte gerochen? Als gut im geläufigen Sinne kann man „Die Stooges" jedenfalls kaum bezeichnen. Dass Handlungslogik in Komödien oft die zweite Geige spielt – geschenkt. Hier jedoch ist die sogenannte Geschichte kaum noch als solche zu erkennen. Der Film ist geschmacklos und unausgegoren, in jeder Hinsicht blanker Unsinn. Spaß macht er trotzdem, eine hohe Toleranz für diesen etwas anderen Humor vorausgesetzt.
Von der ersten Minute an irritiert der Film mit einer Mixtur aus nostalgisch angehauchter Idiotie und offensivster Bad-Taste-Unterhaltung mit kindlicher Unschuldsmiene. Und es hat durchaus seinen Reiz, den schikanösen Humor vergangener Zeiten in die politisch korrekte Gegenwart transportiert zu sehen. Hier scheint eine gut platzierte Ohrfeige ein ganz normaler Bestandteil einer Konversation zu sein, hier wird noch herzhaft über Hautfarben und „Curb your Enthusiasm"-Star Larry David in Nonnentracht gelacht. Kinder sind dabei keineswegs süß und unschuldig, sondern wirken eher wie hässliche Miniatur-Stooges. Und da ohnehin nie ein Tropfen Blut fließt, dürfen auch mal die Vorschlaghämmer fliegen. Wer schon immer mal sehen wollte, wie ein Priester mit Wrestling-Moves malträtiert wird, bevor ihm die grauen Achselhaare ausgerissen werden, sitzt im richtigen Film – alle anderen eher nicht.
Auch vor Tieren machen die Farrellys nicht Halt: Da wird ein Delfin gewürgt, bis aus seinem Luftloch ein Kronkorken durch den halben Zoo geblasen wird, der schließlich einem Löwen auf die Klöten knallt. Klingt bescheuert, ist bescheuert. Doch trotz aller Gewalt und Derbheit driften Peter und Bobby Farrelly nie in Zynismus oder Menschenverachtung ab, wie nur wenige andere Filmemacher verlieren sie die humane Seite selbst des unerhörtesten Tabubruchs nicht aus den Augen. So geht von den minderbemittelten Stooges auch keine Aura der Herablassung oder gar der Niedertracht aus, sondern lediglich eine der schmerzhaften Doofheit. Ganz ähnlich wie die Helden von „Kingpin" oder „Dumm und dümmer" sind sie ungeachtet aller Beschränktheit durchaus auch Sympathieträger.
„Die Stooges" ist kein Film der Pointen, sondern des wüsten Dauerbeschusses. Von zehn Gags zünden zwei. Und das nicht unbedingt, weil die so gut wären, sondern schlichtweg deswegen, weil mit hilflosem Gelächter Dampf abgelassen werden kann und muss. Entgegen aller Comedy-Regeln, die eben auch Ruhepausen zwischen den Schabernack-Spitzen vorsehen, hat diese außerordentlich konsequente Ruhelosigkeit fast etwas Avantgardistisches. Wenn eine Nonne auf die Nase fliegt, mag man lachen. Beim fünften Mal ist es nicht mehr komisch. Beim gefühlt zwanzigsten Mal wird es wieder komisch – auf eine ungeheuer erschöpfende Weise. Nicht wenige im Publikum dürften sich zum Schluss ähnlich malträtiert fühlen wie die drei Stooges. Eines ist der Film aber ganz sicher nicht: eine Komödie von der Stange. Trotz und aber auch gerade wegen der Bereitschaft zur grenzenlosen Blödheit hat der Film etwas Spektakuläres und Grenzgängerisches, das im amerikanischen Mainstream-Kino nicht oft zu finden ist.
Fazit: „Die Stooges" mag gleich ganze Geschmacksnervenbündel auf einmal lahmlegen, hat aber zweifelsfrei das Zeug zum Kultfilm – ganz einfach deshalb, weil er so atemberaubend respekt-, hemmungs- und gnadenlos ist.