Es war der Schöpfer der gefeierten Science-Fiction-Serie Babylon 5, Joe Michael Straczinsky, der Star Trek einmal mit einem edlen Sportwagen verglich. Paramount als Rechteinhaber war dermaßen besorgt einen möglichen Wertverlust zu riskieren, dass der Wagen kaum noch das Tageslicht sah und in der Garage verstaubte. So geschah es, dass Star Trek irgendwo in den Neunzigern, kurz nach dem Höhepunkt seiner Popularität, stehengeblieben war. Fast all die Entwicklungen der modernen (TV-)Science-Fiction wurden verschlafen, was letzendlich zur Absetzung der zwar leidlich bemühten, aber nicht mehr zeitgemäßen Serie Star Trek - Enterprise und damit zum vorzeitigen Ende des Franchises führte.
Fast auf den Tag vier Jahre später nun schickt J.J. Abrams sich an all die Versäumnisse der späten
Berman-Ära aufzuholen und das Vehikel Star Trek mit Vollgas wieder auf Kurs zu bringen.
Und zwar im Rückwärtsgang.
Die Idee, die Abenteuer des jungen Kirk und Spock auf der Akademie in einem Film zu thematisieren, war schon zu Zeiten des ehemaligen Trek-Produzenten Harve Bennet im Gespräch. Dieser war 1991 nicht der Meinung, dass man dem Kinopublikum noch mal die alten Herren der Enterprise in ihrem nunmehr
sechsten Abenteuer zumuten könne. Ganz abgesehen davon, dass sicherlich auch Überlegungen, dass
junge, unbekannte Schauspieler mit Sicherheit weniger kostenintensiv für die Produktion wären als Shatner und Nimoy eine Rolle spielten. Diese Idee war und ist im Fandom bestenfalls...umstritten, zeigt aber auch
welche Faszination von der Konstellation der klassischen Trek-Figuren ausgeht. Kirk und Spock sind das Herz und der Verstand der Serie gewesen, dies zu erkennen sollte dem Autorenduo Kurtzman/Ocri nicht schwer gefallen sein.
Diese schaffen es eine interessante und spaßige Story auf die Leinwand zu bannen, die durchaus den Geist von Star Trek atmet. Zumindest jedenfalls den Geist von Star Trek im Kino. Denn auch in den vorangegangenen Kinoausflügen der Enterprise könnte man bemängeln, dass die Geschichten oftmals reichlich dünn waren. Daraus resultiert die Meinung, dass Star Trek seine Wirkung wahrscheinlich nur im Fernsehen voll entfalten kann und die Filme eine Art kurzweilige Dreingabe dazu sind. Vollkommen logisch und
nachvollziehbar ist das Script jedenfalls nicht immer. Das Ende verlangt zum Beispiel sicherlich ein bisschen Augenzudrücken, denn dass Kirk direkt von der Akademie zum Captain befördert wird, ist wohl nur der Realität des Films und einem potenziellen Sequel geschuldet. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben:
damit wird ja beinahe eine Tradition aufrecht erhalten, denn wie der erste, sowie der vierte, fünfte und
siebte ST-Film zeigten, hat sich Kirk ohnehin nie in einem anderen Rang als dem des Captains wohlgefühlt.
