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    Der eisige Tod
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der eisige Tod
    Von Björn Helbig

    Effektive Gruselfilme sind rar. Filme, die nicht versuchen, sich in Sachen „Blut, Gehirn, Massaker“ zu überbieten, sondern es schlicht schaffen, behutsam eine schaurige Atmosphäre aufzubauen und dem Zuschauer eine wohlige Gänsehaut zu bescheren. Sie sind rar, aber es gibt sie – wie Gregory Jacobs’ ordentlicher Horror-Thriller „Der eisige Tod“ beweist.

    Eine Studentin (Emily Blunt) möchte über Weihnachten ihre Eltern besuchen. Zu diesem Zweck nimmt sie eine Mitfahrgelegenheit wahr und steigt in das klapprige Auto eines ihr unbekannten Studenten (Ashton Holmes). Er behauptet, aus derselben Gegend zu kommen. So richtig geheuer ist er ihr nicht. Außerdem merkt sie schnell, dass an seiner Geschichte nicht alles stimmen kann, was ihn ihr noch etwas suspekter erscheinen lässt. So richtig unheimlich wird er ihr allerdings erst, als sie nach einem Beinahe-Unfall auf einer abgelegenen Route, die er als Abkürzung bezeichnet hat, liegen bleiben. Was nun? Es wird bald Nacht und sie sitzt mit diesem möglicherweise irren, aber bestimmt verdächtigen jungen Mann auf einer verschneiten, einsamen Waldstrecke fest. Doch es kommt noch schlimmer, denn bald sehen beide unheimliche Gestalten vor ihrem Auto vorbeihuschen.

    Kalte Schauplätze eignen sich gut für gruselige Geschichten. Ob das einsame Dorf in Alaska (30 Days Of Night) oder die verlassene Polarstation (Das Ding aus einer anderen Welt) – ist die Temperatur nur niedrig genug, fröstelt der Zuschauer gleich doppelt. Auch „Der eisige Tod“ erzählt eine Geschichte aus niedrig temperierten Gefilden. Allerdings handelt es sich hier, im Gegensatz zu den gerade genannten Filmen, nicht um beinharten Horror, sondern um einen recht klassischen Mystery-Stoff, der auch gut aus der Feder eines Stephen King stammen könnte: Böse, längst vergangene Ereignisse werfen ihren dunkeln Schatten bis in die Gegenwart. Orte, an denen Schreckliches geschah, rufen auch heute noch realen Schrecken hervor. Wie auch in den Romanen des „King Of Horror“ ist es auch hier eher das Wie als das Was, das die Geschichte so fesselnd werden lässt. Der Plot, der hier natürlich nicht verraten werden soll, ist bei Tageslicht betrachtet nicht besonders kompliziert; in einer eisigen Vollmondnacht hingegen, kann er durchaus eine Gänsehaut hervorrufen. Dabei sind die Zutaten schnell benannt: ein junges Pärchen wider Willen, eine einsame verschneite Landstraße bei Nacht – und ein bisschen Spuk. Nun ja, manchmal auch ein wenig mehr als ein bisschen… Dass der Film so gut funktioniert, liegt nicht nur an dem fast behutsamen Aufbau der Geschichte, einem stetigen Anstieg der Spannungskurve und gut austarierten Grusel- und Schockmomenten (Von mildem Unwohlsein über gepflegte Ganzkörpergänsehaut bis hin zu Zusammenzuckern, die einen das Popcorn im Kino verteilen lassen, ist alles dabei.). Mindestens genauso entscheidend für das Gelingen ist die gute Rahmenhandlung. Auch hier sind die Ingredienzien wieder denkbar einfach, aber trotzdem nicht weniger effizient. Es vergeht einige Zeit, bis sich klärt, was es mit Ashton Holmes Charakter auf sich hat. Und selbst dann noch bleibt das Verhältnis zwischen den beiden spannend.

