Die Verlockung ist offenbar zu groß. Irgendwann drängt es die meisten bekannten TV-Komiker vom kleinen Bildschirm auf die große Leinwand. Doch nicht immer lässt sich die Karriere im fremden Medium nahtlos fortsetzen. Das spektakulärste Beispiel dafür ist sicherlich Hape Kerkeling, der seit Jahrzehnten zu den beliebtesten und erfolgreichsten Spaßmachern im Lande zählt, aber mit seinen zwei Kinoausflügen („Kein Pardon“, „Samba in Mettmann“) an der Kasse derbe Bauchlandungen hinlegte. Den krassen Gegenentwurf lieferte Michael „Bully“ Herbig. Obwohl seine „Bullyparade“ im Fernsehen keineswegs ein Quotenrenner war, sind seine Filme (Der Schuh des Manitu, (T)Raumschiff Surprise, Lissi und der Wilde Kaiser) Megahits geworden. Jetzt versucht auch Atze Schröder („Alles Atze“) im Kino sein Glück. In Sven Unterwaldts Komödie „U-900“ macht der Ruhrpott-Vorzeigeprolet mit akkurater Dauerwelle und Doppelverglasung eine sympathische Figur, selbst wenn die Mischung aus Hommage und Parodie auf Wolfgang Petersens Welterfolg Das Boot nur Mittelmaß erreicht.
1944, Essen-Kray: Hallodri Atze Schröder (Atze Schröder) weiß sich in den Wirren des Zweiten Weltkriegs zurechtzufinden. Als gewiefter Schwarzhändler beliefert er sogar Nazi-Größen wie General Strasser (Jürgen Schornagel) mit feinstem Schinken. Nebenbei beglückt er auch noch dessen Frau Eva (Doreen Jacobi) mit seiner Manneskraft. Als das Verhältnis auffliegt, muss Atze flüchten. Durch einen Zufall hat er aufgeschnappt, dass der legendäre Kapitänleutnant Rönberg (Jan Fedder) in geheimer U-Boot-Mission die „U-900“ vom französischen Toulon durch den Ärmelkanal nach Warnemünde bringen soll. Seine Fracht: der Heilige Gral, der Deutschland doch noch den Endsieg verschaffen soll. Atze schnappt sich seinen besten Freund, den Juden Samuel (Oliver Wnuk), und macht sich auf nach Frankreich, wo drei Männer an Bord der „U-900“ erwartet werden. Sie überreden die Schauspielerin Maria (Yvonne Catterfeld), verkleidet den vakanten dritten Part zu übernehmen - schließlich ist das wahre Aussehen der Nazi-Generäle der Besatzung unbekannt. Schnell ist klar, dass „Kaleu“ Atze von der Seefahrt nicht die Bohne versteht. Oberleutnant von Stetten (Götz Otto) wird schon bald skeptisch. Dem Trio und dem U-Boot an die Fersen geheftet haben sich auch der gehörnte General Strasser und dessen rechte Hand Block (Christian Kahrmann)…
Schon länger war Atze Schröder auf der Suche nach dem geeigneten Stoff für seinen ersten Kinoausflug als Hauptdarsteller. Sven Unterwaldt (Siegfried, 7 Zwerge - Männer allein im Wald, 7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug), der bereits bei einem guten Dutzend TV-Folgen von „Alles Atze“ Regie geführt hat, sollte das Kommando übernehmen. Mit der Idee, den deutschen Filmklassiker Das Boot auf die Schippe zu nehmen, kam dann allerdings Drehbuchautor Michael Gantenberg um die Ecke. Eine überaus spannende Themenwahl, die zwei große Risikofaktoren mit sich bringt. Punkt 1: Der tonnenschwer im Gegenwarts-Ruhrpott vererdete Atze Schröder im Nazi-Deutschland des Zweiten Weltkriegs? Wie soll das funktionieren? Vorweg: Es funktioniert erstaunlich gut. Punkt 2: Wer will sich darüber amüsieren, wenn einer der besten deutschen Filme aller Zeiten lächerlich gemacht wird? Dieses Problem umschifft Unterwaldt. „U-900“ zieht dem „Boot“ nicht die Hosen runter, ist mehr Hommage als Persiflage – was als faustdicke Überraschung gewertet werden kann.