Und wirklich unverbraucht ist die Geschichte um Zeitreisen (Teil IV und VIII) und Rachsucht (Teil II und X) natürlich auch nicht, weder für das Kino generell, noch für Star Trek. Gänzlich neu hingegen ist die
Präsentation. J.J. Abrams inszeniert den elften Teil der Reihe rasanter als jeden Vorgänger und schöpft sein großzügiges Budget von 150 Mio. Dollar dabei sichtlich aus. Zum Vergleich: der erfolgreichste Star-Trek-Film, Der Erste Kontakt, spielte 1996 weltweit überhaupt „nur“ 146 Mio ein. Und dennoch fühlt man sich nicht überrannt und als Zuschauer nicht ernst genommen, wie es in so vielen anderen Filmen
dieser Tage der Fall ist. Star Trek XI ist einfach ganz anders und doch irgendwie vertraut, der Spagat gelingt tatsächlich, was z.B. im Score deutlich wird. Für viele ein Schwachpunkt der Produktion, halte ich die Mischung aus klassischen Trek-Arrangements und Micheal Giocchino Kompositionen sowohl passend als auch gelungen. In mir erzeugten sie dieses Kribbeln endlich wieder ein Enterprise-Abenteuer auf der
Leinwand erleben zu dürfen.
Auch der Vorwurf, Star Trek würde unter Abrams Egide zu einem seelenlosen SFX- und Action-Vehikel verkommen, muss sich als falsch herausstellen. Mehr geschossen oder gekämpft als bspw. in Star Trek - Nemesis wird hier auch nicht. Vielmehr untersucht Abrams die Beziehung zwischen Spock und Kirk, zwei Figuren, die unterschiedlicher kaum sein könnten und sich doch so gut ergänzen.
Doch gibt es auch Schwächen und diese zu verschweigen wäre nicht richtig. Abrams hat ein modernes Actionabenteuer auf die Leinwand gebracht, mit allen Vor- und Nachteilen. Ein Kinofilm des Jahres 2009, mit Lense-Flaires, Wackelkamera und allem, was dazu gehört. Bisweilen können die flotten Sprüche der Protagonisten doch etwas von der Geschichte ablenken, besonders Chekov und Scotty scheinen manchmal nur als Witzfiguren zu fungieren. Und auch McCoy wird, zumindest was Story-Relevanz betrifft, ein
bisschen außen vor gelassen
Andererseits: Zachary Quinto zuzusehen, wie er dem (jungen) Spock Leben einhaucht, ist eine wahre Freude und die äußerliche Ähnlichkeit zum Original bisweilen verblüffend. Die wirklich Entdeckung hier ist aber Chris Pine, der als James Kirk nicht versucht das eher eigenwilligen Schauspiel William Shatners zu kopieren (wie es Karl Urban erfolgreich mit Ur-„Pille“ DeForest Kelley gelingt), sondern stattdessen
wahre Präsenz und Leading-Man-Qualitäten beweist. Auch Chris Hemsworth als George Kirk hinterlässt trotz seines kurzen Auftritts einen sehr starken Eindruck, von ihm hätte ich gerne mehr gesehen.
Auch Eric Bana als Nero macht seine Sache ordentlich. Dass der Romulaner kein vollkommen übergeschnappter Bösewicht mit Hegemonialansprüchen ist, sondern im Grunde nur ein Arbeiter, der versucht seinen Schmerz zu kompensieren, ist meiner Meinung nach eine große Stärke des Films. Neros enormes Potenzial als Führer spiegelt sich in Kirk wider und ist ein Hauptaspekt der Geschichte des Films. Der Unterschied zwischen den beiden ist nur, wofür sie ihre Kraft einsetzen. Auch wenn Banas Bösewicht nicht besonders viel Screen-Time eingeräumt bekommt, funktioniert die Figur dennoch besser als so manch anderer Antagonist in der Geschichte der Reihe.
Das größte Geschenk an die Fans ist aber mit Sicherheit Leonard Nimoy. Zu ihm braucht man im Grunde nicht mehr viel zu sagen, denn er atmet Spock geradezu nachdem er die Rolle 40 Jahre lang gespielt hat. Es war das erste Mal, dass ich im Kino Szenenapplaus erlebt habe als der alte Spock das erste Mal auf der Leinwand in Action war.
