Nelson Rolihlahla Mandela gilt neben Martin Luther King und Malcolm X gemeinhin als bedeutendster Vertreter im weltweiten Kampf gegen die Unterdrückung der Schwarzen. Diesem Mann, der 27 Jahre in politischer Gefangenschaft schmorte und als Präsident (1994 bis 1999) sein Land Südafrika weg von der Apartheid führte, ein Biographie-Drama zu gönnen, ist richtig - selbst wenn alles von amerikanischer Seite in Szene gesetzt wird. Und es ist der sicheren Hand und dem Können von Ausnahmeregisseur Clint Eastwood zu verdanken, dass sein Film nicht an dem gewählten Ansatz scheitert, sich dem Charakter Mandela über ein einzelnes Großereignis zu nähern. Als Aufhänger dienen Eastwood die Ausrichtung und der Gewinn der Rugby-WM im Jahr 1995, mit der der Friedensnobelpreisträger sein Volk über den Sport zusammenführen wollte.
Von 1962 bis 1990 sitzt Nelson Mandela (Morgan Freeman) wegen politischer Aktivitäten in Südafrika im Gefängnis. Diese lange Zeit hinter Gittern haben ihn jedoch nicht verbittern lassen – ganz im Gegenteil: Mandela spricht am Tage seiner Entlassung im Stadion von Soweto vor 120.000 Zuschauern und wirbt für die Versöhnung der schwarzen und weißen Bevölkerung Südafrikas. 1994 wird er in freien Wahlen zum Präsident gewählt. Doch die Kluft zwischen den Schichten und Rassen des sich nur langsam verändernden Landes am Kap ist immer noch groß. Mandela greift zu einer politischen Raffinesse. Die schwarze Bewegung will die von ihnen verhassten Springboks, die Rugby-Nationalmannschaft und das nationale Symbol der Weißen, unbedingt zerstören. Doch Mandela sieht hier seine Chance. Er verhindert nicht nur die Demontage des Teams, in dessen Reihen nur ein einziger Schwarzer aufläuft, sondern bringt auch noch Teamkapitän Francois Pienaar (Matt Damon) hinter sich. Die Mannschaft soll während der Rugby-WM in Südafrika die Herzen des ganzen Landes erobern und Schwarz und Weiß vereinen. Der Kampf scheint so aussichtslos wie die Chancen der Springboks auf den WM-Titel. Mandela rückt immer näher an das Team heran und will so die Einigkeit trotz aller Vorbehalte erzwingen…
Das Sport-Wunder der Deutschen fand 1954 in Bern statt, die Südafrikaner erlebten ihres 1995 im Ellis Park von Johannesburg. Die Rugby-Nationalmannschaft des damals frisch aus der Apartheid entlassenen Landes gewann sensationell den WM-Titel durch einen 15:12-Sieg nach Verlängerung gegen den haushohen Favoriten Neuseeland. Und das mit einer Mannschaft, der Experten maximal das Erreichen des Viertelfinales zugetraut hatten. Welche unglaubliche Dynamik ein solches Großereignis innerhalb der eigenen Landesgrenzen entwickeln kann, sollte jedem noch mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland präsent sein. Ein ganzes Volk versank im kollektiven Freudentummel über ein friedliches Weltfest der Superlative. Diesen Hintergrund der Rugby-WM 1995 in Südafrika nutzt Regisseur Clint Eastwood (Gran Torino, Million Dollar Baby, Erbarmungslos) als Fundament für sein Mandela-Biopic. Obwohl er nur einen sehr begrenzten Zeitraum im Leben des Friedensaktivisten beleuchtet, ist die Auswahl des Themas wirkungsvoll, weil Eastwood anhand dieses Ereignisses Mandelas politisches Wirken anschaulich demonstriert.
Das hat zwar zur Folge, dass der Zuschauer den Eindruck bekommt, Mandela habe sich während seiner Amtszeit ausschließlich mit Rugby beschäftigt, aber dieser Abriss hat dennoch Brennglascharakter, der verkürzt zeigt, wie gerissen und weise der Souverän vorgegangen ist, um sein Land zu einen. Dieser exemplarische Akt birgt zwar die große Gefahr der Simplifizierung, funktioniert aber aus verschiedenen Gründen trotz einiger nicht umschiffter Klippen dennoch.
