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    Possession - Die Angst stirbt nie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Possession - Die Angst stirbt nie
    Von Robin Eichelsheimer

    Die Veröffentlichung von „Possession" stand unter keinem guten Stern: Ursprünglich sollte das amerikanische Remake des südkoreanischen Thrillers „Jungdok" schon im Frühjahr 2008 in die Kinos kommen, doch wegen finanzieller Probleme des Verleihs Yari Film Group wurde der Start immer weiter nach hinten verschoben. Nach angekündigten, aber nicht eingehaltenen Erscheinungsterminen im Januar, März, April und Mai 2009 musste die in immer weitere Ferne gerückte Kinoauswertung schließlich verworfen werden. Erst fast ein ganzes Jahr später, im März 2010, brachte Ascot Elite den Film der beiden schwedischen Regisseure Joel Bergvall und Simon Sandquist in Deutschland wenigstens auf DVD heraus. Wer sich fragt, warum sich in der langen Zeit kein anderer Verleih gefunden hat, dem gibt der Film selbst eine relativ simple Antwort: Der lahme Thriller, in dem nie so recht Spannung aufkommen mag, strotzt nur so vor erzählerischer Unentschiedenheit, so dass seine Kinotauglichkeit von durchaus angezweifelt werden darf.

    Jess (Sarah Michelle Gellar) hat mit Ryan (Michael Landes) einen sensiblen und liebevollen Ehmann an ihrer Seite, der seine handwerklichen Fähigkeiten auch gerne dazu nutzt, um für seine Angebetete kunstvolle Tonfiguren zu basteln. Ganz anders verhält es sich da mit Jess‘ Schwager Roman (Lee Pace). Der vorbestrafte Rumtreiber ist das genaue Gegenteil seines Bruders und wohnt - zum Unmut von Jess - vorübergehend mit im ehelichen Heim. Als Roman ein Gespräch des Paares über die „unglückliche" Wohnsituation belauscht, verlässt er am nächsten Tag ohne ein Wort das Haus. Auf der Golden-Gate-Bridge werden die Brüder schließlich in einen schrecklichen Autounfall verwickelt. Die Folge: Beide liegen im Koma. Nach mehreren Monaten erwacht Roman plötzlich – und hält sich für Ryan. Und nicht nur das. Er benimmt sich wie sein Bruder und weiß Dinge über dessen Liebe zu Jess, die wirklich nur Ryan wissen kann. Mehr und mehr fühlt sie sich zu dem vertrauten Fremden hingezogen, doch sie wird das Gefühl nicht los, dass etwas Böses sie umgibt...

    Was als Grundkonstellation für einen Mystery-Thriller theoretisch durchaus spannend anmutet, entpuppt sich in der praktischen Umsetzung als herbe Enttäuschung. Nach der prägnanten, wenn auch stereotypen Einführung der Figuren und Romans Erwachen aus dem Koma dümpelt die Handlung lange Zeit ohne nennenswerte Höhepunkte vor sich hin – von Weiterentwicklung der Charaktere und Vorantreiben des Plots keine Spur. Dabei sind in der Geschichte viele interessante Themenansätze zu finden, aber Aspekte wie das Verhältnis von Zweifel und Vertrauen oder die Trauer um geliebte Menschen werden von Drehbuchautor Michael Petroni entweder sehr oberflächlich oder nicht nachvollziehbar behandelt. So sieht Jess unverständlich schnell über das Äußere des ehemals gehassten Schwagers hinweg und findet sich auch sonst erstaunlich zügig mit der neuen Situation ab. Ihre Gefühle bleiben stets nur behauptet, hier fehlt es schlichtweg an Glaubwürdigkeit und auch der viel zu offensichtlich geratene Schlusstwist sorgt eher für Verärgerung als für ein spannendes Filmerlebnis. Das ist auch deshalb bedauerlich, weil die beiden Regisseure immer wieder schöne symbolische Bilder für das Element der Seelenwanderung finden und dem sonst eher drögen Film so punktuell eine angenehm düstere Atmosphäre verleihen. Dazu eröffnen sie verschiedene Deutungsmöglichkeiten, die auf der Handlungsebene allerdings wenig Anknüpfungspunkte finden.

    Das größte Manko ist die Unentschlossenheit der Erzählung, sie schwankt immer wieder zwischen ganz unterschiedlichen Genres und wird dabei keinem ganz gerecht. Für einen funktionierenden Mystery-Thriller sind die übernatürlichen Elemente zu wenig entwickelt, für einen echten Thriller fehlen die lebensbedrohliche Gefahr und die Spannung, für ein Drama ist die Figurenzeichnung zu eindimensional - diese Unausgewogenheit findet ihre Entsprechung in einem holprigen Erzählrhythmus. Die Unentschiedenheit der Filmemacher wird auch durch die DVD-Extras noch einmal deutlich unterstrichen. Ein alternatives Ende rückt die gesamte Geschichte in ein völlig anderes Licht. Und während die unterschiedlichen Ansätze, die sich in den beiden verschiedenen Auflösungen zeigen, für sich genommen grundsätzlich vielversprechend sind, führt ihre unstrukturierte Vermischung nur zu Konfusion und Beliebigkeit: Allzu viele Elemente, die sich noch in der endgültigen Version wiederfinden, ergeben dort nur wenig Sinn - sie entpuppen sich als Überreste und Bruchstücke der angedachten Alternativfassung und somit als Stationen auf dem Weg zu einem ganz anderen Ziel.

    Fazit: In „Possession" wird einer eigentlich guten Ausgangsidee im Filmverlauf mit weitgehend spannungs- und überraschungsfreiem Stillstand der Garaus gemacht. Der ein oder andere gelungene Regieeinfall verpufft letztlich angesichts eklatanter Drehbuch-Schwächen, es fehlt jede erzählerische Konsequenz und auch bei der Charakterzeichnung wird nur an der Oberfläche gekratzt - das Remake von „Jungdok" ist und bleibt eine Kopfgeburt, die lediglich auf dem Papier Spannung verspricht.

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