Vor 25 Jahren lieferte Amos Gitai, mittlerweile der wohl bekannteste und erfolgreichste Filmemacher Israels, mit seinem Regiedebüt „House“ eine Dokumentation über ein einfaches Haus in Westjerusalem ab. Die früheren palästinensischen Bewohner waren nach dem 1948er Krieg enteignet und das Haus an jüdisch-algerische Immigranten vermietet worden. Gitais Film setzt zu dem Zeitpunkt ein, als 1980 ein Universitätsprofessor, der das Haus mittlerweile erworben hatte, ein drittes Stockwerk zum Bau in Auftrag gab. Dabei ließ Gitai keinen der Menschen in diesem Mikrokosmos außen vor, egal ob frühere oder jetzige Besitzer, Nachbarn oder Bauarbeiter, alle durften ihre Geschichte erzählen. 1998 inszenierte Gitai mit „A House In Jerusalem“ die erste Fortsetzung der House-Reihe, in der er die Geschichte des Hauses weiter verfolgte. Mittlerweile herrscht Krieg, eine Mauer wurde quer durch Jerusalem gezogen und der blutige Konflikt forderte unzählige Tote oder Verletzte – deshalb reichten Gitai dieses Mal gerade einmal acht ereignisreiche Jahre aus, um für seine ambitionierte und versöhnliche Dokumentation „News From Home“ nun zum Abschluss seiner Trilogie ein wahrscheinlich letztes Mal zu seinem Haus zurückzukehren.
Ging es Gitai bei seinen ersten beiden Besuchen noch darum, das Haus als Mikrokosmos zu begreifen und diesen zu erforschen, wählt er nun für „News From Home“ einen etwas anderen Ansatz. Zwar kommen auch die neue Besitzerin und ein heutiger Nachbar zu Wort, insgesamt verfolgt Gitai aber das Ziel, das Verbleiben all derer Menschen zu erkunden, die schon 1980 in „House“ mitgewirkt haben. So ist aus dem Mikrokosmos Haus plötzlich die ganze Welt geworden, haben sich die früheren Bewohner oder Bauarbeiter doch von Jordanien bis Kanada in allen möglichen Staaten niedergelassen. Die Geschichten, die diese Verstreuten zu erzählen haben, reichen von amüsanten Anekdoten über persönliche Erlebnisberichte bis hin zu klaren politischen Forderungen. So präsentiert Gitai eine immense Ansammlung von biographischen Bruchstücken, die „News From Home“ neben aller sonstiger Anliegen auch zu einer hochinteressanten Chronik einer ganzen Nation werden lassen.
Nochmehr als bei „House“ oder „A House In Jerusalem“ ist es Gitai bei „News From Home“ wichtig, nicht nur Chronist zu sein, sondern auch ein eigenes Statement abzugeben. So lässt er zwar sowohl die Israelis als auch die Palästinenser ihre – nicht immer zu unterstützenden - politischen Ansichten ausdrücken, belässt es aber nie dabei, sondern bringt immer auch noch eine persönliche Note in die Interviews mit hinein – so lässt er zum Beispiel viele der Befragten alte Familienfotos vorzeigen, die sich auf beiden Seiten ungeheuer ähnlich sehen. Durch diese kleinen Details gibt er den Beteiligten beider Konfliktparteien ein menschliches und auch ganz individuelles Gesicht, das das Reduzieren der vermeintlich gegnerischen Seite auf „Diese“ oder „Jene“ fast unmöglich macht. Außerdem wird in vielen Szenen einfach ganz deutlich, dass die meisten Menschen dem Konflikt einfach überdrüssig geworden sind, sich bloß ihrer eigenen politischen Führung ergeben haben, an der man ja sowieso nichts ändern könne – es sind also nur einige wenige, die den Rest des Landes mit sich nach unten ziehen: ein nur kleiner Hoffnungsschimmer, in den Gitai aber viele Hoffnungen setzt. Hierzu passt auch der gerade stattfindende Bau eines neuen Hauses, der hier als Metapher dafür steht, dass es in Israel nicht allen nur darum geht, Krieg zu führen, sondern auch noch genug Energien da sind, um etwas Neues und Positives zu schaffen.
Es geht Gitai nie in erster Linie darum, mit „News From Home“ ausländische Kinobesucher über den Konflikt oder Israel zu informieren, sondern seine Landsleute von der Sinnlosigkeit des Krieges zu überzeugen und sie versöhnlich zu stimmen. Deshalb gibt es auch kaum einen roten Faden, an den man sich im Verlauf des Films klammern könnte. Vielmehr muss man sich schon vorher mit der politischen und geographischen Lage der Gegend auseinandergesetzt haben, um die vielen Gespräche, Geschichten und Orte wirklich alle in einen einzigen, großen Zusammenhang stellen zu können. Dies ist aber im Endeffekt auch gar nicht unbedingt nötig, weil die vielen kleinen Eindrücke, die man im Lauf des Films von den Menschen und ihrem Land bekommt, vollkommen ausreichen, um ein gutes Gespür für die komplexen Stimmungen und die angespannte Atmosphäre in Israel zu bekommen.
Am Schluss des Films sieht man eine traurig dreinblickende junge Frau in einem Auto durch Israel fahren – die junge Frau ist Hollywood-Star Natalie Portman und die Bilder sind ein Ausschnitt aus Gitais letztem Spielfilm „Free Zone“. Auch mit diesem hatte er eindrucksvoll und hochemotional sein Unverständnis gegenüber dem Palästinenserkonflikt bekundet und sich so noch weiter als mutiger, hochpolitischer Filmemacher profiliert. Seine Art ist dabei gerade deshalb so wirkungsvoll, weil er in seinem Film nie Partei ergreift, sondern ohne jede Aggressivität und in Abwesenheit eines ideologischen Blickwinkels an die Menschen und ihre Ansichten ohne Vorurteile oder Hass herantritt. Und genau deshalb kann er, auch wenn der Großteil von „News From Home“ aus den Geschichten anderer besteht, seiner Dokumentation immer wieder mit kurzen, von hoher Intelligenz und tiefem Verständnis geprägten Kommentaren die letzte Würze verleihen.