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    Looper
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Looper
    Von Carsten Baumgardt

    Fragt man sich rückblickend, auf welchen potentiellen Blockbuster sich die weltweite Kinofangemeinde im Vorfeld am meisten gefreut hat, fallen für 2012 Namen wie „The Dark Knight Rises", „Marvels The Avengers", „Prometheus", vielleicht auch „The Amazing Spider-Man" und natürlich „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise", der erst im Dezember anläuft. Rian Johnsons „Looper" hatten wohl die wenigsten ganz oben auf der Liste, zumal der Science-Fiction-Thriller anders als die genannten prominenten Konkurrenten nicht einmal ansatzweise zur Liga der superteuren Produktionen mit Budgets jenseits der 150 Millionen Dollar gehört. Aber bei seiner Weltpremiere beim Filmfestival in Toronto kam der ambitioniert-eigensinnige Film so gut an, dass sich schnell die Kunde von etwas ganz Besonderem verbreitete. Die frühen Lobeshymnen haben die Erwartungen natürlich gewaltig ansteigen lassen - und sie erweisen sich als absolut berechtigt. Die rau-ambivalente Neo-Noir-Zukunftsvision von „Brick"-Regisseur Johnson begeistert vor allem mit ihrer emotionalen Tiefe und erreicht im Finale eine schier atemberaubende Wucht.

    Kansas im Jahre 2044: Während sich die wenigen Reichen mit ihrem Geld im Luxus eingerichtet haben, muss der große Rest der Bevölkerung täglich ums Überleben kämpfen. Gold und Silber sind die harte Währung, so wird auch Joe (Joseph Gordon-Levitt) bezahlt. Der smart-wortkarge Profikiller arbeitet für ein Mafia-Syndikat und legt Leute um, ohne Fragen zu stellen. Er bekommt seine Aufträge aus einer 30 Jahre entfernt liegenden Zukunft, in der Zeitreisen möglich, aber streng verboten sind. Für die Verbrechersyndikate bieten sie allerdings ein willkommenes Schlupfloch: Sie schicken ihre potenziellen Mordopfer lebend verschnürt durch die Zeit zurück ins Jahr 2044, wo sogenannte Looper wie Joe sie umgehend beseitigen. Und da auch 2074 Zeugen bei der Mafia immer noch nicht in Mode sind, muss jeder Looper irgendwann - vertraglich fixiert - sein eigenes Ich aus der Zukunft umbringen: So bleiben ihm 30 sorgenfreie Jahre mit einer Menge Geld, aber nichts darüber hinaus. Koordiniert wird das Heer der Looper von dem Gangster Abe (Jeff Daniels), der ebenfalls aus der Zukunft geschickt wurde. Doch das ganze System gerät ins Schlingern, als Joes bester Freund Seth (Paul Dano) sein älteres Ich (Frank Brennan) entkommen lässt statt es umzubringen. Auch Joe ergeht es wenig später ähnlich - aber nur, weil sein zweites Ich (Bruce Willis) noch geschickter ist als er selbst und ihn übertölpelt. Eine mörderische Hetzjagd auf die beiden Joes beginnt, doch sie sind nicht das einzige Ziel...

    Die Qualität des Films lässt sich ganz gut mit einer kleinen Anekdote beschreiben: Emily Blunt („Der Plan", „Fast verheiratet"), die hier als alleinerziehende Maisfarmerin Sara eine im späteren Handlungsverlauf ganz entscheidende Figur verkörpert, gab im Interview zu, dass sie bereits nach dem Lesen der ersten Hälfte des Drehbuchs von Rian Johnson ihre Blanko-Zusage gegeben hat - egal für welche Rolle! Und dabei ist die zweite Filmhälfte noch einmal viel stärker als die erste. Am Anfang mag man sich noch ein wenig daran stören, dass Johnson eben kein spektakuläres futuristisches Set-Design zu bieten hat, sondern lediglich eine dezent aufgepeppte Gegenwartsvision im dreckigen B-Movie-Gewand. Der mit 30 Millionen Dollar vergleichsweise kostengünstig produzierte „Looper" ist somit weit entfernt von einer perfekt durchgestylten CGI-Orgie wie Len Wisemans „Total Recall" und auch von der aufregenden Zukunfts-Optik eines „Blade Runner". Aber je länger der Film dauert, desto unwichtiger werden solche hier ohnehin nicht entscheidenden Äußerlichkeiten.

