Der wohl umstrittenste Versuch, ein Kultfranchise neu und modern zu beleben fiel dem nicht minder umstrittenen Actionregisseur (MI:3) und Serienerfinder(Alias/LOST/Fringe) J.J. Abrams in die Hände, der selbst beteuerte, eher ein Star Wars-Fan gewesen zu sein, die Charaktere der Enterprise aber interessant genug zu finden, um eine eigene Version gestalten zu wollen. Seine erst zweite Filmregiearbeit „Star Trek – Die Zukunft beginnt“ sollte den Spagat zwischen einem fanreichen 40-jährigen Kultuniversum und dem modernen Mainstreamkino schlagen um die Marke wieder wirtschaftlich für Paramount zu etablieren. Auf einer Seite diskutieren Trekkies darüber, wie viel Neuinterpretation, Modernisierung und Canonwiderspruch ein Trekfilm haben darf, um sich noch so nennen zu dürfen, auf der Anderen fragen sich Unkundige, ob sich ein Blick in das komplexe aber auch angestaubte Trekuniversum für sie eigentlich noch lohnt.
Eins sei objektiv vorweggenommen: Star Trek ist DER erste Unterhaltungsblockbuster des Jahres. Er macht einfach Spaß und ist ein audiovisuelles Erlebnis. Ich mag Popcornkino und denke, auch Star Trek kann diese Seite zeigen. Als bekennender Trekkie muss ich jedoch auch ein paar Abzüge machen. Hassen oder Lieben ist dabei die Frage. Bevor wir yeah! oder buh! rufen, sollte man sich die Details anschauen und dann abwiegen, was einem wichtig ist und was nicht, denn selbst Alttrekkies kommen hier und da auf ihre Kosten.
Da ist die Handlung, welche Wochen und Monate vorher schon bekannt und diskutiert wurde. Und ja, wie befürchtet gibt es keine große sozialkritisch, moralisch, politische oder intellektuelle Thematik wie in Trekhochzeiten. Es gibt keine Kontroverse von Picard über Ethik, keine klingonischen Shakespearzitate und keine philosophische Shatnerfragen wie „Braucht Gott ein Raumschiff?“. Ankreiden kann ich dies diesem Film aber nicht, denn als Originstory a la Batman Begins, die die Zusammenkunft der Crew und den Beginn einer neuen Trekära zugleich darstellen soll ist der Film ohnehin schon mit unzähligen Figuren und einer charakterbezogenen Geschichte so sehr bis zum Rand gefüllt, dass dafür einfach kein Platz mehr wäre und das Fass überschwappen würde, wenn man noch mehr reinbaut (aber in Teil 2 vielleicht?). Zu viel muss oder will einfach erzählt und eingeführt werden, ehe die eigentliche Geschichte ihren Lauf nimmt. Auch kein Wunder, denn wie bringt man ein so komplexes Universum neuen Zuschauern bei, die kein Vorwissen besitzen? Eben, mit Unterhaltung statt Anspruch. Die Geschichte ist zugegeben einfach, linear und lässt keine Langeweile aufkommen, kleinere Logiklöcher gibt es aber wie in jedem Science-fictioner. Wobei ich mich frage, ob sie denn nicht manchmal auch von den Autoren gewollt sind. Z.B. sind mal wieder nur die üblichen Verdächtigen als einzige zu stelle, um den Tag zu retten, Kirk trifft zufällig auf den alten Spock, Rothemden dienen lediglich als Kanonenfutter und andere glückliche Zufälle passieren. War das nicht immer so? Die Vulkanier haben also all ihre Raumschiffe auf Expedition in den Tiefenraum geschickt, und können sich dank Wartungsarbeiten an den orbitalen Verteidigungsanlagen nicht selbst wehren. Und die Sternenflotte hat Betriebsversammlung und nur eine Lehrschiffflotte abflugparat. Kann ich als Selbstironie akzeptieren, denn in 40 Jahren Star Trek haben wir schon weit Abstruseres gesehen. So verwundert auch eine wirre Zeitreiselogik oder das Durchfliegen von schwarzen Löchern nicht, waren solche Geschichten schon immer Teil der Enterprise.
