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    Die Simpsons - Der Film
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Simpsons - Der Film
    Von Jürgen Armbruster

    Es ist das Kinodebüt des Jahres: Homer, Marge, Bart, Lisa und Maggie – kurzum: die Simpsons – machen sich auf, die große Leinwand zu erobern. Protegiert werden sie dabei von einer fast schon über den roten Bereich hinaus drehenden PR-Maschinerie. Pro7, seit 1994 der Stammsender der schrägen Familie aus Springfield (zuvor ZDF), lässt Simpsons-Marathon auf Simpsons-Doku folgen und färbt im Vorabendprogramm sein Logo sogar stilecht im satten Simpsons-Gelb. Die Presse hingegen wird wieder einmal gegängelt. Allgemeine Berichterstattung ja, aber keine Kritiken vor dem 24. Juli – also einem Tag vor dem Kinostart von „Die Simpsons - Der Film“. Wer dieser Bedingung nicht schriftlich zustimmte, wurde nicht zu den vorab stattfindenden Pressevorführungen zugelassen. Aber was bedeutet dies nun konkret? Ist die verwegene Idee, aus der pro Episode auf jeweils 22 Minuten ausgelegten Zeichentrick-Sitcom einen abendfüllenden Spielfilm zu machen etwa gescheitert? Muss sich der unter der Regie von David Silverman („Der Weg nach El Dorado“, Co-Regie bei Die Monster AG) produzierte Kinoausflug etwa vor der Presse fürchten? Die Antwort: ein klares Nein, aber auch ein leises Ja. Über weite Strecken ist „Die Simpsons - Der Film“ das erhoffte Animationsvergnügen. Wer jedoch eine zu starke Ausrichtung am Mainstream befürchtete, hat damit leider auch nicht unrecht.

    Das hat Homer (im Original gesprochen von Dan Castellaneta) wieder einmal toll hinbekommen: Als er die in einem Silo gesammelten Fäkalien seines neuen Haus-Schweines im ohnehin vollkommen verunreinigten Lake Springfield entsorgt, droht der ökologische Kollaps. Springfield ist nun offiziell die dreckigste Stadt der USA. Da können auch das Weiße Haus und Präsident Arnold Schwarzenegger (Harry Shearer) nicht länger die Augen verschließen. Um dem Elend ein für alle mal ein Ende zu setzen, wird ganz Springfield in einer riesigen Glaskugel gefangen. Es dauert nicht lange und der aufgebrachte Mob sinnt nach Rache. Da bleibt den Simpsons nichts anderes als die Flucht, die auch gerade so durch einen Hasenbau gelingt. Marge (Julie Kavner) gefällt das Ganze zwar überhaupt nicht, aber letztlich stimmt sie doch Homers Notfallplan zu: einem Neuanfang in Alaska. Als jedoch bekannt wird, dass die Regierung Springfield vollkommen auslöschen möchte, machen sich Marge und die Kinder auf, ihre alten Freunde zu retten. Doch Homer möchte davon zunächst überhaupt nichts wissen…

    Die Simpsons, vielleicht die Superstars der Popkultur schlechthin, blicken auf eine mittlerweile über 20-jährige Geschichte zurück. Im Jahr 1985 erhielt Matt Groening von James L. Brooks das Angebot, als Zeichner bei der Tracey Ullman Show einzusteigen, in der „Die Simpsons“ am 19. April 1987 erstmals als Kurzfilm gesendet wurden. Im Jahr 1989 entschloss sich der Fernsehsender Fox Network das Konzept zu einer Serie auszubauen und was folgte, kann eigentlich nur mit einem Wort beschrieben werden: gigantisch. Mittlerweile wurden 18 Staffeln mit über 400 Folgen ausgestrahlt, die 19. Staffel folgt in den USA noch in diesem Jahr. Bereits vor 10 Jahren, im Jahr 1997, wurde „Die Familie Feuerstein“ als die am längsten laufende US-amerikanische Zeichentrickserie zur Prime Time abgelöst, womit sich „Die Simpsons“ einen Eintrag in Guinness-Buch der Rekorde sicherten. Die bislang 21 gewonnenen Emmy-Awards – die höchste Auszeichnung, die das TV-Geschäft kennt – sind ebenso rekordverdächtig. Matt Groening, Sohn einer Norwegerin und eines Vaters deutscher Abstammung, hat sich mit den Simpsons ein eigenes Denkmal gebaut. Der Journalist Tim Schleider beschrieb in den Stuttgarter Nachrichten vom 13. Januar 1993 das Phänomen Simpsons wie folgt: „Die Serie ist eine mitunter bösartige, hochzynische Abrechnung mit dem ‚American Way of Life‘ und den Idealen des ‚American Dream‘. Viele Folgen stecken voller Anspielungen und sind gespickt mit Seitenhieben auf die US-amerikanische Alltagskultur. Und Groening nimmt sie alle aufs Korn – Fitness-Gurus, religiöse Eiferer, Waffennarren, Konsumverrückte, Fernsehjunkies, Fast-Food-Opfer, Fortschrittsgläubige, Spießer, Radikalfeministinnen und dergleichen mehr.“