Das wirkt sich auch nachhaltig auf die Struktur des Films aus. „U-900“ ist keine sich von Gag zu Gag hangelnde Sketchparade, wie es im wieder modern gewordenen Spoof-Genre (Meine Frau, die Spartaner und ich, Superhero Movie, Date Movie, The Comebacks) üblich ist. Die Komödie ist vielmehr „plot-driven“, also von der Handlung und nicht von den einzelnen Witzen bestimmt. Diese ergeben sich aus der Story heraus und nicht umgekehrt. Die Geschichte orientiert sich sehr grob an „Das Boot“, greift sich einzelne Szenen sogar eins zu eins heraus, spinnt aber ansonsten drum herum eigenes Seemannsgarn. Dabei ist nicht nur der Strang um den Heiligen Gral aus Indiana Jones und der letzte Kreuzzug entliehen, sondern auch die allgemeine Einstellung, Nazis nonchalant und ohne große politische Abgründe aufzutun, als Bösewicht-Schergen zu benutzen. Dieser Mut hat schon etwas Erfrischendes, schließlich war zuletzt Dani Levy mit Mein Führer (trotz eines tollen Helge Schneider) gescheitert, weil er zu verkopft und politisch überkorrekt an das Thema heranging und beileibe niemanden auch nur ein bisschen aufs Füßchen steigen wollte.
Als weiterer Aktivposten des Films erweist sich Atze Schröder selbst. Trotz seiner Verpflanzung in das Jahr 1944 kann er seinen gewohnt hemdsärmeligen Humor („Na, Männer. Alles fit im Schritt?“) ohne große Reibungsverluste transportieren. Sein exorbitantes Selbstvertrauen manövriert ihn aus jeder Lage – selbst wenn er chronisch mit der Situation überfordert ist. Das sorgt für einige Lacher. Doch bei all den netten Ansätzen lässt „U-900“ einiges an Schärfe vermissen. Es wirkt so, als ob der Respekt vor der filmischen Vorlage im Endeffekt zu groß war. So beherzt auch mit den Nazis umgesprungen wird: Wolfgang Petersens legendärer Film wird nur handzahm attackiert. Von der Besetzung des Ur-Films ist übrigens jemand wieder mit dabei: das Hamburger Urgestein Jan Fedder, der in einer kleinen Rolle sehr amüsant den Kaleu Rönberg gibt. Desweiteren sind noch die Sprösslinge von Martin Semmelrogge (mit dem gleichen Stimmorgan wie sein Vater ausgestattet: Dustin Semmelrogge) und Ralf Richter (Maxwell Richter) an Bord – eine hübsche Idee am Rande.
Erfreulicherweise gibt sich Komiker Atze Schröder nicht als Rampensau, der alle Nebendarsteller zur Seite tritt. Er bestimmt natürlich den Film, lässt einigen anderen aber auch Raum zur Entfaltung. Götz Otto (James Bond 007 - Der Morgen stirbt nie, Der Untergang, Der Clown) als linientreuer Vorzeige-Nazi, Jürgen Schornagel (Antikörper, Bergkristall) als verschlagener General Strasser und Christian Kahrmann (Das erste Semester, Goldene Zeiten, „Bang Boom Bang“) als dusseliger Handlanger nutzen ihre Möglichkeiten, während Oliver Wnuk („Stromberg“) als Atze Schröders Co-Star ebenso zum Stichwortgeber verurteilt wird wie Yvonne Catterfeld („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Sophie – Braut wider Willen“), die sich nicht von ihrer Soap-Vergangenheit frei spielen kann.
Was „U-900“ außerdem bremst, ist der mäßige Versuch, imposante Kinobilder zu produzieren, was nämlich – trotz Cinemascope - nur selten gelingt. Ein Hauch von deutschem Fernsehmuff weht über der gesamten Produktion. Besonders bei den Trickaufnahmen, die billig wirken, lässt sich dieser Malus nicht verleugnen.
Fazit: Insgesamt schlägt sich „U-900“ achtbar aus der Affäre - weit besser jedenfalls als angesichts der Kinovorgeschichte von Regisseur Unterwaldt zu befürchten war. Doch die Komödie ist auch kein brüllend komisches Gagfeuerwerk, sondern vielmehr ein netter Film, der einen in regelmäßigen Abständen schmunzeln lässt. Rein produktionstechnisch gehört das nicht ins Kino, aber wenn es genügend Fans sehen wollen, hat „U-900“ in dieser Hinsicht durchaus seine Berechtigung.