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    Der Solist
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Der Solist
    Von Jan Hamm

    Hollywood, ein kühl kalkuliertes Geschäft? Doch nicht in Zeiten da sich die oberste Darstellergarde der Traumfabrik vor sozialem Engagement geradezu überschlägt und bei der Oscar-Hatz ein ums andere Mal besonders kritische Werke ins Rennen geschickt werden - so zumindest der schöne Schein. Während der Oscar-Abräumer Slumdog Millionär zuletzt für seinen fragwürdigen Verweis auf die unergründliche Fortuna als einzig mögliche Geleiterin aus Armut und Elend abgefeiert wurde, blieb ein anderes Prestige-Objekt erst einmal in der Reserve. Joe Wrights (Abbitte, Stolz und Vorurteil) „Der Solist“ - die rührselige Geschichte eines obdachlosen Musikergenies, die auf einer wahren Begebenheit basiert - hätte zwar bestens auf die Gala gepasst, doch Paramount war mit der Oscar-PR zu Der seltsame Fall des Benjamin Button und Zeiten des Aufruhrs bereits ausgelastet. Dass sich der „Der Solist“ im Vorfeld der US-Sommersaison dann als Flop erwies, stimmt nicht unbedingt traurig. Denn mit seinem sentimentalen Erzählgestus ist Wrights so prätentiös wie unreflektiert ausfallendes Sozialdrama vor allem eines: kühl kalkuliert.

    Steve Lopez (Robert Downey Jr., Iron Man, Tropic Thunder), Starkolumnist der LA Times, steuert geradewegs auf eine Midlife-Crisis zu. Seine Kolumne wird umso lieber gelesen, je direkter er mit seinem Jammer kokettiert. Dass seine Ex-Frau Mary (Catherine Keener, Inside Hollywood) seine Vorgesetzte ist, macht es nicht einfacher. Dann trifft Lopez auf Nathaniel Anthony Ayers (Jamie Foxx, Operation: Kingdom, Ray), einen Obdachlosen, der einer zweisaitigen Geige die bezaubernsten Klänge entlockt. Lopez schnuppert eine Story und beginnt, die Lebensgeschichte des wirr plappernden Stadtstreichers zu recherchieren. Die Kolumne über das ehemalige Cello-Wunderkind läuft so gut, dass wenig später ein Buchverlag anklopft. Als dann sogar noch ein Preis für sozial engagierten Journalismus winkt, während Ayers weiterhin ziellos zwischen Musik, Asphalt und Paranoia driftet, muss Lopez entscheiden, ob er seinem neuen Freund beistehen oder ihn weiter als Karrieresprungbrett missbrauchen will...

    „Der Solist“ basiert auf dem echten Buch des echten Steve Lopez. Dessen als bescheiden und zugewandt geltende Natur wird im Skript von Susannah Grant (Erin Brokovich) allerdings nahezu invertiert. Wozu auch authentisch bleiben, wenn es der selbstgerechten Feelgood-Dramaturgie zuwider läuft? Robert Downey Jr. trägt seinen Teil dazu bei, und so wird der Journalist als Zyniker mit zwiespältigen Beweggründen und damit als Kandidat einer programmatischen Läuterung interpretiert. Ein einziges Mal werden Lopez’ Motive frontal hinterfragt, auf einer Gala von seiner ordentlich angeheiterten Ex-Gattin. Problematisch ist diese Sequenz aber dennoch, weil die Offensive automatisch im Kontext der hinzu gesponnen Beziehungskiste steht und so in ihrer inhaltlich nüchternen Klarheit entkräftet wird.

    Mehr aber noch charakterisiert ihr Spott über die Markttauglichkeit der Ayers-Geschichte als unfreiwilliger Paratext gleich den ganzen Film: „It's personal, it's political, it's timely. I can sell the shit out of it.” Gesagt, getan! Ohne jegliche Contenance inszeniert Wright kitschige Penner-Romantik in schwülstigen Symbolbildern. Sobald der zwischenzeitlich in einem Straßentunnel hausierende Ayers wieder ein Cello in den Händen hält, tastet die Kamera vorsichtig über die Saiten, hebt dann ab und begibt sich mit einem Taubenpaar auf in die Freiheit, hoch über das banale Treiben der Stadt. Folglich behagt es Ayers auch gar nicht, von Lopez in eine feste Behausung gedrängt zu werden. Nein, die Straße sei immernoch der sicherste Platz.

    Bloß nicht die Wall Street, wo er zuvor sein Nachtlager aufzuschlagen pflegte: „It’s too dirty.“ Wenn das mal keine Gesellschaftskritik der wirklich subtilen Art ist! Ein guter Christ ist Ayers übrigens auch noch. Im Gegensatz zu Downey Jr. holt Jamie Foxx dabei aber trotz überkandidelter Figurenzeichnung verhältnismäßig viel aus seiner Rolle heraus. Spannend sind dabei – viel mehr als sein wild-assoziatives Stammeln und Quengeln - die raren Augenblicke, in denen er blitzschnell zwischen sanften und aggressiv-paranoiden Modi springt. So wird über den kauzigen Beethoven-Fan immerhin noch ein schlüssiges Portrait einer Schizophrenie gezeichnet.

    Bedenklich bleibt trotzdem, dass erst musikalisches Genie plus Wahnsinn für ausreichend „I can sell the shit out of it“-Appeal sorgen. Die restlichen rund 90.000 Obdachlosen von Los Angeles werden zwar pflichtbewusst im Abspann erwähnt, ein x-beliebiger Obdachloser wäre aber wohl weder Lopez, noch Hollywood eine Erzählung wert gewesen. So ist es letzten Endes dann nicht weiter von Belang, wie und wann der Journalist beim Schritt über die soziale Kluft hinweg vom Saulus zum Paulus wird. Denn unter der engagierten Oberfläche ist „Der Solist“ ein erschreckend kaltherziger Film: Solltest du weder Fortunas Schützling, noch ein tragisch gescheitertes Wunderkind sein, wird sich auch keine Sau für deine Misere interessieren. Ohne Glamour geht’s eben nicht.

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