Den Franzosen muss irgendwer in die Suppe gespuckt haben – und das können nicht erst die Niederländer und Italiener bei der Fußball-EM 2008 gewesen sein. Denn bereits seit mehreren Jahren rächt sich unsere Nachbarnation an den Filmzuschauern und präsentiert immer wieder Horrorfilme, die den Härtegrad des Genres stetig weiter ausloten. Vorreiter dieser französischen Kompromisslosigkeit war Alexandre Aja, der in seinem Kulthit High Tension massenhaft Kunstblut verschüttete. Nachdem Aja den Sprung nach Übersee geschafft und dort für das erfolgreiche Horror-Remake The Hills Have Eyes verantwortlich gezeichnet hat, ermöglicht er nun als Produzent einem seiner Landsmänner das mit US-Geldern finanzierte Regiedebüt. Franck Khalfouns in New York spielender „P2 – Schreie im Parkhaus“ ist jedoch fast schon ein klassischer Psycho-Thriller, der nur schwerlich in Verbindung mit Ajas Gewaltausbrüchen gebracht werden könnte, wären da nicht die wenigen wohldosierten Gore-Szenen, die „P2“ für zartbesaitete Zuseher nur schwer goutierbar machen.
Dabei beginnt alles eigentlich recht harmlos. Am Weihnachtsabend will Angela (Rachel Nichols, „Alias“) nach einem anstrengenden Arbeitstag fix nach Hause zu ihrer Familie fahren, um dort das Fest der Liebe zu verbringen. Dummerweise springt ihr Auto nicht an und in der mehrstöckigen Tiefgarage des Bürokomplexes befindet sich mittlerweile keine Menschenseele mehr. Einzig der komische Parkwächter Tom (Wes Bentley, Die vier Federn, Ghost Rider) ist noch da, aber auf dessen Hilfe kann Angela getrost verzichten. Doch dann wird ihr plötzlich schwarz vor Augen und das nächste, was sie wahrnimmt, ist ein weihnachtliches Festmahl im Aufsichtsraum des Parkwächters, der sie in eine stilvolle Abendgarderobe gehüllt und an einen metallenen Tisch gekettet hat…
Auf den ersten Blick erscheint das von Khalfoun, Aja und Grégory Levasseur verfasste Drehbuch zu „P2“ wie eine punktgenaue Ausreizung der altbekannten Genregrenzen. Das Handlungsgerüst ist auf ein zweckmäßiges Minimum reduziert, die Figurenzeichnung schnörkellos und selbst die Handlungsweise der Figuren über weite Strecken logisch und nachvollziehbar. Zudem verkommt Khalfouns Regiedebüt, obgleich man es bei den Verantwortlichen hätte vermuten können, nie zu einer Schlachtplatte. Sicherlich geht auch der psychopathische Tiefgaragenwächter nicht zimperlich zur Sache, worunter insbesondere der Schädel einer eigentlich unbeteiligten Figur zu leiden hat, dennoch sind die gewalttätigen Szenen in „P2“ zu keinem Zeitpunkt derart bluttriefend wie beispielsweise in High Tension. Anstelle dessen baut das Drehbuch fast ausschließlich auf die unheimliche Atmosphäre des Handlungsortes. Der begrenzte Spielraum wird über weite Strecken gut genutzt und insbesondere gekonnt mit dem menschlichen Angstgefühl in Parkhäusern gespielt. Die verlassenen, verriegelten und bis auf die Notbeleuchtung abgedunkelten Gänge der Tiefgarage werden hierzu beklemmend in Szene gesetzt.
Diese Pluspunkte revolutionieren sicherlich nicht das Thriller-Genre, sie überzeugen aber zumindest soweit, dass man dem Film die zu Beginn häufig eingesetzten, „überraschenden“ Schockmomente getrost verzeihen kann. Doch wie schon bei High Tension, an dem die gleichen Drehbuchautoren beteiligt waren, geht auch „P2“ im Finale die Puste aus. Das Psychoduell zwischen Opfer und Entführer, welches vor allem zu Beginn von guten Dialogen getragen wurde, artet schließlich in eine überlange Verfolgungsjagd quer durch die Stockwerke der Tiefgarage aus. Neue Erkenntnisse kommen hinzu, die das vorherige Verhalten der Figuren in Frage stellen. Und schlussendlich geht dem Film die Spannung vollends aus, weil die Hatz durch die Tiefgarage schlichtweg zu lang ausgekostet wird.
Ärgerlich ist diese finale Schwäche insbesondere, weil die beiden Hauptdarsteller ihren Figuren über weite Strecken glaubhaft Leben einhauchen. Rachel Nichols Auftritt wird zwar überwiegend von ihrem nach Aufmerksamkeit haschenden Dekolleté geprägt, jedoch versteht sie auch ihre Rolle als psychisch Terrorisierte nachvollziehbar zu vermitteln. Dagegen kann Wes Bentley als gegen den Strich besetzter Psychopath nur bedingt überzeugen. In den ruhigen Momente erinnert Bentley sicherlich an die viel versprechenden Qualitäten, die er in seinem Durchbruchsfilm American Beauty offenbarte – vor allem im Finale wirkt sein Auftritt aber zeitweise zu überstrapaziert und überdreht, so dass die unheimliche Ausstrahlung, die der ruhige Sonderling zuvor aufbauen konnte, wieder zerstört wird.
Selbst wenn man diese negativen Aspekte berücksichtigt, kann „P2“ unter dem Strich noch als zufrieden stellende Abendunterhaltung gewertet werden. Wäre da nicht die „altbekannte“ Schwäche Ajas, einen Film befriedigend zu beenden, hätte Khalfoun seine Karriere hinter der Kamera gleich mit einem gelungenen Genrefilm eröffnen können. So wird der vor allem in der zweiten Filmhälfte standardisiert wirkende „P2 – Schreie im Parkhaus“ leider nur wegen einer herrlich fies-intelligenten Aufzugszene in Erinnerung bleiben.