Die Action ist atemberaubend inszeniert, verkommt aber nicht wie in Transformers zum Selbstzweck sondern führt stets handlungstechnisch von A nach B. Die temporeiche Inzinierung auf aktuellem Kinotrend gibt dabei jedoch auch genügend Raum für die Charaktere, die ohnehin den Film tragen (müssen/sollten). Und so packt der Film in erster Linie weder mit Schauwerten noch mit philosophischem Anspruch den Zuschauer sondern mit dem ureigensten Trek-Wert: Den Kulthelden
Und die sind besser aufgelegt wie eh und je.
Charakterzeichnung ist eine der Stärken, die Abrams vielleicht aus seinem TV Werk Lost übernommen hat, auch ein zweiter Punkt ist übernommen:
Die fiesen Storytwists.
Und hier heißt es wieder für Fans: Lieben oder Hassen. Ich gehöre zu Ersterem, denn genau diese ermöglichen einen völlig neuen Ausgangspunkt für neue Abenteuer des angestaubten Franchises. Und wenn Nero, dieser fiese Bastard, die Schicksale von Milliarden Bewohnern einer Galaxie per Zeitreise und nur aufgrund wilder Rache von eben auf jetzt auf den Kopf stellt, macht gerade dies ihn nicht zum mächtigsten Trekschurken aller Zeiten?
Damit sind wir bei den Figuren und dem ersten Problem. Nero zündet einfach nicht wie er sollte, nicht weil Eric Bana ihn nicht wirklich gut spielen würde, sondern weil die Figur zu wenig Platz einnimmt. Allein 10 Minuten mehr Laufzeit, die man ihm hätte schenken sollen, hätten einiges verbessert. So aber bleibt viel von seinem Hintergrund unerklärt und man wird auf den dazugehörigen Comic „Star Trek: Countdown“ vertröstet, der übrigens aufschlussreich ist und das wahre Potential der Figur offenbart. Für den Film entschuldigt das aber nicht. Eric Bana hat sichtlich Spaß daran, den besseren Shinzon aus Nemesis zu spielen, bekommt aber ebenso wie dieser im Vorgänger kaum Dialoge und muss sich daher als oberflächigen Rachesuchenden begnügen.
Zur Crew: Viel wurde im Vorfeld bemängelnd, dass die Schauspieler zu jung, zu unerfahren seien, 90210 im All hieß es häufig, aber Abrams hat perfekt gecastet. Jeder macht seine Aufgabe gut und bringt das kultige Trekfeeling in seine Figur. Chris Pine gibt einen typisch draufgängerrischen Kirk, der jedoch noch zu einem disziplinierten Führer reifen muss und irgendwie den Pfad im Leben verloren hat und umgeht mit diesem Schwerpunkt geschickt den Fehler, Shatner imitieren zu müssen. Gleichzeitig bietet er aber ein paar dessen klassischer Posen, wenn er z.B. im Chefsessel sitzt und darf sich shatnertypisch rumprügeln. Ebenso überzeugt Dr.Leonard „Pille“ McCoy (Karl Urban) und bringt den Charme eines DeForest Kelley fast identisch wieder. Er hat den größten Widererkennungswert. Zachary Quinto verleiht dem Logiker Spock mehr Emotionalität, was angesichts der Story aber überraschenderweise passt. Die Zerrissenheit zwischen der vulkanischen Lehre seines Vaters und seiner menschlichen Seite ist gut rübergebracht. Man erahnt, wie er sich für die Logik entscheiden wird, wie wir es kennen und welche inneren Kämpfe auch der Urspock hinter der kühlen Maske einst fochte. Scotty und Chekov sorgen für einige Lacher und überhaupt für die ordentliche Prise obligatorischen Humors, Uhura hat eine reine Quotenrolle, Sulu darf mal seine Nahkampfausbildung zeigen und die Nebenrollen erfüllen alle ihren Zweck.
Den Auftritt Leonard Nimoys als alten Spock hab ich als etwas lau wahrgenommen. Es ist wohl dennoch der emotionalste Moment für jeden Fan, zeigt er doch noch einen Sprung Entwicklung zu früher. Aufgesetzt wirkt das Cameo nicht, vielmehr ist es das wichtige Bindeglied zwischen alter und neuer Trekwelt. Und so ist es schon eine Versöhnung, wenn Oldspock seinem jungen Gegenpol gegenübersteht, nicht nur zwischen Alt und Neu, sondern auch zwischen zwei Generationen. Die Weisheit des Alters bleibt wertvoll und das Potential der Jugend wird von dieser im Idealfall auch erkannt. Nimoy überreicht das Zepter.