    Dafür, dass der Mystery-Part funktioniert, zeichnet Regisseur Gregory Jacobs („Criminal“) verantwortlich, dafür dass alles auch noch gut aussieht Kameramann Dan Laustsen (Silent Hill) und die für die Spezialeffekte Verantwortlichen. Die einsame Straße durch den Wald, die schneehelle Mondnacht und die langsame Verschlechterung des Wetters – das alles ist einfach toll gefilmt. Die Geister von heute sehen zwar etwas digitaler aus als die Spukgestalten aus Filmen älteren Datums, sie wirken dadurch aber zumindest in diesem Falle nicht weniger Angst einflössend. Geschickt spielen die Macher des Films mit der Illusion und halten an vielen Stellen offen, was Albtraum und was Realität ist. Auch dadurch wähnt man sich wieder in einer guten alten Stephen-King-Geschichte, verschwimmt doch auch dort so oft die Wirklichkeit mit – nichts desto trotz tödlichen – Traumsequenzen.

    Für das Gelingen des Charakterteils darf man Ashton Holmes und Emily Blunt (My Summer Of Love, Der Teufel träft Prada) gratulieren. Der 1978 geborene Holmes hatte schon in David Cronenbergs A History Of Violence durch differenziertes Spiel Akzente gesetzt. In „Der eisige Tod“ kommt ihm neben guter Leistung sein unschuldiges Äußeres zu Gute. Gerade dadurch, dass er so harmlos ausschaut, traut man seinem Charakter eigentlich alles zu. So wird zusätzlich Spannung erzeugt. Aber auch seine Filmpartnerin spielt ihre Figur überzeugend. Sie bleibt lange auf Distanz zu ihrem Mitfahrer. Wer allein durch die Besetzung der beiden Figuren durch ansehnliche, aufstrebende Jungstars eine kitschige Romanze erwartet, irrt. Lediglich Badguy bzw. –ghost Martin Donovan (Insomnia) bleibt etwas blass.

    „Der eisige Tod“ ist auch sonst nicht fehlerfrei. Da wäre zum einen die Gaststätten-Sequenz, die sich nicht so ganz in die Geschichte einfügen mag; auch kann man dem Regisseur vorwerfen, dass er vielleicht hier und da ein bisschen zu tief in die Special-Effect-Kiste greift. So ist der Effekt beim Berühren der Geister zweifelsohne ein Eye-Catcher, aber trotzdem nicht unbedingt spooky. Vergleichen mit Zimmer 1408 sind die Effekte aber trotzdem noch dezent zu nennen. Der Vergleich zwischen „Der eisige Tod“ und „Zimmer 1408“ ist übrigens durchaus erlaubt und macht Sinn. Letzterer beruht auf einer Kurzgeschichte von Stephen King, wobei Mikael Håfströms Film immerhin so wirkt, als wäre er aus der Feder des selben Autors geflossen. Und auch strukturell gibt es einige Gemeinsamkeiten, die allerdings um die Spannung zu erhalten hier nicht explizit genannt werden sollten. Im direkten Vergleich – auch wenn die Einnahmen an den Kinokassen anderes suggerieren – ist der „Der eisige Tod“ sogar der etwas bessere Film. Zwar kracht und wummst das durchgedrehte Zimmer um einiges lauter, doch in Sachen Atmosphäre hat Gregory Jacobs Film in der Mehrheit der Szenen sowie insgesamt die Nase vorn. „Der eisige Tod“ macht aber auch deswegen den sympathischeren Eindruck, weil hier eine Spukgeschichte erzählt wird und nicht einfach nur Spukszenen aneinander gereiht werden. Auch die beiden Jungstars müssen sich nicht hinter John Cusack verstecken. Für wen die Menge des geflossenen Blutes ein Qualitätskriterium eines Horrorfilms ist, liegt mit „Der eisige Tod“ definitiv falsch. Freunde des gepflegten Fröstelns werden allerdings auf ihre Kosten kommen.

    Fazit: „Der eisige Tod“ erfindet das Genre des Spuk- oder Gruselfilms nicht neu, doch haucht er ihm einen wenig frisch-kalten Atem ein. Kleinere Schwächen stören den Gesamteindruck des handwerklich solide gemachten Films nicht sonderlich.

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