“It´s a new World
With new Enemys
And new Threads
But You can still depend…
…on one Man”
(Trailer GoldenEye)
Sechs lange Jahre musste es dauern, bis nach “Lizenz zum Töten” das Bond-Franchise fortgeführt werden konnte. Die Welt hatte sich verändert. Insbesondere die Öffnung des Ostblocks hatte mittlerweile stattgefunden. Der neue Film ist ein Relaunch der Serie mit komplett neuer Besetzung, aber den alten Tugenden:
Mitten im sibirischen Nirgendwo betreibt das post-kommunistische Russland eine geheime Sattelitenstation. Von dort aus werden unter anderem zwei Satteliten im Orbit gesteuert, die dazu ausersehen waren, mittels einer Atombombenexplosion am Boden eine elektromagnetische Paralyse herbeizuführen. Und der Schlüssel für diese beiden Killersatteliten, ein übergroßer Diamant, wird vom abtrünnigen General Ourumov (Gottfried John) und dessen Helfershelferin Xenia Onatopp (Famke Janssen) geraubt. Der Diebstahl wird vom MI6 mittels eigener Satteliten beobachtet. M (Judy Dench), die Vorgesetzte von 007 (Pierce Brosnan), schickt ihren besten Mann, um die Sache aufzuklären. Und der findet sich bald im Visier von Janus wieder, einer weltweiten Verbrecherorganisation. Und deren Oberhaupt (Sean Bean) ist für James Bond kein Unbekannter…
Mit einem beispiellosen Medienhype wurde Martin Campbells Neuinterpretation der Serie gestartet. Timothy Dalton, der in den beiden beachtlichen Vorgängern den beliebtesten Spion der Welt gespielt hatte, quittiert in der Zwischenzeit, entnervt vom Warten auf seinen nächsten Einsatz, den Dienst. So fiel die Wahl des neuen Bond-Darstellers bald auf Pierce Brosnan, der schon vor Dalton ausersehen worden, aber aufgrund anderer Verpflichtungen nicht abkömmlich war.
Die Serie wurde runderneuert. Die gesamte Stammbesetzung wurde ausgewechselt. Nur der obligatorische Q (Desmond Llewelyn) verblieb. Aus Bonds Vorgesetzem wurde eine Dame. Die toughe Judy Dench gibt eine exzellente weibliche M ab, und Miss Moneypenny (Samatha Bond) hat Besseres zu tun, als Ihrer Majestät besten Mann anzuhimmeln. Auch die Figur des Felix Leiter - der wohl aufgrund der Hai-Attacke in „Lizenz“ dienstunfähig geworden war - wurde durch den hemdsärmeligen Jack Wade ersetzt, der von Joe Don Baker verkörpert wird, welcher noch vor zwei Filmen den Schurken geben durfte. Der Aston Martin wurde in Rente geschickt (Bond darf allerdings privat das 60er-Jahre Modell fahren, eine Konzession an die Spielwarenhersteller, die das alte Modell noch immer im Programm haben). An seine Stelle trat ein BMW Z3, der zwar angeblich hochgerüstet war und groß und breit beschrieben wird, aber praktisch nicht zum Einsatz kommt. Ähnliches gilt für Bonds neue Uhr, die Omega Seamaster Professional, die bei allen Gelegenheiten möglichst dekorativ in Szene gesetzt werden wird. „Ah, das neue Modell“ wird man den Bösewicht sagen hören. Das ist Product Placement in Reinkultur. Und dass die Briten nicht amused waren, dass Bond auf einmal ein deutsches Auto fährt, muss nicht weiter betont werden.
Brosnans Bond ist stromlinienförmiger als der von Dalton verkörperte. Dieser zeigte sich nicht nur hart und Ergebnis orientiert, sondern wies auch andere Seiten auf, wie Rachedurst und latent insubordinative Tendenzen. Diese Facetten zeigt Brosnans Bond nicht. Im Gegenteil. Gefühle sind für ihn gefährlich, sie machen verletzlich. Er gibt sich als Profi durch und durch. Allerdings ist Brosnan etwas zu gut gefönt, um den harten Hund glaubhaft rüberzubringen. Dies wird im erst im dritten Film in akzeptabler Weise gelingen. Trotzdem ist sein Bond interessant, dynamisch und durchaus aufregend.