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    Die spannende Frage ist nun, ob das wunderbar archaische Konzept hinter der Erfolgsserie überhaupt auf die große Leinwand transportiert werden kann und in wie weit dabei Zugeständnisse an das Mainstream-Publikum gemacht werden mussten. Und vor diesem Hintergrund muss „Die Simpsons - Der Film“ eigentlich in zwei vollkommen unterschiedliche Hälften unterteilt werden. In der ersten Hälfte des Films ist die konkrete Handlung eigentlich nebensächlich. Sie ist zwar da, rückt aber zugunsten der wieder einmal zahlreichen skurrilen Einfälle des Autorenteams und der daraus resultierenden Situationskomik ins zweite Glied. Insbesondere der infantile Anti-Held Homer ist dabei eine Klasse für sich. Aber auch Präsident Arnold Schwarzenegger („I’m elected to lead, not to read“) garantiert eigentlich mit jedem Auftritt auf der Leinwand einen echten Lacher. Die Gags sitzen größtenteils, die anfänglichen Bedenken sind schnell zerstreut. Subversiv, satirisch, überspitzt – das sind tatsächlich die Simpsons, wie sie der Zuschauer kennt und liebt. Wie eine zwar lange, aber nicht minder unterhaltsame TV-Episode eben.

    In der zweiten Hälfte (und Homers Odyssee zur Rettung seiner Familie und Springfield) werden die Probleme einer Leinwand-Adaption der Simpsons jedoch offensichtlich. Die Handlung rückt in den Vordergrund, die Anzahl der gelungenen Gags lässt deutlich nach. Besonders erstaunlich ist dabei, dass „Die Simpsons - Der Film“ in dieser Phase überraschend handzahm daher kommt. „Die Simpsons“ werden in den USA insbesondere von der konservativen Seite seit jeher scharf kritisiert. Das vermittelte Familienbild tauge nicht als Vorbild, heißt es immer wieder. So mahnte George Herbert Walker Bush während seiner Amtszeit als US-Präsident im Jahr 1992 an, dass die amerikanische Nation mehr Waltons und weniger Simpsons sein solle. Dass dies nie die Intention der Macher von „Die Simpsons“ war und sie stattdessen den satirischen Humor als Sozialkritik verstanden haben wollen, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Aber es überrascht schon, dass es ausgerechnet die Versöhnung zwischen Vater und Sohn ist, die letztlich Springfield vor der Zerstörung rettet. Phasenweise fühlt sich „Die Simpsons - Der Film“ tatsächlich wie ein Hohelied auf die amerikanische Familie an – und sorgt damit für verdatterte Gesichter bei den Simpsons-Fans der ersten Stunde. Der gesamte Bart/Flanders-Plot wäre eigentlich allenfalls der Stoff für eine mäßige TV-Episode. Bedauerlich, dass ausgerechnet dieser Handlungsstrang mit zunehmender Spieldauer immer weiter in den Vordergrund rückt und schlussendlich im Finale seinen Höhepunkt findet. Die Zugeständnisse ans amerikanische Kinopublikum und deren Moralwächter sind leider unübersehbar. Schade.

    Nichts desto trotz: Es kann Entwarnung gegeben werden. „Die Simpsons - Der Film“ ist ein über weite Strecken überaus unterhaltsames Animationsvergnügen. Nur wäre eben mehr drin gewesen. Dazu hätte man sich nur darauf besinnen müssen, was „Die Simpsons“ im TV einst zu dem machte, was sie heute sind. Aber sei’s drum. Es hätte auch weit schlimmer kommen können. „Die Simpsons - Der Film“ wird ein weltweiter Hit. Das lässt sich bei dem Status, den diese verrückte gelbe Familie mittlerweile inne hat, überhaupt nicht vermeiden. Aber das hat sich dieses erste Leinwandabenteuer von Homer & Co auch verdient. War ein Simpsons-Kinofilm wirklich nötig? Sicherlich nicht. Aber Spaß macht er eben doch…

    Anmerkung: Diese Rezension basiert auf der englischsprachigen Originalfassung des Films. Die deutsche Synchronisation wurde der Presse in den Vorabvorführungen nicht zugänglich gemacht. Über die Qualität der Synchronisation – seit je her ein heiß diskutiertes Thema – können wir daher noch keine Aussagen machen.

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