    In der ersten halben Stunde erklärt Rian Johnson ausführlich die komplizierten Regeln seines „Looper"-Universums und erweist sich dabei als ähnlich umsichtig wie sein Kollege Christopher Nolan bei der Hochglanz-Zukunftsvariante „Inception". Nachdem er die Pflicht akkurat erledigt hat, legt Johnson richtig los und hämmert Wendung auf Wendung. So entwickelt „Looper" mit zunehmender Spielzeit einen immer stärker werdenden Sog, der in einem an die Nieren gehenden Gänsehaut-Finale mündet. Johnson legt bei seinem dritten Spielfilm das gleiche Selbstbewusstsein an den Tag wie zuvor bei seiner superben Erstlings-Extravaganz „Brick" und bei seiner verspielten Thriller-Romanze „Brothers Bloom". Zwar übernimmt er hier und da Ideen aus Filmen wie „Blade Runner", „12 Monkeys", „Zurück in die Zukunft", „Flucht ins 23. Jahrhundert" oder „Terminator", aber dennoch ist seine Vision originär und eigenständig. Ähnliches gilt für die Figurenzeichnung: Mag man zunächst denken, die üblichen Stereotype vor sich zu haben, offenbart sich später eine bemerkenswerte Charaktertiefe, die „Looper" besonders reizvoll macht.

    Im Verlauf des Films wird aus „Looper" zunehmend ein Neo-Noir-Thriller, in dem es um nichts weniger als um das Schicksal der Welt geht. In ungewöhnlichem Maisfeld-Setting lotet Rian Johnson zentimetergenau und auf hochspannende Weise moralisch-philosophische Fragestellungen aus, nicht nur für die doppelte Hauptfigur des jüngeren und des älteren Joe geht es nun im mehrfachen Sinn ans Eingemachte. Dabei macht es sich Johnson keinesfalls leicht, selbst so problematische Konsequenzen wie die Ermordung von Kindern werden hier zum Thema. Moralische Weißwestenträger gibt es in diesem Film nicht, die Allianzen, die zwischen den Figuren geschmiedet werden, sind dementsprechend stets bruchgefährdet und selten von Dauer. Alle Handlungsverwicklungen laufen schließlich auf einen großen Showdown hinaus, in dem gewissermaßen das Fundament des Films selbst freigelegt wird und die ganz großen Fragen von Opferbereitschaft und Verantwortung, Leben und Tod, Raum und Zeit geklärt werden.

    Es ließe sich durchaus behaupten, dass bei „Looper" der Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson der Star ist. Aber auch seine Schauspieler enttäuschen keineswegs. Joseph Gordon-Levitt („The Dark Knight Rises", „Premium Rush") spielt den gejagten Joe als selbstbezogenen, aber nicht unsympathischen jungen Mann, der angesichts drängender, moralisch unangenehmer Fragen immer weitere Facetten seines Charakters offenbart. Haudegen Bruce Willis („Pulp Fiction", „Stirb langsam") liefert sich als alter Joe kurz ein knalliges Oneliner-Duell mit seinem jüngeren Gegenpart, aber irgendwann wird der anfängliche Sympathieträger schlicht vom Wendungssog hinweggerissen. Dazu kommen der amüsant-krawallige Auftritt von Jeff Daniels („Speed") als Gangster und Emily Blunt überzeugt als kämpferische Mutter, die ihren Sohn Cid (Pierce Gagnon) gegen Gefahren aus der Zukunft beschützt.

    Gagnon („The Crazies") wiederum gräbt seinen erwachsenen Kollegen gehörig das Wasser ab. Als Cid, der im Laufe des Films geradezu existenzielle Bedeutung bekommt (er könnte sich als der zukünftige Schreckensherrscher mit dem Rufnamen „Der Regenmacher" erweisen, der eine ganze Welt brutal unterjocht), zeigt er einen Auftritt der Extraklasse, der hinter jenen eines Haley Joel Osment („The Sixth Sense", „A.I.") nicht zurücksteht: charismatisch, vielschichtig und immer für einen weiteren Abgrund gut – einfach großartig. Der junge Darsteller wird so zum wichtigsten Erfüllungsgehilfen für die großartige Vision seines Regisseurs, der sich mit „Looper" als einer der seltenen Autorenfilmer mit einem Händchen für das große Hollywood-Kino etabliert.

    Fazit: Regisseur Rian Johnson gelingt mit seinem meisterhaften Zeitreise-Thriller „Looper" ein ebenso spannendes wie intelligentes Lehrstück über komplexe moralische Fragen und macht seinen Science-Fiction-Film im Neo-Noir-Gewand im Kern zu einem universellen und zeitlosen Charakterdrama.

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