Bei der diesjährigen Vergabe des Bayrischen Filmpreises ging „Das Leben der Anderen“ mit vier Auszeichnungen (bestes Drehbuch, bester Darsteller, Nachwuchsregiepreis, Nachwuchsproduzentenpreis) als „Gewinner“ hervor. Es ist aus diesem Grund nicht wirklich verständlich, warum der bei der Berlinale 2005 für den Wettbewerb eingereichte Film nicht angenommen wurde. Damit haben sich die Verantwortlichen ins eigene Fleisch geschnitten und die Zuschauer um ein beachtliches Debüt betrogen.
Ost-Berlin, Mitte der 80er Jahre: Oberstleutnant Anton Grubitz (Ulrich Tukur) verspricht sich einen Karriereschub davon, den asketischen Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) auf den erfolgreichen Dramatiker Georg Dreyman (Sebastian Koch) und seine Lebensgefährtin, den Theaterstar Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck), anzusetzen. Wiesler soll herausfinden, ob Dreyman wirklich politisch so loyal ist, wie es den Anschein hat. Infolgedessen wird die Wohnung des Künstlers verwanzt und auf dem Dachboden des Hauses eine Einsatzzentrale eingerichtet, in der alles, was in Dreymanns Wohnung geschieht, aufgenommen und akribisch protokolliert wird. Unerwartete Nebenfolgen des Bespitzelungsprojekts: Wieslers Eindringen in „das Leben der Anderen“ verändern ihn, den Beobachter. Zumal er bald herausfindet, dass es bei der ganzen Aktion eigentlich gar nicht so sehr um die Loyalität Dreymans zum Staat, sondern um seine schöne Freundin Christa-Maria geht, auf die auch andere Männer ein Auge geworfen haben..
„Das Leben der Anderen“ ist das Ergebnis vieler Jahre Arbeit des Debütanten Florian Henckel von Donnersmarck, der bisher erst durch einige Kurzfilme („Dobermann“, „Der Templer“) auf sich aufmerksam machen konnte. Mit dem Thema und seinem Drehbuch, dem gründliche Recherchen – inklusive Interviews mit ehemaligen Stasimitarbeitern und -opfern – vorausgegangen waren, konnten einige zur Zeit hoch gehandelte Schauspieler gewonnen werden, sich an seinem Projekt zu beteiligen. So ist es auch kein Wunder, dass dem Zuschauer beim Ansehen des Films zunächst mal der großartige Ulrich Mühe (Schneeland, „Der Stellvertreter“, „Funny Games“) ins Auge springt. In einer frühen Sequenz in der Jugendvollzugsanstalt Hohenschönhausen wird man Zeuge eines Verhörs, in dem Wiesler einen Häftling wegen Beihilfe zur Republikflucht vernimmt. Kalt und professionell wird hier ein Bild von dem Stasi-Hauptmann gezeichnet, welches Mühe als Ausgangspunkt für seine schauspielerischen Fähigkeiten benutzen kann, einen tief greifenden inneren Wandel darzustellen.
Auch wenn der Film im Weiteren von Mühes Darstellungsvermögen lebt, machen die anderen Schauspieler bis in die Nebenrollen ihre Sache mindestens gut. Sebastian Koch (Das fliegende Klassenzimmer, „Der Stellvertreter“) und Martina Gedeck (Bella Martha, Elementarteilchen, Sergeant Pepper, „Frauen lügen nicht“) reichen zwar nicht an Mühes Performance heran, erfüllen aber ihre Aufgabe, die problematische Liebesbeziehung im Spannungsfeld von Kultur und Staat zwischen Christa-Maria Sieland und Georg Dreyman gut darzustellen und dabei mehrdimensionale Charaktere in einer interessanten Konstellation zu erschaffen. Sehr angenehm auch, dass beide dem Zuschauer nicht gleich ihr ganzes Innenleben unter die Nase spielen, sondern sich Geheimnisse, ihre Handlungen betreffend, bewahren. Auch nicht uninteressant: der – neben aus Soderberghs Solaris – eher aus dem deutschen TV bekannte Ulrich Tukur als Wieslers Freund und Vorgesetzter Oberstleutnant Anton Grubitz. Er schafft es seiner Nebenrolle einige Facetten mehr abzuspielen, als man es aus diversen Hollywoodproduktionen kennt. Auch erwähnenswert ist Thomas Thieme (Der Untergang) als Minister Bruno Hempf. Zwar reicht die Figur des Minister ab und an zu sehr ins Karikative, allerdings wird an ihr sehr schön deutlich, dass auch in der DDR nicht in erster Linie ideologische Gründe für (politische) Entscheidungen verantwortlich waren, wie in diesem Fall die Überwachung Dreymans. Somit sind es nicht nur die schauspielerischen Leistung, sondern auch die Tatsache, dass die Ideologie hinter dem Realen zurücksteht, die den Film ehrlich und authentisch wirken lassen.
Ebenfalls positiv fällt bei Florian Henckel von Donnersmarcks Debüt der Verzicht auf den mitunter übertriebenen Humor auf, der bei anderen Produktionen, die sich mit dem Leben in der DDR beschäftigen (Sonnenallee, Good Bye, Lenin!, NVA), kennzeichnend ist. Wenn Wiesler einer Nachbarin der Dreymans, welche die Verwanzung der Wohnung beobachtet, droht, wird wie beim anfangs gezeigten Verhör das Ausmaß der Einschüchterungsmittel deutlich, über das der Staatsapparat der DDR verfügte. So konzentriert sich Florian Henckel von Donnersmarck in seinem Film auch folgerichtig auf die Mechanismen der Überwachung, Zensur und Selbstzensur – aber niemals zum Zwecke der vordergründigen Spannung und Effekthascherei. Stets geht es ihm dabei um seine Figuren sowie deren Handlungen und Wandlungen in einem System, das im Konflikt zu ihren Bedürfnissen steht.
Es ist hier nicht der schnelle Witz, der die Aufmerksamkeit des Zuschauers fesselt, sondern die minutiös geplante Geschichte. Hier kann man vielleicht einwenden, dass Florian Henckel von Donnersmarck sich mitunter etwas viel Zeit beim Erzählen lässt. Zwar ist keine Szene unwichtig, doch sind nicht alle gleich bedeutend. Man kann der Meinung sein, dass „Das Leben der Anderen“ eine dramaturgische Straffung durchaus vertragen hätte. Ebenfalls zwiespältig wirkt die nicht ganz nachvollziehbare Wandlung von Hauptmann Wiesler trotz Mühes hervorragendem Schauspiel. Einmal etwas klassische Musik hören, einmal Brecht lesen und schon hat sich der linientreue Hauptmann innerlich von dem System gelöst? Andererseits – was sonst sollte für die Veränderung Menschen verantwortlich sein, wenn nicht äußere Einflüsse, die auf einen fruchtbaren Boden fallen? Vielleicht sind es unter anderem diese Uneindeutigkeiten in den Charakteren, die dem Zuschauer Raum geben, um sich in die Geschichte hinein zu versetzen. – Thematisch Interessierten, die etwas Geduld mitbringen, ist der nachdenklich stimmende Film auf jeden Fall ans Herz zu legen.