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    The Escapist - Raus aus der Hölle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Escapist - Raus aus der Hölle
    Von Jens Hamp

    Eigentlich ist in den Gefängnis-Serien serie,17 und „Oz“ mit ihren wöchentlichen Episoden bereits nahezu alles Denkbare über das Leben hinter schwedischen Gardinen und über die Versuche, dem Knast zu entkommen, erzählt worden. Dennoch wagt sich Spielfilmdebütant Rupert Wyatt an einen weiteren Ausbruchsfilm, dessen Hauptfigur er mit Brian Cox (X-Men 2, Troja) namhaft besetzte. Für den britischen Charaktermimen, der immer wieder in Nebenrollen besticht, war „The Escapist“ eine Herzensangelegenheit. Nachdem er mit Wyatt bereits einen Kurzfilm („Get The Picture“) drehte, versprach Cox, bei einem guten Drehbuch nicht nur die Hauptrolle in dessen Langfilm-Premiere zu übernehmen, sondern auch einen Teil der Finanzierung zu bestreiten. Über weite Strecken ist es auch absolut nachvollziehbar, wieso sich Brian Cox für „The Escapist“ entschied – erst mit der finalen Wendung geht dem Gefängnisthriller die Luft aus.

    Lebenslang. Seit vierzehn Jahren fristet Frank Perry (Brian Cox) sein Dasein hinter Gittern. Er wird erst in seiner altersmilden Gleichgültigkeit erschüttert, als er von seiner Frau (Domhnall O‘Donoghue) nach jahrelanger Kontaktlosigkeit erfährt, dass die gemeinsame Tochter (Eleanor McLynn) auf die schiefe Bahn geraten und ein todgeweihter Junkie ist. Voller Entschlossenheit schmiedet Frank einen Ausbruchsplan. Um sich erfolgreich durch die Kanalisation und U-Bahn-Tunnel schlagen zu können, verbündet er sich mit seinem langjährigen Schachkontrahenten Brodie (Liam Cunningham, The Wind That Shakes The Barley, Die Mumie 3) und dem muskelbepackten Lenny (Joseph Fiennes, Shakespeare In Love, Luther)…

    „And in the end

    We lie awake

    And we dream

    We’re making our escape.“

    Coldplay – The Escapist

    Mit Leonard Cohens melancholischem „The Partisan“ findet „The Escapist“ zu einem wunderbar stimmungsvollen Einstieg. In einer minimal beleuchteten Zelle sitzt Frank Perry und betrachtet das Bild seiner Tochter. Die Kamera verweilt auf seinem zerfurchten Gesicht. Entschlossen schreitet er über den Gang des Gefängnisses – und mit einem Satz springt der Film in die eigentliche Handlung. Zu den pulsierenden Klängen der exzellenten Filmmusik von Benjamin Wallfisch (Dear Wendy) hämmern die Flüchtigen ein Loch in den Gefängnisboden und entschwinden in den unbekannten Untergrund. Elektrisierend wird das Fluchtgeschehen inszeniert, ehe Regisseur Wyatt abrupt erstmals zur Vorgeschichte zurückspringt, die er in der Folge auf einer zweiten, wesentlich ruhigeren Handlungsebene nach und nach enthüllt.

    Mit dieser verschachtelten Erzählstruktur verkalkulieren sich die Drehbuchautoren Rupert Wyatt und Daniel Hardy letztendlich. Sie liefern ein Puzzleteil nach dem anderen, den alles entscheidenden Stein halten sie allerdings viel zu lange zurück, so dass sich der Zuschauer beim Aufdecken nur hinterlistig hinters Licht geführt fühlen kann. Die von Ambrose Bierces Kurzgeschichte „Ein Vorfall an der Owl-Creek-Brücke“ inspirierte Prämisse hätte bei einer stringenten Erzählweise unzweifelhaft funktioniert, ebenso wäre „The Escapist“ mit einer anderen Anordnung der Puzzleteile gelungen. So aber ist der Film in der Endabrechnung ähnlich unbefriedigend wie Hitchcocks Die rote Lola mit seiner berühmten filmischen Lüge.

    Bis zu diesem ruinierenden Finale überzeugt „The Escapist“ allerdings mit seiner spannenden und atmosphärischen Inszenierung, die ihre Dynamik gerade durch die Aufspaltung des Geschehens in Gefängnisalltag und Flucht gewinnt. Zwar greifen Wyatt und Hardy mehrfach auf die üblichen Genrewendungen zurück – die extreme Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere wirkt sich dank der ausgezeichneten Darsteller jedoch nicht nachteilig aus. Während Damian Lewis (Dreamcatcher, „Band Of Brothers“) als Gangsterboss Rizza mit wenigen Gesten eine eiskalte Aura kreiert, sind die Ausbrecher trotz ihrer mit hohen Strafen geahndeten Verbrechen gute Sympathieträger. Dominiert wird das Ensemble von dem väterlichen Brian Cox, der den Film mit seiner zurückhaltenden und dennoch charismatischen Vorstellung mühelos auf den breiten Schultern trägt.

    Die stilsichere Bildgestaltung und der Ehrfurcht gebietende Dubliner Drehort Kilmainham Prison (unter anderem bekannt aus Im Namen des Vaters und „Michael Collins“) sorgen dafür, dass „The Escapist“ sein geringes Budget nicht anzumerken ist. Fast schon altmodisch wird das Gefängnis als eigener Kosmos ohne Kontakt nach außen in Szene gesetzt: Die Knastbrüder wetten auf Insektenrennen, begutachten die Neuankömmlinge wie Frischfleisch auf einem Laufsteg und beziehen hausgemachte Drogen. Der ruhige Rhythmus dieser Alltagsschilderung steht in starkem Kontrast zu den energiegeladenen und hektischen Fluchtszenen, wobei die plötzlichen Stilwechsel bei den Übergängen zwischen den Handlungsebenen zunächst etwas befremdlich wirken. Aber auch diese Unebenheiten werden überwunden und die einzelnen Teile fügen sich schließlich unkompliziert zusammen.

    „Wenn ich noch mal neu anfangen könnte (…), dann würde ich mit jemandem reden. Ihn zur Vernunft bringen. (…) Aber das kann ich nicht. Dieser Mann ist schon lange weg und nur ich bin übrig.“ – Frank Perry

    Trotz des altersweisen Die Verurteilten-Zitates kann Robert Wyatt nicht in die Fußstapfen von Frank Darabont treten, der jene herausragende Stephen-King-Adaption inszenierte. Mit seiner verschachtelten Erzählweise haucht Wyatt dem angegrauten Gefängnisgenre aber immerhin über weite Strecken frischen Atem ein. Die Spannung wird in den beiden Handlungssträngen ständig gesteigert, um dann allerdings in einem äußerst unbefriedigenden Finale zu gipfeln. Mit diesem ernüchternden Abschluss im Hinterkopf kann man die guten Darstellerleistungen und die dynamische Inszenierung leider kaum noch richtig würdigen. Ohne die unnötige Schlusspointe hätte das Urteil wesentlich positiver ausfallen können.

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