Und, worum geht es in dem Film? Die Antwort auf diese ohnehin problematische Frage wird in Bezug auf „Lars und die Frauen“ zwangsläufig für ein Schmunzeln sorgen. Da geht es nämlich um den liebenswerten Einzelgänger Lars (Ryan Gosling, Das perfekte Verbrechen, Stay), der seinem Bruder Gus (Paul Schneider, Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford) und dessen Frau Karin (Emily Mortimer, Match Point) als neue Freundin eine lebensgroße und –echte Sexpuppe vorstellt. Bianca soll sie heißen und von nun an Lars‘ treue Begleiterin sein. Bruder und Schwägerin sind zunächst verwirrt bis abwehrend, stellen aber bald fest, dass es Lars absolut ernst ist. Dieser hat sich in eine Wahnvorstellung vergraben und ist tatsächlich davon überzeugt, dass Bianca real ist. Regisseur Craig Gillespie umschifft die in dieser Ausgangssituation angelegte Lächerlichkeit mit einer sensiblen Inszenierung. So wird aus „Lars und die Frauen“ kein abgeschmackter, billiger Klamauk, sondern eine kleine, unaufgeregte Tragikomödie mit einem feinen Gespür für Menschlichkeit.
In den ersten Filmminuten wird Lars als schüchterner, in sich zurückgezogener Sonderling charakterisiert. Er lebt über der Garage seines Elternhauses, das von Gus und Karin bewohnt wird und in einer kleinen, typisch amerikanischen Kleinstadt liegt. Die Flirtversuche seiner neuen Arbeitskollegin – Lars hat einen tristen Bürojob – wehrt er überfordert und erschrocken ab. Gus und Karin beginnen sich schon Sorgen um das Familienmitglied zu machen, als Lars plötzlich mit Bianca aufkreuzt. Er stellt sie als dänisch-brasilianische Missionarin vor, die sich in den USA ein wenig erholen will und im Rollstuhl sitzt (als Sexpuppe kann sie natürlich nicht laufen). Von der Situation überfordert und um Lars‘ Geisteszustand bangend, suchen Gus und Karin Hilfe bei der Ärztin Dr. Dagmar (Patricia Clarkson, Dogville, Good Night, And Good Luck), die den beiden empfiehlt, bei der Einbildung mitzuspielen – nur so könne Lars geholfen werden. Bald wird die ganze Stadt auf die kuriose Lage aufmerksam und die Bewohner beteiligen sich auf ihre Art und Weise an Lars‘ Genesung: Sie laden Bianca zum Essen ein, kaufen ihr Kleidung und schneiden ihr die Haare – selbst am sonntäglichen Gottesdienst darf die Sexpuppe teilnehmen. Doch es dauert nicht lange, bis Lars diese Zuwendungen über den Kopf wachsen und er um die Liebe seiner Freundin zu bangen beginnt.
Regisseur Craig Gillespie hat sich zunächst in der Werbebranche einen Namen gemacht, bevor er mit der Komödie Mr. Woodcock (mit Billy Bob Thornton und Susan Sarandon) sein Regiedebüt gab. „Lars und die Frauen“ ist sein zweiter Spielfilm und lässt sein großes Gespür in Inszenierungsfragen deutlich werden. Wie eingangs erwähnt, gelingt ihm das Kunststück, das Absurde der Bilder nicht zum Schauwert zu degradieren. Im Gegenteil: Es dauert nicht lange und der Zuschauer nimmt ohne Distanz an den Problemen teil und plötzlich ist es egal, dass Lars ja „nur“ eine Puppe liebt. Dass dieses Vorhaben gelingt, liegt ganz wesentlich an Hauptdarsteller Ryan Gosling, der Lars mit einem liebenswerten Charme besetzt und dem Betrachter die Identifikation deutlich leichter macht. Die unaufgeregte Inszenierung tut das Übrige: Gillespie nimmt sich Zeit den Figuren näher zu kommen, verzichtet auf platte Gags und arbeitet stilistisch – obwohl er aus der Werbung kommt – sehr sparsam und ohne große Effekte. Es gibt keine hektischen, schnellen Entwicklungen oder wilde Schnittpassagen; die Konflikte arbeiten eher unter der Oberfläche, hinter den langen Einstellungen und treffsicheren Dialogen, wodurch sich dem Zuschauer Raum zum Denken und Mitfühlen bieten.
Neben dem hervorragend agierenden Ryan Gosling leisten auch die übrigen Darsteller, vor allem Patricia Clarkson als Dr. Dagmar, eine gute Performance. Ihnen allen gelingt es, in Angesicht einer lebensgroßen Puppe von den Zuschauern ernst genommen zu werden.
Die Stärke von „Lars und die Frauen“ wird ganz besonders deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, was aus dem Film alles hätte werden können, denn die Geschichte birgt sozusagen die Steilvorlage für eine flache Komödie, deren Humor unter der Gürtellinie angesiedelt ist, in sich. Aber das bleibt dem Betrachter völlig erspart; ihm wird eine reichlich ungewöhnliche, menschliche romantische Komödie geboten, die mit kleinen Gesten, großartigen Schauspielern und einer klugen filmischen Umsetzung arbeitet, ohne dabei langweilig oder gar belanglos zu werden. Craig Gillespie macht deutlich, dass es beinahe egal ist, was erzählt wird, sondern dass es vor allem darauf ankommt, wie erzählt wird; und dass ein wahrhaft „filmischer“ Film seinen Inhalt in erster Linie durch die Inszenierung kommuniziert. Und genau das macht die „Worum geht es“-Frage – unabhängig von „Lars und die Frauen“ – so problematisch.