Das liegt zu allererst an Clint Eastwoods Inszenierung, die sich auch hier als so schnörkellos und stilsicher wie seit Dekaden erweist. Seine Bilder fallen stimmig aus und halten auch Momente sich aufdrängendem Pathos aus. Dazu sind die Sport- und Stadionszene mitreißend konstruiert. Der Funke springt über, auch wenn der reine Rugbyteil nur wohl dosiert eingesetzt wird. Vorangetrieben wird „Invictus“ auch durch Morgan Freemans außergewöhnliche Porträtierung Mandelas. Seiner Präsenz kann sich der Zuschauer nur schwer entziehen. Er macht mit jeder Bewegung deutlich, warum Mandela solch eine befriedende Wirkung auf seine Landsleute hat. Er adaptiert den Friedensnobelpreisträger des Jahres 1993 zu hundert Prozent und wird diese Person. Auch Matt Damon (Bourne-Reihe, Der Informant) als Teamkapitän Pienaar trägt seinen Teil bei. Der im Fitnessstudio auf Rugby-Spieler-Format aufgepumpte Superstar gefällt mit gepflegtem Unterstatement. Er greift nicht zu den großen Gesten des Sportfilms und ist nicht immer überzeugt davon und überzeugend darin, die Anliegen Mandelas als verlängerter Arm auf dem Spielfeld vorzutragen. Gerade in dieser Unsicherheit liegt die Stärke des differenziert dargestellten Charakters.
Was sich Eastwood aber vorwerfen lassen muss, ist die Milde seiner monothematischen Umsetzung. Die ganze Wucht der Wut und des Hasses, den die Apartheid über die Jahrzehnte aufgestaut hat, bringt er nur ansatzweise zur Sprache. Hier tobt kein rasender Mob, allenfalls in ein paar Buhrufen für die Springboks zu Beginn des Films entladen sich negative Energien. Die Art und Weise, mit der die Versöhnung illustriert wird, offenbart zudem eine gewisse Naivität. Warum sich Schwarz und Weiß plötzlich so schnell annähern, macht „Invictus“ nicht immer nachvollziehbar. Es muss einfach als gegeben hingenommen werden. Ferner findet der Widerstand, der Mandela innerhalb dieses Prozesses durchaus entgegen schlug, nur sehr moderat Anklang. Und auch der größte Makel am WM-Triumpf der Südafrikaner wird mit keiner Silbe erwähnt. Das neuseeländische Team litt vor dem Spiel unter den Beschwerden einer Lebensmittelvergiftung, deren Verursacher nie ermittelt werden konnten. Es gab zahlreiche Gerüchte und Vermutungen über den Urheber, der aus dem Umfeld des südafrikanischen Teams stammen sollte. Beweise dafür konnte allerdings niemand vorlegen. Doch Fakt bleibt: Selbst wenn die Vergiftung eine natürliche Ursache gehabt hätte, wäre es der Chronistenpflicht Eastwoods geschuldet gewesen, dies unterzubringen, weil Neuseeland im Vollbesitz seiner Kräfte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so knapp verloren hätte. Aber das passt eben nicht in ein Heldenepos, wie auch „Invictus“ eines ist. Und dass das Land zu der Zeit ganz andere Probleme hatte wie zum Beispiel die rasende Ausbreitung der AIDS-Epidemie, der auch ein guter Geist wie Nelson Mandela nie Herr wurde, findet in Eastwoods Feel-Good-Movie ebenso keinen Platz.
Fazit: „Invictus“ ist der Name eines Gedichts, das Nelson Mandela während seiner 27-jährigen Haftzeit im Gefängnis immer wieder Trost und Hoffnung gespendet hat. Der Begriff bedeutet so viel wie „Der Unbesiegte“. Selbst wenn er nicht alle Ziele erreichte, ist Nelson Mandela tatsächlich einer, der sich nie unterkriegen ließ und derartig viel Güte zeigte, dass sie ein ganzes Land in eine neue Zeit führte. Das zeigt auch Clint Eastwood erstklassig inszeniertes Biographie-Drama, auch wenn es eher sportlich als gesellschaftlich und politisch auftrumpft. Die Schwächen und Auslassungen werden von einem großartigen Morgan Freeman und Eastwoods inszenatorisches Gespür überdeckt.