Und natürlich bringt eine Neuinszenierung (um das unangebrachte Wort „Reboot“ zu vermeiden) auch viele Neuerungen mit sich. Das geniale Design der Enterprise von Matt Jefferies wurde verjüngt, zwar ist diese Ikone so immer noch erkennbar, ersichtlich ist der Grund dafür hingegen nicht so recht. Auch die Kostüme, sowie die Sets wurden, mal mehr, mal weniger erfolgreich, einer Verjüngungskur unterzogen. Besonders sauer stieß mir dabei der vollkommen austauschbare und unlogische Sternenflotten-Maschinenräume auf. Diese nehmen sich eher wie industrielle Produktionsstätten aus und strapazieren die Kontinuität und
innere Logik der Trek-Geschichte doch schon arg.
Und es lässt sich nun mal nicht jeder Logikfehler mit einer neuen Zeitlinie oder einem Paralleluniversum hinwegdiskutieren. Warum Beamen bspw. 100 Jahre nach Star Trek - Enterprise dermaßen große
Schwierigkeiten macht, ergibt einfach keinen Sinn. Aber wer auf der anderen Seite argumentieren mag, dass der junge Kirk hier mit einer alten Corvette über die Felder Iowas heizt, wohingegen ihm das
Konzept von Verbrennungsmotoren in der TOS-Folge „Epigonen“ noch vollkommen fremd war, der zielt einfach vollkommen am Kern der Überlegung vorbei. Star-Trek-Filme, wie sie waren, waren ganz einfach nicht mehr rentabel, weder finanziell und in vielerlei Hinsicht auch narrativ nicht. Und wenn es diese kleinen bitteren Pillen sind, die man schlucken muss, um sein Lieblingsfranchise weiter auf der Leinwand erleben zu dürfen, dann sei es eben drum.
Der lakonische Titel Star Trek allein, ohne Unter- oder Nebentitel ist ein deutliches Zeichen an Sachunkundige, dass sie sich diesem Film gefahrlos ohne Vorkenntnisse näher können. Und in der Tat: es funktioniert! Star Trek ist ein zeitgemäßer Sci-Fi-Film geworden, dem dennoch nicht der gewisse Charme abgeht., der das Franchise ausmacht. Er handelt von Schicksal und Entscheidungen, von Potenzial und Selbstverwirklichung. Und wenn der junge Kirk sich entscheiden muss, wo seine Loyalitäten liegen, wenn er beschließt dass das Wohl seines väterlichen Freundes Captain Pike schwerer wiegt als Bestimmungen und Regeln, fühlt man sich angenehm an die ersten Star-Trek-Filme erinnert.
Ob Anleihen an Star Wars (Monster) oder Battlestar Galactica (Warp-Effekt, Doku-Stil) bspw. nun nötig waren oder nicht, darüber lässt sich streiten, andererseits entspricht es durchaus auch der Tradition der Franchises auf einander Bezug zu nehmen. Entgleisungen wie Product Placement mögen heutzutage vielleicht an der Tagesordnung sein, ich persönlich finde sie aber besonders in einer geldlosen Gesellschaft wie der Föderation mehr als unangebracht. Wenn Kirk sein Nokia-Telefon betätigt, fühlte ich mich auf sehr unangenehme Weise in das Jahr 2009 zurück versetzt. Dies ist eine Kröte, die ich nur sehr ungern noch
einmal zu schlucken bereit bin.
Hat Abrams es nun geschafft Star Trek für die Zukunft fit zu machen? Ja und Nein. Ja, er hat Star Trek verjüngt, doch hätte er die Besonderheiten der Reihe etwas mehr herauskehren können, um sie vom derzeitigen Sci-Fi-Einerlei abzuheben, dennoch gelingt ihm ein großer Film mit kleinen Schwächen. Oder mit anderen Worten: Mission erfolgreich.
Star Trek hatte eine Verjüngunskur bitter nötig, um als popkulturelles Phänomen erhalten zu bleiben und außerdem laufen uns Trekkies die früheren Inkarnationen von Roddenberrys Zukunftsvision nicht davon.