Zombies sind genügsam. Regelmäßig benötigen sie Frischfleisch, ansonsten geben sie sich anspruchslos und pflegeleicht. Daher machte es ihnen auch nicht allzu viel aus, dass sie nach ihrer Hochzeit in den 1970er Jahren lange Zeit ein eher unspektakuläres Dasein in staubigen Videothekenecken fristeten. Auch das von Wes Cravens Scream-Trilogie angeführte Horror-Revival in den 1990er Jahren änderte hieran nichts. Erst als 2002 Danny Boyles 28 Days Later die Kinoleinwände heimsuchte, kamen die Untoten wieder aus ihren Löchern gekrochen. Aus den gemütlich schlurfenden Wesen waren – der zeitgenössischen Videoclip-Ästhetik sei Dank – blitzschnelle Tötungsmaschinen geworden. Nun erbarmte sich auch der Mainstream den kultisch verehrten Untoten. So legte Zak Snyder ein entschlacktes Hochglanz-Remake von George A. Romeros Klassiker Dawn Of The Dead vor, Romero selbst lieferte mit Land Of The Dead den vierten Teil seiner Zombie-Reihe und Bernd Eichinger feierte mit seinen Resident Evil-Filmen Kassenerfolge. Ein anderer Horrortrend der vergangenen Jahre – ausgelöst durch das Blair Witch Project - ist die Fake Documentary: Angeblich authentische Aufnahmen zeigen den Einfall des Bösen in unsere Welt. Tonaussetzer und gewollte filmische Mängel suggerieren, dass es sich bei den Bildern keinesfalls um Fiktion handele. Was im Monstergenre zuletzt mit Cloverfield recht spannend umgesetzt wurde, versuchen die spanischen Regisseure Jaume Balagueró und Paco Plaza in „[Rec]“ nun mit dem Zombiefilm.
Die süße Moderatorin Angela (Manuela Velasco) moderiert für einen spanischen Lokalsender die Sendung „Während Sie schlafen“. Zusammen mit ihrem Kameramann Pablo begleitet sie Menschen, die zur Nachtzeit ihrer Arbeit nachgehen. An diesem speziellen Abend steht der Besuch einer Feuerwache auf dem Programm. Zunächst scheint dies eine ziemlich langweilige Angelegenheit zu werden. Zwar sind die Feuerwehrleute Manu (Ferran Terraza) und Alex (David Vert) freundlich und telegen, aber ein spannender Einsatz scheint sich nicht anzubahnen. Mitten in einem Basketballmatch kommt dann doch noch der ersehnte Notruf. In einem Mehrfamilienhaus hat eine alleinlebende ältere Frau schmerzerfüllte Schreie ausgestoßen. Im Treppenhaus haben sich mittlerweile die übrigen Mieter versammelt, denen die Sache nicht ganz geheuer ist. Auch zwei Polizisten befinden sich bereits vor Ort. Nach dem Aufbrechen der Tür offenbart sich in der Wohnung ein Anblick des Grauens, eine blutverschmierte Kreatur fällt über einen der Polizisten her und reißt ihm ein Stück Fleisch aus dem Hals. Doch damit nicht genug – die Umweltbehörde hat das Haus unter Quarantäne gestellt, für die Eingesperrten gibt es erstmal kein Entrinnen…
Hielte man „[Rec]“ seine bescheidene Optik vor, würde man an der Grundidee vorbeiargumentieren – denn die wackelige Digitalästhetik ist dem Konzept geschuldet, den Film wie eine TV-Reportage aussehen zu lassen. Aus dieser Perspektive ist Kameramann Pablo Rosse eine ordentliche Arbeit zu attestieren, auch wenn sich Verächtern der „shaky cam“ vermutlich der Magen umdrehen wird. Einige Sequenzen beiseite genommen, in denen vor lauter Schwenks und Unschärfen wirklich kaum mehr etwas zu erkennen ist, ist die Inszenierung tatsächlich insgesamt gut gelungen. Gelegentliche Tonausfälle und andere Störungen suggerieren Authentizität, auch wenn dieser Ansatz in Zeiten von Youtube und bald neun Jahre nach Blair Witch Project nicht mehr ganz frisch wirkt. Anfangs ist