Ich muss mit meinen Kritiken etwas härter werden, weil ich wohl irgendwie immer etwas zu freundlich bewerte. Deswegen schrammt auch "Jane Eyre" haarscharf an 4 Sternen bei mir vorbei. Die Vorzüge der Redaktionskritik sind beizupflichten, doch mir fehlen da ein paar Schwächen. -
Was macht den Film also nicht so gut? Mia Wasikowska spielt gut, ich mag sie durchaus, besonders seit ihrer Rolle in "In Treatment". Sie erwärmt auch für ihre Figur. Sie hat jedoch nicht so recht das Charisma, als das ich verstünde, was an ihr nun so unglaublich ist, dass man sich in sie verliebt. Die Regie gibt ihr Momente dafür, aber sie kann irgendwie nicht mehr daraus machen, als ein paar Sprüche zu bringen. -
Womit wir beim interessanten Aspekt eines "leisen Feminismus" sind: Ich finde es insgesamt gut, dass "Jane Eyre" dieses Thema sehr subtil behandelt. Es sind immer nur kleine Reden, nicht so allumspannend und Holzhammer-mäßig, wie man sie oft im historischen Genre serviert bekommt. Jedoch habe ich mich manchmal gefragt, warum dieser Feminismus-Schwenk so notdürftig wirkte. Klar, die Frauen wurden unterdrückt. Doch mMn. ist diese Unterdrückung weniger das Hauptproblem von Jane (auch wenn sie es in Dialogen anbringt), als die Art und Weise wie mit ihr generell umgesprungen wurde: Die Machtlosigkeit eines Kindes, die Einsamkeit und das Verlieren von Freunden und Vertrauenspersonen. Die Männer, denen sie begegnet, agieren alle mit durchaus erheblichen Schwächen, doch nicht als unterdrückende Monster. Allenfalls ihr Cousin am Anfang erscheint wirklich verachtenswert. Doch auch hier: Weniger der Geschlechterunterschied als die Opferrolle im Verwandschaftsverhältnis, spielt dort eine Rolle. Man bedenke ja auch, dass es ihre Tante ist, die als Herrin der Familie alles Böse in Gang setzt und ihr Onkel ihr später aus der Ferne hilft! -
Weitere Schwächen, die man finden könnte: Die Rückblenden bremsen am Anfang etwas aus, und die Enttarnung des Geheimnisses erscheint mir etwas hanebüchen. Doch positiv: Dies wiederum symbolisiert die harten Linien der Konventionen der früheren Gesellschaften. Gut! Und so sind weitere Stärken des Films (neben den genannten) die natürlich auch malerisch schönen Bilder und die leise Melancholie sowie die Herzlichkeit der Charaktere in der zweiten Hälfte. Ich denke, gerade dort wird der Film durchaus komplexer, als im atmosphärischen, aber leider auch leicht klischeelastigen Anfang. -
Fazit: Diese Ausführungen sollen keineswegs die Leistung des Films schmälern: Er ist immer noch gut gelungen und jeden Filmabend wert, aber ein paar kleinere Schwächen nagen etwas am Gesamteindruck. Wo der Film durchaus beherzt etwas andere Töne als die verspielteren übrigen modernen Historienfilme wie "Stolz & Vorurteil" oder "Abbitte" anschlagen, sind diese Konkurrenten im Gesamtpaket dann doch überzeugender. Dennoch: Mehr davon!
Update: Vor kurzem habe ich die Literaturvorlage gelesen. Diese war eine Wucht! Wer "Jane Eyre" gut, aber etwas unterkomplex findet, sollte unbedingt das Buch lesen. Der große Unterschied zum Film ist, dass das Buch aus der Ich-Perspektive erzählt und zudem wesentlich umfangreicher ist. Es gehen Gerüchte um, dass auch der Film eigentlich wesentlich länger wäre: Nun, dass würde diesem auch nur gut tun, denn wie mir nun aufgefallen ist, ist die Schwäche des Films einfach viel zu wenig Zeit zu haben. Besonders das Kinder- und Jugendalter der Jane Eyre wird etwas rasch durchgenommen. Ich bin aber auch niemand, der meint Literaturverfilmungen müssten die Bücher sklavisch umsetzen. Längere Laufzeit würde dem Film aber auch unabhängig davon gut tun, denn meine oben genannten Kritikpunkte gelten noch immer, auch wenn ich sie jetzt etwas mildern würde und dem Film daher doch seine 4 Sterne gebe. :) Die Bilder sind schlichtweg genial, gerade auch die kleinen Gesten. Wenn Jane Mr Rochesters Hand nimmt, dann spürt sie zum ersten Mal die Handfläche eines Mannes. Wie eindrucksvoll das in Szene gesetzt wird! Außerdem hilft die Verfilmung der Figur des St John Rivers. Obwohl er eigentlich wesentlich komplexer ist und der Film einiges ausspart (was ihn auch sonst zu sehr aufgebläht hätte), macht ihn in der Film schlichter und doch irgendwie nachvollziehbarer, auch weil Jamie Bell es schafft ihn bei allem Brodeln sanfter zu zeigen als im Buch. Und auch die Hauptfiguren erscheinen mir eindeutiger nun, wenngleich der Film eben immer noch z.B. mehr über Janes Glauben herausarbeiten sollte. - So viel zu diesem Vergleich! Diese Verfilmung von "Jane Eyre" besticht vor allen Dingen optisch.