(1400) Words of Review about „(500) Days of Summer“
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*(488) Am schönsten Fleckchen der Stadt sitzen sie auf einer Bank. Tom und Summer sehen sich an. Ihre Hand auf seiner.* Eine durchschnittliche Liebeskomödie ist etwa zwischen neunzig und einhundert Minuten lang, ist besetzt mit zwei attraktiven Hauptdarstellern, zwei, drei meist schräg-schrullig-liebenswerten Nebenfiguren und spielt meist irgendwas zwischen 150 und 400 Millionen ein. „(500) Days of Summer“ ist eine Liebeskomödie wie jede andere. Nur, dass er das nicht ist. Die durchschnittliche Liebeskomödie ist monoton. Sie stammt, wenn in Hollywood produziert, von Nora Ephron, die ihre besten Tage hinter sich hat, seit Tom Hanks ins ernsthafte Schauspiel gewechselt und Meg Ryan zur chemischen Formel geworden ist, oder von Nancy Meyers, die ihre besten Tage höchstens noch vor sich hat. Wenn in Deutschland produziert, ist die Liebeskomödie meist miefig-verquastes oder vorpubertär-peinliches Sonntag Nachmittags-Programm, oder aber kommt von Til Schweiger, der bei seinen Drehs in Hollywood während der Mittagspause neben dem Regieassistenten saß und sich damit für gewappnet genug hielt, um selbst hinter die Kamera zu treten.
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Marc Webbs „(500) Days of Summer“ ist fünfundneunzig Minuten lang, mit Joseph Gordon-Levitt und Zooey Deschanel attraktiv, mit Geoffrey Arend, Matthew Gray Gubler und Chloë Moretz schräg-schrullig-liebenswert besetzt und hat 58 Millionen eingespielt. Wie auch immer sich das nun mit den Formeln des Genres deckt oder auch nicht, alles Schicksal oder doch bloß Zufall, vielleicht einfach nur Quatsch ist, das Spielfilmdebüt des Videoclip- und Kurzfilmregisseurs Webb ist auf jeden Fall keine monotone Einheitsware. *(290) Tom ist gefrustet, zerdeppert ein paar Teller. Es ist wieder genau wie bei Amanda Heller. Alles lief so gut. Und plötzlich, einfach so, meint Summer, sie sollten aufhören sich zu treffen. Aber. Tom. Sei. Immer. Noch. Ihr. Bester. Freund. Kann eine Frau die man liebt etwas Schlimmeres sagen? Mit Tom wurde schon Schluss gemacht, Tom selbst hat schon Schluss gemacht. Doch diesmal ist es anders. Weil... es Summer ist…*
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Da ist die Erzählweise, mit der „(500) Days of Summer“ heraussticht. *(1) Tom Hansen arbeitet als Grußkartengestalter in Los Angeles, immer mal wieder bedauernd, dass es mit dem Architekturstudium nichts geworden ist. Und da ist Summer Finn, die neue Assistentin des Chefs. Es ist der 8. Januar, Tom glaubt an die Liebe und als er Summer sieht weiß er, dass sie die richtige ist.* Jene 500 Tage, die Toms und Summers Leben verbinden, nah aneinander und ganz weit voneinander entfernt, in einzelnen Momenten, die zuerst glücklich erscheinen und die diesem Eindruck nur einen Augenaufschlag länger beobachtet nicht mehr stand halten, zwischen diesen 500 Tagen wechselt der Film ohne chronologische Reihenfolge hin und her. *(3) Scheiß auf Summer, meint Tom, nachdem er hört, dass sie einen Kollegen wie Dreck behandelt hat. Warum denkt sie, sie kommt damit durch, nur weil sie hübsch ist…*
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„(500) Days of Summer“ nutzt dies jedoch nicht nur als ein Synonym für Originalität, immerhin ist er auch nicht der erste Film, der rückwärts, seitwärts oder sonstwie nicht nach geradeaus erzählt wird. Die Geschichte erreicht durch ihre Sprünge vor und zurück etwas, das sich auf eine wunderbare Art über den bloßen Drehbuch-Kniff hinaus zu einem Gefühl des Echten entwickelt. *(4) Tom hört im Fahrstuhl Musik, Summer kommt dazu. Summer: »I love the Smiths.«
Tom: »Sorry?«
Summer: »I said I love the Smiths. You... You have good taste in music.«
Tom starrt Summer verwunder an: »You... like the Smiths?«
Summer singt: »To die by your side, such a heavenly way to die.«
Summer sagt: »I love em.«
Summer steigt aus, Tom bleibt staunend zurück.