der Dokumentarcharakter recht reizvoll, erlaubt er doch die eine oder andere interessante Genrevariation. Doch dann macht sich das Dauergequassel der Moderatorin irgendwann auf, die Nerven der Zuschauer auf eine harte Geduldsprobe zu stellen. Dass das Publikum über TV-Schnuckelchen Angela nur rudimentäre Informationen erhält, ist wieder Teil der Filmstrategie – da es sich ja angeblich um die Wiedergabe einer Fernsehaufnahme handelt, ist eine Rahmenhandlung natürlich nicht vorhanden. Doch auch bei den anderen Figuren verpassen die Filmemacher die Chance, den Zuschauer für deren Schicksal zu interessieren. Sicherlich erwartet in einem rasanten Horrorschocker niemand eine ausgefeilte Charakterisierung, aber das völlige Desinteresse am eigenen Personal ist hier dennoch fehl am Platz. Dafür bringt das Konzept noch einen Vorteil mit sich: Wie die Protagonisten bleibt auch der Zuschauer lange Zeit im Dunkeln bezüglich der eigentlichen Bedrohung. Warum haust in einem normalen spanischen Mehrfamilienhaus plötzlich ein Zombie? Kann sich dessen „Krankheit“ übertragen und ist er überhaupt alleine? Dies sind Fragen, die den Zuschauer anfangs umtreiben und erst nach und nach aufgelöst werden. Schade ist es allerdings, dass die spanischen Filmemacher hier schlussendlich dennoch nur den altbekannten Mustern des Zombiegenres folgen.
Aufgrund der begrenzten Inszenierungsmöglichkeiten – ausgefeilte Perspektiven und elegante Schnitte verbieten sich konzeptionell schließlich von selbst – ist es für die Regisseure sicherlich nicht ganz einfach, dem Kinozuschauer Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Allerdings gibt es auch eine Einschränkung, die dem Film mehr als gut tut: Wir erinnern uns an einen typischen Schockeffekt in einem typischen Horrorfilm – jemand kommt um die Ecke, es gibt einen Knall, das Publikum zuckt zusammen. So verkommt funktionierendes Thrill-Kino zum bloßen Handwerk - man muss es nur stark genug scheppern lassen und schon ist die Sache geritzt. In „[Rec]“ ist diese Vorgehensweise nicht möglich, weil der Film konzeptbedingt ohne Score auskommt. So sind die Macher gezwungen, ohne laute Kracher zu agieren. Und dies gelingt ihnen auch: Wenn im Hintergrund der hektisch moderierenden Angela plötzlich und unerwartet ein Körper aufschlägt und zerplatzt, trifft der Effekt voll in die Eingeweide des Publikums. Es ist geradezu erfrischend, endlich mal wieder ohne billige Sound-Tricks, sondern einfach nur auf der visuellen Ebene geschockt zu werden. Die letzten zehn Minuten, in denen die Schlusswendung ihren Lauf nimmt, werden sicher nicht jedermann gefallen – immerhin wechselt der Film hier komplett seinen Ton und bewegt sich plötzlich im Metier eines Religions-Verschwörungstheoretikers à la Dan Brown. Doch schließlich entfalten diese letzten, aufregend anderen Momente noch einmal eine unbändige, wohlig gruselnde Kraft.
Fazit: Trotz der vielen Vorschusslorbeeren ist „[Rec]“ nicht der ganz große Wurf. Die sitzenden Schockeffekte und die gelungene Schlusspointe können das uninspirierte Figurenarsenal nur bis zu einem gewissen Grad abfedern. Einige Längen sind so kaum zu verleumden. Vielleicht gelingt es dem US-Remake Quarantine, welches auch noch dieses Jahr in die Kinos kommen wird, diese auszubügeln. Allein Zombie-Afficinados sei der Film uneingeschränkt ans Herz gelegt, alle anderen sollten sich hingegen zunächst einmal an George A. Romeros neues, ähnlich gelagertes Meisterwerk Diary Of The Dead halten.