„Lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach“, hat sich Regisseur Johnny To vielleicht gedacht, als er mit „The Sparrow“ die Gaunerkomödie zwar nicht neu erfand, dafür aber einen kleinen und äußerst stilvollen Vertreter dieses Genres schuf. Ungeheuer elegant, in ruhigen wie in rasanten Momenten seine Fähigkeiten als Regisseur virtuos ausspielend, durchzogen von warmherziger Ironie, lässt To in seinem sympathischen Film zwei Diebesbanden gegeneinander antreten.
Als ein Spatz in seine Wohnung fliegt, ahnt Kei (Simon Yam) noch nicht, dass dieser kleine Vogel der Beginn eines großen Clous ist. Kei und seine drei Partner sind Taschendiebe - und zwar ziemlich gute. Gemeinsam nehmen sie mit flinken Händen die Passanten in den engen Gassen Hongkongs aus – und leben nicht schlecht davon. Doch dann läuft die Gaunerbande der geheimnisvollen Chun Lei (Kelly Lin) über den Weg. Sie verdreht den Dieben nacheinander den Kopf, bis die schöne junge Frau schließlich ihre wahren Absichten offenbart: Die vier Gauner sollen etwas für sie beschaffen. Dieser Gegenstand befindet sich allerdings nicht irgendwo, sondern ausgerechnet in den Händen von Mr. Fu (Hoi-Pang Lo), dem Meister aller Diebe. Die vier Kleinganoven stehen vor ihrer bisher größten Herausforderung…
Johnny To (* 22. April 1955) ist ein äußerst produktiver Filmemacher und Produzent. Seit den 1980er Jahren bis heute drehte der in Hongkong geborene Chinese weit über 30 Filme verschiedener Genres, darunter solche herausragenden Vertreter wie Running Out Of Time, The Mission, „Fulltime Killer“, Breaking News, Election, Election 2 und „Exiled“. Hierzulande verbindet man mit dem Namen To vor allem stilvolle Action- und Gangsterfilme. Auch „The Sparrow“ lässt sich dem zuordnen. Doch der experimentierfreudige To variiert das Genre ein weiteres Mal und schafft so wieder einmal etwas ganz und gar Eigenes.
Wie bei To üblich, ist auch „The Sparrow“ sehr körperliches Kino. Und erneut steht eine Männerfreundschaft im Mittelpunkt der Handlung. Doch anders als in seinen sonstigen Filmen lässt der Meisterregisseur seine Figuren sich diesmal nicht zum Rhythmus eines Kugelhagels, sondern zu einem jazzigen, ganz formidablen Sound aus der Feder des französischen Komponisten Xavier Jamaux bewegen. Schon vom ersten Moment an, als Kei mit dem Fahrrad seine Wohnung verlässt, untermalt die Musik das Geschehen derart beschwingt, dass man sich weder an dieser, noch an zahlreichen folgenden Stellen wundern würde, gingen die ohnehin schon eleganten Bewegungen der Protagonisten in einen Tanz über. Die vielleicht beste Vorstellung von „The Sparrow“ bekommt der Zuschauer, wenn er ihn sich als Komplementär zu „The Mission“ vorstellt. Statt den exzellent durchkomponierten statischen Bildern um die ultracoole Leibwächtergarde gibt es diesmal fast tänzelnde Aufnahmen einer mitunter etwas unbeholfen wirkenden Gaunertruppe, die auch schon mal zu viert und deshalb recht wacklig Fahrrad fährt.
Tos Filme enthalten immer wieder Szenen, die auch für sich allein genommen schon legendär sind – man denke nur an die Eröffnungssequenz von „Breaking News“ oder den Kaufhaus-Shoot-Out in „The Mission“. Auch „The Sparrow“ enthält ein solches Schmankerl. Natürlich gibt es im Film noch weitere tolle Momente, zum Beispiel den leichtfüßigen Beginn, den ersten Raubzug, ein sehr lustiges Wetttrinken und eine Slapstick-Nummer im Fahrstuhl. Doch den Spatz schießt die finale Auseinandersetzung der beiden Gaunertruppen ab. Die simple Überquerung einer Straße bei Regen wird in den Händen von Johnny To zu einer Symphonie aus Hüten, Regenschirmen und Rasierklingen - und damit zum ultimativen Showdown: bis an die Grenzen elegant, spannend und mit genau der richtigen Dosis Humor. Als ob ein perfekt inszeniertes Gaunermärchen nicht schon genug wäre, ist „The Sparrow“ zugleich auch eine Liebeserklärung an Tos Heimatstadt. Es sind nicht die in Neon getauchten Nächte, die normalerweise die Metropole symbolisieren, sondern Hongkongs schmale Gassen, Treppen, Suppenküchen, die To mit der Kamera einfängt. Dieses Understatement verleiht „The Sparrow“ seinen ganz speziellen Charme.
Diesen Februar bekam Johnny To in Deutschland zum ersten Mal die Aufmerksamkeit, die ihm und seinem Schaffen gebührt: Nachdem „Breaking News“ 2004 in Cannes und „Exiled“ 2006 in Venedig ausgezeichnet wurden, lief „The Sparrow“ nun im offiziellen Wettbewerb der Berlinale 2008. Natürlich blieb der leichtfüßige, unpolitische Film bei der Jagd nach dem Goldenen Bären chancenlos, zumindest ein Silberner Bär für die Beste Regie hätte – zumindest wenn es nach der FILMSTARTS.de-Redaktion gehen würde – aber durchaus rausspringen dürfen. Übrigens: Derzeit arbeitet To an einem Remake von Melvilles Klassiker Vier im roten Kreis. Man darf gespannt sein, was der experimentierfreudige Chinese aus diesem Stoff macht.
Fazit: Mit „The Sparrow“ liefert Johnny To eine weitere Kostprobe seines Könnens. Die charmante, mit leichter (Meister-)Hand inszenierte Gaunerkomödie strahlt äußerste Eleganz bei gleichzeitig maximaler Bescheidenheit aus – absolut sehenswert!