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    Samurai der Dämmerung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Samurai der Dämmerung
    Von René Malgo

    Endlich ist der oscarnominierte, mit Kritikerlob überhäufte Samurai-Film „Samurai der Dämmerung“ auch in Deutschland zu sehen: auf DVD. Doch Yoji Yamadas Werk über einen einfachen Samurai, mit dem brillierenden Hiroyuki Sanada in der Hauptrolle, ist ein bisschen anders, als sich der geneigte Genrefreund wohl vorstellen mag…

    Feudales Japan, am Ende des 19. Jahrhunderts. Seibei Iguchi (Hiroyuki Sanada) ist ein verwitweter Samurai niederen Ranges. Er führt zusammen mit seinen Töchtern Kayana (Miki Itô) und Ito (Erina Hashiguchi) sowie seiner an Altersdemenz leidenden Mutter (Reiko Kusamara) ein einfaches Leben. Da tritt die geschiedene Schwester seines besten Freundes, die aufgeweckte Tomoe (Rie Miyazawa) in sein Leben. Er muss eher ungewollt mit ihrem betrunkenen Ex-Mann um ihre Ehre kämpfen. Danach beginnt sich für Seibei langsam aber sicher einiges zu ändern.

    „Samurai der Dämmerung“ ist kein Samurai-Film. Zumindest, nicht das, was der Filmfreund sich unter einem solchen vorstellt. Samuraikämpfe stehen nicht einmal ansatzweise im Mittelpunkt und es wird auch keine klassische Einzelkämpfergeschichte über Loyalität, Draufgängermut und Verrat erzählt. Im Gegenteil. „Samurai der Dämmerung“ zählt genau zwei Kämpfe. In beiden Duellen bemüht sich der (Anti-)Held vorab um eine friedliche Lösung. Ihm ist das Kämpfen im Allgemeinen und das Töten im Besonderen zuwider.

    Hiroyuki Sanada mimt den Held der Geschichte: Seibei, der Mann der Dämmerung. So wird der Witwer von den anderen Samurai spöttisch genannt, weil er nach der Arbeit, wenn es zu dämmern beginnt, sofort nach Hause geht. Während seine Arbeitskollegen das Vergnügen suchen, kümmert er sich um seine Töchter, Mutter, den Haushalt und ihren kleinen Acker. Sein Leben ist hart, aber er klagt nicht. Seibei ist ein ruhiger, bescheidener, manchmal etwas unsicherer Mensch. Er unterschätzt seine eigenen Fähigkeiten und gehört zu den zurückhaltenden Zeitgenossen. Allerdings ist Seibei ein Mann mit Prinzipien, ein liebevoller Vater und ein kluger Kopf. Hiroyuki Sanada drückt dieser ungewöhnlichen Filmfigur eindrücklich seinen darstellerischen Stempel auf. Seibei ist kein Draufgänger, sondern (fast) ein Mensch, wie du und ich. Exzellent ist dabei nicht nur Hiroyuki Sanadas Schauspiel, sondern auch die Charakterisierung der Drehbuchautoren.

    Das Skript stammt aus der Feder der Herren Yoshitaka Asama und Regisseur Yoji Yamada. Der Film beruht auf Erzählungen von Shuuhei Fujisawa. Eine vermeintlich stimmige Dramaturgie und einen ordentlichen Spannungsbogen kennt der Film nicht. Obgleich eine fiktive Geschichte, wirkt das Ganze fast wie eine Dokumentation. Es scheint, als hätte Regisseur Yoji Yamada einfach einen Ausschnitt aus dem Leben eines Samurai genommen und diesen ohne Ausschmückungen verfilmt. Eigentlich ist die Geschichte vorhersehbar, überrascht aber damit, bis zum Schluss konsequent unspektakulär zu bleiben. „Samurai der Dämmerung“ endet abrupt, ohne dass es dabei aufgesetzt oder unangebracht wirkt. Der Verzicht auf eine gängige Dramaturgie kommt dem Film dabei zugute. „Samurai der Dämmerung“ erzählt kein überdrehtes Märchen oder einen Reißer vom Reißbrett, sondern aus dem Leben.

    „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Diese Binsenweisheit trifft in vollem Maße auf „Samurai der Dämmerung“ zu. Ruhig entwickelt sich die Geschichte, die eigentlich keine ist. Authentizität ist alles. Kameramann Mutsuo Naganuma verzichtet auf optische Mätzchen, wie das westliche Publikum sie aus inszenatorischen Meisterwerken à la Hero, Infernal Affairs oder House Of Flying Daggers kennt. Das bedeutet nicht, dass „Samurai der Dämmerung“ langweilig inszeniert ist. Im Gegenteil. Die ruhige, sichere Regie und Kameraführung passen zu Film und Sujet. Musik, Kulissen, Kostüme und Umgebung werden ansprechend auf Zelluloid gebannt. Die Atmosphäre in „Samurai der Dämmerung“ ist stimmig. Zu keiner Zeit wird oder wirkt der Film langweilig. „Samurai der Dämmerung“ hat immer etwas zu sagen, immer etwas zu zeigen. Die Tiefe liegt in den Details und subtilen Gesten. Der aufmerksame Betrachter lernt aus dem bedächtigen „Samurai der Dämmerung“ viel mehr über das feudale Japan und die Samurai, als es opulente Epen wie z.B. Last Samurai vermitteln können. Denn „Samurai der Dämmerung“ interessiert sich für die einfachen Einzelschicksale und das normale Leben eines normalen Landsamurai.

    Die Geschichte wird von der jüngsten Tochter Seibeis erzählt. Sie ist bereits erwachsen und eine alte Frau, wie sich am Ende des Films herausstellt. Diese Off-Kommentare geben der Geschichte eine persönlichere Note und wirken zu keiner Zeit störend. „Samurai der Dämmerung“ ist mehr Liebesgeschichte als Samurai-Epos. Rie Miyazawa spielt die Tomoe, eine Frau, die das starre System nicht so ernst nimmt. Sie übernimmt die Initiative, wenn es darum geht, sich besser kennen zu lernen. Denn der wackere Samurai Seibei ist ein zögerlicher, fast schüchterner Mensch. Rie Miyazawa meistert ihre Rolle sehr gut. Die Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich glaubhaft. Glaubhaft sind auch die weiteren Darsteller, was insbesondere für die beiden Kinderschauspieler Miki Itô und Erina Hashiguchi gilt. Darstellerisch gibt sich „Samurai der Dämmerung“ keine Blöße.

    Erst am Ende des Films ist es Seibei entgegen seinem Willen „vergönnt“ einen Kampf auf Leben und Tod zu führen. Der Kampf wird in etwa so ästhetisierend wie die Schlachtung eines Tieres dargestellt. Von aktuellen Stileinflüssen des asiatischen Martial-Arts-Kinos ist weit und breit keine Spur. Die Intention im Film ist deutlich: Töten ist unschön, unangenehm und unästhetisch.

    Die Moral der Geschichte ist bemerkenswert. Ganz leise rechnet „Samurai der Dämmerung“ mit einigen Mythen ab und bemüht sich zugleich um Lebensnähe. Die Geschichte berührt, dringt ins Herz und drückt auf die Tränendrüsen. Trotzdem sind billiger Kitsch und Pathos fern. „Samurai der Dämmerung“ ist ein kleines Meisterwerk.

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