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    Ed Wood
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ed Wood
    Von Stefan Ludwig

    Ed Wood hängt der Titel des „schlechtesten Regisseurs aller Zeiten“ nach, der ihm 1979 in dem Buch „The Golden Turkey Awards“ verliehen wurde. Sein Leben lang glaubte er, Künstler zu sein. Er verglich sich mit Orson Wells (Citizen Kane) – wurde jedoch vom Publikum nur belächelt und von Produzenten kaum ernst genommen. Seine gesamte Karriere kämpfte er mit Geldproblemen, später driftete er in Alkoholsucht ab und starb früh im Alter von 54 Jahren an einem Herzinfarkt. Tim Burton nahm sich dem ambivalenten Thema an und drehte komplett in Schwarz-Weiß die humorvolle Tragikomödie „Ed Wood“. Er zeichnete damit sowohl die Tragik des gescheiterten Regisseurs nach, verzichtete aber nicht darauf, den Zuschauer dabei mit der „Beschaffungskriminalität“ der Hauptfigur zu unterhalten. Der Film erhielt zwei Oscars und einen Golden Globe in der Kategorie „Beste Komödie/Musical“.

    Der Inhalt ist der wesentliche Teil der „Karriere“ Ed Woods: Die Entstehung der Filme „Glen Or Glenda“ (1953), „Bride Of The Monster“ (1955) und „Plan 9 From Outer Space“ (1959). Letzterer erlangte nach dem Tod des Regisseurs einen gewissen Kultstatus. Ed Wood (Johnny Depp) hat schwer damit zu kämpfen, Geld für seine Filme aufzutreiben. Seiner Freundin Dolores (Sarah Jessica Parker) kann er nur schwerlich ein angenehmes Leben bieten. Seine Filme basieren sehr stark auf Improvisation, jede Szene dreht er ohne Probe und nur einmal. Es gelingt ihm von Trashfilmproduzenten Finanzierungsmittel aufzutreiben, später findet er Geldgeber bei einer Baptistenkirche und einem Fleischgroßhändler. Mit dessen Vorgaben für die Besetzung ist Ed Wood allerdings ganz und gar nicht einverstanden.

    In „Glen Or Glenda“ widmet er sich einem Teil seines eigenen Lebens: dem Transvestismus. Ed Wood war dafür bekannt, dass er häufig Frauenkleidung trug, er selbst behauptete im zweiten Weltkrieg mit Damenunterwäsche gekämpft zu haben. Auch am Set lief er bevorzugt in Angora-Wäsche oder –Pullovern umher. Die Eröffnung dieser Vorliebe zeichnet Tim Burton so simpel und lebensnah wie genial; wie Johnny Depp völlig glaubwürdig in Frauenkleidung und Perücke dasteht, ist sehenswert. Ed Wood beschäftigte den abgehalfterten Dracula-Schauspieler Bela Lugosi (Martin Landau), eine Stummfilmlegende. Ihm ist egal, dass der mittlerweile morphiumsüchtig ist und der Großteil Hollywoods ihn für verstorben hält. Seine Schauspieler engagiert er bevorzugt ohne Gage, so gewinnt er auch die ehemalige TV-Horror-Ansagerin Vampira (Lisa Marie) erst nach ihrem Karriereende.

    Tim Burton gelingt es, Ed Wood als einen faszinierenden Charakter zu zeichnen. Seinen puren Idealismus gibt er trotz herber Enttäuschungen nie auf, er glaubt fest an sich – im Grunde eine Eigenschaft, die man vielen Menschen wünschen sollte. Das ist einer der interessantesten Punkte an „Ed Wood“. Keine Rolle dagegen spielt das reale Ende von Ed Wood: Der widmete sich im letzten Drittel seiner Karriere schlechten Soft- und Hardcorepornos und verlor seinen Idealismus offenbar an den Alkohol. „Plan 9 From Outer Space“ avancierte später zum Kultfilm, eben wegen seines unglaublichen Trashcharakters und der Auszeichnung im oben genannten Buch als „schlechtester Film aller Zeiten“. Die in allen Filmen von Wood gegebene Inszenierung per Improvisation hat zudem Seltenheitscharakter. Welcher Regisseur würde schon freiwillig selbst misslungene Szenen nicht erneut drehen, in denen Kulissen umfallen oder Schauspieler gegen Türen laufen?

    Ed Wood rekrutierte seine Besetzung meist aus dem Bekanntenkreis, mit Bela Lugosi freundete er sich an und führte mit ihm bald ein Verhältnis wie Vater und Sohn. In Tim Burtons Biographie wird dieser von Martin Landau verkörpert, der dafür zu Recht einen Oscar erhielt. Mit packender Intensität zieht er den Zuschauer in jeder Szene in den Bann, wenn er im Film spielt, ist er unberechenbar, im Privatleben agiert er verflixt ausgeflippt. Lisa Marie gibt eine sexy Performance als Vampira, die stets mit einem Augenzwinkern gespielt zu sein scheint. Sarah Jessica Parker passt ideal in die Rolle der eingeschnappten Freundin des erfolglosen Regisseurs. Über allem steht natürlich Johnny Depp in der Hauptrolle. Er geht völlig auf in dieser Figur des leicht verrückten Hollywood-Losers, in jeder Sekunde ist ihm der Idealist abzunehmen.

    Interessant ist natürlich die Entscheidung Tim Burtons, den Film in Schwarz-Weiß auf die Leinwand zu bringen. Das erweist sich als vollkommen richtig: Damit schafft der Film spielend, an Trash-Filme der 50er Jahre zu erinnern. Genau das richtige Ambiente für das Thema, das ist schließlich auch in dieser Zeit angesiedelt. Und eng damit zusammen hängt auch der Oscar für das Make-Up: Das tritt hier besonders in den Vordergrund, da die Schauspieler mit stark hell geschminkten Gesichtern spielen. Die farblosen Konturen kommen bestens zum Vorschein, was der Mimik einen besonderen Charakter verleiht. Nicht zuletzt nimmt der Film übrigens ein Grundprinzip Hollywoods auseinander: Wer sich und seine Arbeit zu präsentieren weiß, hat Erfolg – oft unabhängig von der Qualität. Somit schaffte Tim Burton 1994 ein ganz besonderes Biopic, das mit einer interessanten und ungewöhnlichen Geschichte zu faszinieren weiß.

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