Kopien sind die neuen Darsteller zum Glück alle nicht, dazu ein Zitat aus einem Youtubekommentar: “Why i should go watch a movie, where the characters say/do/think what they said/did/though hundred times before? Showing new aspects of them is the only right way. “
Große Charakterentwicklung darf man allerdings nicht erwarten, kann dies nämlich noch A: Inhalt weiterer Sequels werden und B: haben die Figuren eben wegen ihrer Stereotype Kultstatus. In diesem Teil werden sie nur mit ihren Eigenheiten eingeführt.
Über die Special Effects will ich gar nicht viel sagen, weil es nicht viel zu sagen gibt: Erste Sahne! Nie war Science-Fiction optisch so greifbar und atemberaubend. Endlich gibt es Sonnenlicht im All, auch wenn man bei den Lichtspielereien etwas übertrieben hat.
Die Sounddesigner hingegen haben vielleicht sogar eine Oscarnominierung verdient, hier wurde fröhlich und passend rumexperimentiert. Der Soundtrack baut sich gut ein, überrascht aber nicht so sehr wie in den Trailern. Die Trekhymne in den Credits ist selbstredend Pflicht. Die Sets bedürfen Gewöhnung, machen aber meiner Meinung nach Sinn (bis auf den, in vielen Kritiken zu Recht bemängelte Maschinenraum).
Dass einige Abrams immer noch als Gurkenregisseur ansehen, erschließt sich mir nicht. Er weiß, was er tat und blieb konsequent in seiner Vision. Und bis zum kleinsten Schnitt und zur kleinsten Kameraeinstellung ist sein präzises handwerkliches Auge zu erkennen. Dieses richtet sich jedoch an modernes Actionkino, was nicht jedem gefallen mag. Den ein oder anderen Gag hätte man weglassen können um wichtige Szenen, wie das Gespräch Pike/Kirk zu intensivieren. Abrams ist aber ein Mann kurzer Worte, die auf den Punkt kommen anstatt die Figuren lange Diskussionen um den heißen Brei herumführen zu lassen. Den Drahtseilakt zwischen Alt und Neu, zwischen Generationen und zwischen Star Trek des 20. und 21. Jahrhunderts hat er eben so gut gemacht wie es ging. Und das bedarf auch Mut und Konsequenz, den Vorgänger Rick Berman nur zögerlich hatte, weshalb die letzten Jahre das halbneue Konzept von Enterprise und Nemesis nicht aufging. Wenn man ein Franchise aufwühlt, spaltet man auch ein Fandom, sicher, aber ohne diesen Schritt stürbe Star Trek ohnehin bald aus. Mein Lob an J.J. und sein bislang bestes Regieprojekt.
Das Autorenteam Orci und Kurtzman hingegen wollte meiner Meinung einfach etwas zu viel in zu wenig Zeit quetschen. 10-20 Minuten mehr Laufzeit hätte viele Löcher stopfen können und auch ruhigere Momente ermöglicht. Alternativ bestimmte Szenen kürzen. Abwarten, was noch rausgeschnitten wurde. Sie haben sich aber mit den Eigenarten der Originalserie beschäftigt.
Nun zu den Trekkies: Ist dieses Kinoerlebnis ein Trekfilm? Erneut die Antwort: Lieben oder Hassen, je nach Geschmack. Gespalten wird das Fandom ohnehin. Ist es denn nun Prequel, Sequel, Reboot oder Remake? Etwas von allem. Einen allzu großen Canonbruch konnte ich nicht ausmachen, denn die meisten diskutierten Dinge gehören zur Handlung und werden von der Crew fast zu selbstverständlich erkannt (Paralleluniversum/Temporalparadoxon etc.). Und verschiedene Zeitlinien, die aufeinander einwirken sind spätestens seit TNG schon immer Teil des Trekuniversums gewesen. Unsinnige Streitereien bleiben demnach auch unsinnig. Das Alte bleibt also für alle erhalten, es gibt aber nun ein zusätzliches Neues.
Genau dieser von Hardcoretrekkern kritisierte, mutige Einfall des Reboots per Zeitlinie ist es aber, den die Autoren Orci und Kurtzman nutzen, um Star Trek in neue Galaxien/Zeitlinien vordringen zu lassen, in denen noch nie ein Zuschauer zuvor gewesen ist. Frischer kann die Zukunft von Star Trek also nicht werden, was perfekt für Neueinsteiger ist. Nero hat alles verändert, und das kostet auch Opfer. Genau deshalb hasst man diesen Schurken umso mehr.