Aufregend ist ein exzellentes Stichwort, denn Goldeneye kann mit dem besten Tough Chick der Serie aufwarten, dem Ex-Model Famke Janssen (mit Schuhgröße 10 ½). Die von ihr gespielte Xenia Onatopp ist durchtrieben und pervers durch und durch. Ihre vorzugs-weise männlichen Opfer werden beim Koitus mit den Beinen stranguliert - sehr zum sexuellen Vergnügen der Mörderin. Tod und Sex sind für sie eins. Sie ist eine perfekte Gegnerin für den Womanizer, der sich ihrer ohne seinen Sex-Appeal erwehren muss. Sieg durch Sex wie in „Goldfinger“ ist hier ausgeschlossen, schon der Versuch wäre lebensbedrohlich. Janssens Overacting passt hervorragend zur Serie und dem Film und es ist nicht verwunderlich, dass sich für sie - anders als für viele vor ihr - an „GoldenEye“ eine veritable Filmkarriere anschloss. Neben ihr bekommt die eigentliche leading lady Izabella Scorupco keinen Stich. Sie bleibt merkwürdig farblos.
Der zweite Schurke, General Ourumov (Gottfried John), ist ebenfalls eine Neuerung in der Serie, denn seine Figur ist erkennbar als Versager angelegt. Selten hat er die Fäden in der Hand. Am ehesten noch, wenn er auf seinen Rang und Namen zählen kann. Wenn Bond die Szenerie betritt, verliert der General immer mehr Fassung und die Fäden gleiten ihm aus den Händen. Seine Figur kontrastiert mit Beans Schurke Alec Trevelyan, ehemaliger Doppel-Null-Agent und Bonds Fast-Freund. Er weiß genau, was er will und ist jederzeit, nicht zuletzt ob seines Trainings, Herr der Lage. Er ist von allen Bond-Schurken derjenige, der Bond ähnlichsten ist. Bond schaut in einen Zerrspiegel, was die Personenkonstellation interessant macht. Der finale Faustkampf zwischen Bond und Trevelyan ist einer der dynamischsten Fights der Serie und wirklich packend und rasant inszeniert. Erst in „Stirb an einem anderen Tag“ wird man wieder einen Kampf mano-a-mano sehen, der sich mit diesem messen kann.
Der Plot ist erwartungsgemäß Unsinn, aber das stört auch nicht weiter. Wir sind schließlich in einem Bond-Film. Allerdings wird zu viel Zeit benötigt, bis der die eigentliche Handlung auslösende Diebstahl des Diamanten vonstatten geht und der Film Fahrt aufnimmt. Da ist der Zuschauer zeitweise an „Feuerball“ erinnert, wo ähnlich viel Zeit auf die Exposition verwandt worden war. Auch andere Dinge stören, wie z. B. die unpassende Musik von Eric Serra, die in Luc-Besson-Filmen großartig wirkt, hier aber deplaziert ist. Allein der Titelsong kann einigermaßen überzeugen, auch wenn er stark an „Goldfinger“ erinnert. Die Tricks gehen ebenfalls in Ordnung. Nur das Ablassen des kubanischen Sees zur Freilegung der Antennenschüssel im dritten Akt ist offensichtlich rückwärts aufgenommen, was einfach ärgerlich ist. Umgekehrt wirkt der Bungee-Sprung in der ersten Szene großartig. Vor allem, wenn man ihn auf einer Kinoleinwand sieht. Dort wirkt die Einstellung, in der Bond mit gezückter Enterhaken-Pistole auf den Zuschauer zuschwebt, fast dreidimensional. Ein weiterer Hingucker ist die große Verfolgungsjagd durch St. Petersburg, bei der sich Bond in Ermangelung eines anderen Verkehrsmittels einfach eines Panzers bedient und erwartungsgemäß Probleme mit den engen Straßen dort bekommt. Wirklich packen kann die Sequenz allerdings nicht, scheinen die Verfolgten doch von Anfang an derart unterlegen, dass nie ein Zweifel am Ausgang der Fahrt besteht. Weniger gut macht sich, dass Bond sich aus der irrtümlichen russischen Gefangenschaft über die Leichen von russischen Soldaten freischießen muss, die einfach nur zur falschen Zeit vor der falschen Waffe stehen.
Unterm Strich ist „GoldenEye“ (der Titel ist eine Anspielung auf Ian Flemmings karibische Behausung) ein akzeptabler Relaunch des erfolgreichsten Franchises der Filmgeschichte. Brosnan absolviert seinen Einstand besser als Lazenby oder Moore und war der richtige Mann, um Bond ins neue Jahrtausend zu tragen. Martin Campbell inszenierte später die ebenfalls gut gemachten Popcorn-Filme Vertical Limit und „Die Maske des Zorro“ und schickt sich an, das Kunststück der Neuinterpretation bei Casino Royale zu wiederholen. Wir sind gespannt…