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    William Shakespeares Romeo & Julia
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    William Shakespeares Romeo & Julia
    Von Robert Kock

    Kaum eine andere Liebesgeschichte wurde so oft auf die Kinoleinwand gezerrt wie die von Romeo und seiner Julia. 1597 veröffentlicht, erfährt sie fast genau 400 Jahre später eine neue Dimension in Baz Luhrmanns Verfilmung „William Shakespeares Romeo + Julia“. Er macht aus der Tragödie ein postmodernes, bildgewaltiges Feuerwerk der Extraklasse, ohne dabei den Blick auf das Original zu verlieren.

    Die Geschichte dieser tragischen Liebe kennt wohl jeder: Romeo (Leonardo DiCaprio), der Sohn der Montagues, verliebt sich auf einem Ball im Hause Capulet in Julia (Claire Danes), die Tochter der gegnerischen Familie. Ohne das Wissen ihrer Eltern wollen sich die Verliebten vermählen und hoffen so, den ewigen Streit der beiden Häuser zu schlichten. Doch dann wird Romeos Freund Mercutio (Harold Perrineau) von Tybalt (John Leguizamo), dem Cousin der Julia, getötet, woraufhin Romeo Tybalt tötet. Um seiner Strafe zu entgehen, flieht Romeo nach Mantua und will dort ausharren, bis sich die ganze Sache beruhigt hat. Doch inzwischen soll Julia auf Drängen ihrer Eltern mit dem einflussreichen Grafen Paris (Paul Rudd) vermählt werden. Um der Hochzeit zu entgehen, bekommt sie von Pater Laurence (Pete Postlethwaite) einen Trank verabreicht, der sie vorübergehend in einen todesähnlichen Zustand versetzt.

    Was dem Zuschauer an Luhrmanns Film sofort auffällt, ist die moderne Inszenierung, die mit großen, bunten Bildern und schnellen Schnitten aufwartet und streckenweise wie eine Mischung aus Filmtrailer und Musikvideo anmutet. Der Handlungsort wird kurzerhand von Verona nach Verona Beach verlegt, eine moderne, fiktive Küstenstadt in (Süd-)Amerika und die verfeindeten Familienoberhäupter sind mächtige Unternehmer. Die Lichter der Großstadt mischen sich mit den Punkoutfits der 90er Jahre, alles ist laut und schrill. Das hilft der Geschichte in den richtigen Momenten die Tragik und Dramatik zu entfesseln, auf die sie sich ja seit jeher beruft. Dennoch gelingt es dem Film, sich nicht im Bilderrausch zu verlieren. Die Liebesszenen sind leise und fast schon unerträglich romantisch, ohne jedoch kitschig zu wirken. Als Romeo und Julia sich im Hause der Capulets zum ersten Mal begegnen, trällert die Sängerin Des’ree, die sich in dieser Szene selbst spielt, ihr wundervolles „Kissing You“, während sich die beiden Verliebten näherkommen. Ebenso hinreißend ist die berühmte Szene, in der Romeo am Balkon von Julias Zimmer seine Liebe gesteht. Die Poesie und Magie dieser Momente fängt der Film perfekt ein, was nicht zuletzt der herausragenden Leistung der beiden Jungschauspieler Claire Danes (Die Familie Stone, Igby, Terminator 3) und Leonardo DiCaprio (Departed: Unter Feinden, Blood Diamond, Aviator) zu verdanken ist. Auf der Leinwand harmonieren sie traumhaft miteinander und schaffen es, die unschuldige Jugendliebe zum Leben zu erwecken. Angeblich war DiCaprios Interpretation des Romeo so gut, dass er Claire Danes einmal zum Weinen brachte und fast eine Szene ruinierte.

    Ein wichtiger Aspekt des Films ist die Tatsache, dass er sich sehr eng an das Originalstück anlehnt und so zum Beispiel weite Teile der Sprache eins zu eins übernimmt. Die lyrischen Bilder und die Dramaturgie bleiben erhalten und werden in die moderne Version integriert. So ist Verona Beach eine dreckige, südamerikanische Großstadt und „Ted“ Monatgue ein reicher Bauunternehmer, der mit seiner Gattin nicht in der Kutsche, sondern in der schwarzen Limousine vorfährt. Besonders cool sind dabei die Schwerter, die im Film durch modifizierte 9-Millimeter-Pistolen und Gewehre mit Gold- und Keramikverzierungen und den Wappen der Familien dargestellt werden. Und wie die Schwerter zu Shakespeares Zeiten werden sie von den Charakteren nun eingesetzt, um ihre Streitigkeiten zu regeln. Die Kämpfe werden so, in Anlehnung an die Duelle mit dem Degen, zu einem ästhetischen Ballett auf der Leinwand. In Verbindung mit den Originaltexten („Suchen sie Streit, Sir?“ „Streit, Sir? Nein, Sir“) entsteht dabei schon fast eine eigene Kunstform.

    Der Film ist der zweite Teil von Baz Luhrmanns inoffizieller „Red Curtain“-Trilogie, zu der auch der Tanzfilm „Strictly Ballroom“ von 1992 und der spätere Moulin Rouge (2001) gehören. Ein besonderes Element dieser Filme ist die Musik. So verwundert es nicht, dass der Soundtrack zum Film genauso ungewöhnlich ist wie die Umsetzung selbst. Moderner Rock und Pop, von den Cardigans bis hin zu Radiohead, wechseln sich mit Gospelsongs und epischem Orchestralsounds ab. Die musikalische Untermalung drängt sich oft in den Vordergrund und ist im Wechselspiel mit den schnellen Bildfolgen ein wichtiges dramatisches Element. Die CDs waren dann auch ebenso erfolgreich wie der Film selbst. Nach der Ankündigung noch von vielen Kritikern belächelt (Wer will denn schon die hundertste Version von dem alten Liebespaar sehen?), erwies sich der Film schnell als Kassenschlager und spielte 46,5 Millionen Dollar ein.

    Fazit: Mit seinem Film hat Baz Luhrmann eine kolossale 90er-Jahre-Pop-Oper kreiert, die den Klassiker erfrischend neu interpretiert und den Deutschlehrern dieser Welt zeigt, wie man Teenies für Shakespeare begeistern kann. Die Bilderflut wechselt sich mit langsamen, romantischen Szenen ab, wodurch eine Dynamik erzeugt wird, an der sich manch ein Hollywood-Action-Streifen ein Beispiel nehmen sollte. Das ist denn auch der einzige kleine Wermutstropfen: die Inszenierung an sich. Denn diese Hektik verbunden mit den jambischen Versen Shakespeares sind wahrscheinlich nicht jedermanns Sache. Allen anderen steht hier ein Film ins Haus, der noch lange nachwirkt.

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