Star Trek brillierte einst im TV durch Vielfalt. Heute eine Episode über Forschung, morgen Action und Soapelemente, übermorgen einem moralischen Konflikt in einer ruhigen Geschichte. Im Kino muss man sich entscheiden, und ein 11.Mal das Gleiche machen, ist Unsinn. Ein locker flockiges Abenteuer ist nun mal die beste Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu gewinnen nach dem düsteren First Contact, dem moralischen Aufstand und den bierernsten Nemesis. Fortsetzungen werden aber mehr Tiefgang bringen müssen um relevant zu bleiben.
Ein wahrer Fan sollte/muss das wie ein weiser Vulkanier akzeptieren können (Stichwort: Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlichen Kombinationen).
Und auch Gene Roddenberry war sich mal bewusst, dass es nach seinem Tod weitere, neue Versionen geben würde. Er und später Rick Berman änderten ja selbst den Stil der Trekserien stetig zeitgemäß.
Es gibt auch andere Dinge für Nitpicker, die nicht erläutert sind. Dass das Design der Technik unseres wirklichen 21.Jahrhunderts angepasst wurde war logisch, vieles wirkt dadurch glaubwürdiger, was zu guter Science-Fiction dazugehört. Gleiches gilt für den visuellen Stil. 2009 ist nicht 1969. Beim Maschinenraum hat man leider übertrieben und eine andere Richtung angepeilt. Andere Kleinigkeiten sind künstlerische Freiheiten. Das Trekuniversum ist jedoch immer noch dasselbe und nicht verschandelt worden. Vulkanier verhalten sich wie Vulkanier, geflogen wird mit Warp und Orioner sind noch grün etc. Auch die Figuren sind einfach richtig. Die Hommage an TOS und die anderen Serien funktioniert und glänzt mit vielen kleinen Insidergags und unzähligen Zitaten. Redshirts sterben, die Enterprise ist allein zur Stelle und die Charaktere haben typische Posen und Sprüche. Allein die Streitgespräche zwischen McCoy, Kirk und Spock sind schon klassisch wie in alten Zeiten, wenn auch mehr dem heutigen Zeitgeist verpflichtet. Selbst die Bar von DS9 muss als Vorlage herhalten (Morns Großvater?) und vieles mehr. Die positive Atmosphäre Roddenberrys ist erhalten. Die Crew wächst zusammen zu einer Familie. Schließlich hat sich trotz aller radikalen Einbrüche die Crew in Zeitlinie B genauso zusammengefunden wie im Raumzeitkontinuum A. Und so besteht auch am Schluss noch Hoffnung auf eine positive und friedliche Zukunft (und weiteren Filmen). Schließlich ist 12 auch wieder eine gerade Zahl ;) Nimoy gibt sein Übriges, damit auch das altmodische Trekflair noch mal aufkommt. Der Film atmet menschlichen Geist, insbesondere durch Spock/Sarek und nicht nur SFX-Rauch.
Zum Schluss noch meine gesamten Auas:
-Etwas konstruierte Handlung, was in Star Trek bzw. Sci-Fi generell aber nicht ungewöhnlich ist
-Etwas zu rasant
-Nero hat zu wenig Screentime um ein wirklich guter Schurke zu sein
-Des Weiteren wenige unnötige Änderungen am Star Trek-Universum. Ein Beziehungseinfall der Autoren wird Fans aber schon sehr viel Toleranz abverlangen. Ähnliches haben wir auch schon bei Berman/Braga runtergeschluckt. Ich sag nur Deanna/Worf; Chakotay/Seven; Trip/T’Pol
Bleibt zu sagen, es gibt Schwächen im Drehbuch, es gibt Punkte, die einem Fan vielleicht nicht ganz passen, aber Spaß macht der Film enorm und trekkig ist er auch. Obwohl schon oft totgesagt, hat J.J. seine Mission erfüllt und das Franchise frisch belebt, so dass Fans und Neulinge gleichermaßen prächtig unterhalten werden. Ob sich hieraus auch wieder thematisch wichtige Geschichten entwickeln bleibt noch offen, aber möglich. Und so steht einer neuen Filmreihe und vor allem einer gut durchdachten TV-Serie nichts im Weg. Denn:
Trek is Back! Live long and prosper!