Tom: »Holy shit.«*
Es sind Toms Erinnerungen an Summer und Erinnerungen laufen einem nicht in Reihenfolge durch den Kopf, wahrscheinlich erinnert man sich an die gleiche Sache so gut wie niemals zweimal auf die selbe Art. Manches vermischt sich, manches verklärt man, nicht alles fällt einem auf Anhieb so ein, wie es tatsächlich passiert ist. „(500) Days of Summer“ zeigt die offensichtlichen, die ganz großen Gefühle, stellt sie oft direkt nebeneinander, etwa wenn Summer den Gag mit den nicht funktionierenden Wasserhähnen im Möbelladen am 282. Tag nicht mehr witzig findet, obwohl sie ihn am 34. Tag noch selbst gemacht hat. Einmal greift Summer nach Toms Hand. Viele Tage später wird sie sie wegziehen, als er es versucht. Frisch und verbraucht, intim und getrennt. Doch dem Film gelingt es auch, die kleinen Regungen und leisen Töne dazwischen zu entdecken, die einem manchmal selbst verborgen bleiben, weil man in der Liebe nur das Gute, in der Trauer nur die Verletzung, im Hass nur das Schlechte sieht. *(154) Tom macht es offiziell. Er ist in Summer verliebt. Ihr Lächeln, ihre Haare, ihre Knie, ihr herzförmiges Muttermal… Tom liebt Summer…*
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„(500) Days of Summer“ bietet rührende Momente der Annäherung (Summer: »I've never told anybody that before.« Tom: »I guess I'm not just anybody.«), bittere des Leidens und der (inneren) Trennung (Summer: »I woke up one morning and I just knew.« Tom: »Knew what?« Summer: »What I was never sure of with you.«) und amüsante der Verachtung (Tom: »I hate her crooked teeth. I hate her 1960s haircut. I hate her knobby knees…«). Abgesehen von seiner Erzählstruktur ist dabei nicht jedes Element taufrisch zubereitet und hin und wieder wagen die Drehbuchautoren Scott Neustadter und Michael H. Weber sogar einen Griff in die Niederungen des Klischeetiefkühlfachs. Toms spleenige Freunde, die immer mit den falschen Ratschlägen daherkommen und die, der eine nach jahrelanger Beziehung, der andere seit ewigen Singlezeiten, in Liebesfragen sowieso keine Ahnung haben. Toms emotionale Augenöffnerrede vor seinen Kartenschreiberkollegen und der Absurdität ihres Jobs. Mais ce n'est pas la mer à boire. Denn: neben diesen paar wenigen Katalogzutaten sprüht „(500) Days of Summer“ vor Ideen, oder setzt bekannte Dinge zumindest mit einer unbeschwerten Frische um. So gibt es hier die wohl großartigste Splitscreen-Sequenz zu sehen, für die je ein Bildschirm geteilt wurde. Eine Musicaleinlage, normalerweise ein klarer Kopfschüttler, wird sowas von charmant aus einem goldenen Kelch der Lebensfreude über den Zuschauer gegossen (und ist dabei kein Zehntel so kitschig, wie sich das anhört), dass man das dumm-dämliche Grinsen, welches einen von Anfang an begleitet, spätestens hier nicht mehr aus dem Gesicht bekommt.
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Wo andere Filme des Genres jede ohnehin schon blankstehende Offensichtlichkeit noch in alle Richtungen platt walzen sind es bei „(500) Days of Summer“ vor allem auch die Tage, die ausgespart bleiben, schließlich zeigt der Film nur einen Bruchteil der 500. Aber der Ein- und Wiedereinstieg in jeden Gemütszustand, den Tom und Summer in sprunghaftem Wechsel durchlaufen, gelingt mit Joseph Gordon-Levitt und Zooey Deschanel auch ohne, dass dafür alles zu sehen sein müsste. Gordon-Levitt ist mit jedem Millimeter Mimik ein Musterbeispiel für die Wandlung vom Kinderstar zum Charakterdarsteller, vom Serienakteur zum Leinwand-Leader. Tom wird durch ihn in jeder Phase sympathisch, einfach weil Gordon-Levitt hier ein solches Gefühlsspektrum überzeugend offen legt, dass sich selbst eine Marmorstatur in ihm wiederfinden könnte. Zooey Deschanel… ja ja, Zooey Deschanel… Zooey „wie sinnlich kann ein Name und wie groß können Augen eigentlich sein“ Deschanel bleibt in ihrer rätselhaften „ich erwidere deine Küsse, deine Liebe aber nicht“-Haltung zwar irgendwie unberührbar, aber der am Anfang des Films aus dem Off beschriebene Summer-Effekt des völlig von ihr verzaubert werden ist auch ein Zooey-Effekt. Das Rund dieser riesigen Augen scheint weder Ecken noch Kanten zu kennen und wenn Summer diese zuhauf offenbart ist man davon genauso mitgenommen, verwirrt und verletzt, wie Tom es ist.
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It’s bitter, it’s sweet, it’s everything in between and all the little things in life you‘d wish you‘ve never seen. „(500) Days of Summer“ bietet eine begeisternde Fülle witziger und tragischer Einfälle, ohne dass der Film sich und seine Geschichte damit ständig selbst zu überflügeln versucht. Alles harmoniert miteinander, ob Zeichentrickvogel, französisches Kunstkino, Ringo Starr, Interviewfetzen… *(31) Tom und Summer treffen sich am Kopierer. Versuchen sich anzusehen, ohne hinzusehen. Dann kommt Summer auf Tom zu. Und küsst ihn und sie umarmen sich. Während die Maschinen um sie herum die Unterlagen vervielfältigen haben sie etwas Einzigartiges. Ein Kuss ist nie eine Kopie. Immer ein Original.* Die Erzählform ist also längst nicht das einzig Frische an „(500) Days of Summer“, schön ist aber zu sehen, dass gerade sie nicht doch wieder dem Konventionellen geopfert wird, wie es viele Filme wahrscheinlich nach der Hälfte getan hätten, wenn üblicherweise der Überdruss ob der eigenen Originalität einsetzt. Aber was sollen eigentlich diese ständigen Vergleiche?, fragte sich der Autor dieser Worte. Was soll überhaupt dieses ganze Gerede?, dachte er sich. Manchmal, überlegte er, muss es doch genügen, nur eine einzige Sache zu sagen. Und zwar genau diese: „(500) Days of Summer“ ist einfach toll. Ach und der Soundtrack ist auch toll! Ach und…
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kompletter Review siehe: http://christiansfoyer.wordpress.com/2010/03/18/review-500-days-of-summer/