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    King of California
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    King of California
    Von Martin Thoma

    Mit seiner Tragikomödie „King Of California“ ist Regisseur und Drehbuchautor Mike Cahill ein schönes Debüt gelungen. Es beruht auf einer sehr schlichten, aber immer wieder gern gewählten Grundstruktur: Das Kind ist der Erwachsene – und der Erwachsene ist das Kind. Die Spannung entsteht dadurch, dass weder das eine noch das andere ganz zutrifft, geschweige denn funktionieren kann.

    Nackte Chinesen an der Küste von Kalifornien – Charlie (Michael Douglas) kommt aus der Nervenheilanstalt zurück und weiß nicht genau, ob das eine wirkliche Nachricht ist oder ob er es nur geträumt hat. „Boat People“ soll es ja geben. Ganz alltägliches Elend, voll normal. Aber Chinesen in Kalifornien? Charlies 17-jährige Tochter Miranda (Evan Rachel Wood) ist sehr misstrauisch, was Anzeichen von etwas abseitig erscheinenden Ideen angeht. Und dafür hat sie gute Gründe. Während ihr Vater sich in die kindliche Regression seiner Innenwelt und schließlich die letzten zwei Jahre mitsamt dieser in die Nervenheilanstalt zurückgezogen hat, musste Miranda ganz allein mit dem Leben draußen zurecht kommen. Ihre Mutter hatte schon lange zuvor die Flucht ergriffen. Nun ist Charlie zurück und zieht es vor, einen Aztekenschatz aus dem 17. Jahrhundert zu suchen, statt sich einen Job zu besorgen. Einerseits ist das für Miranda mehr als schlimm, andererseits ist der Herr, den sie Charlie nennt, der aber immer Dad genannt werden möchte, in seiner Begeisterung auch nur schwer aufzuhalten...

    Miranda: “Du nimmst nichts auf der Welt ernst, du machst dich nur über alles lustig!"

    Charlie: "Aber schau dir die Welt doch an.“

    Miranda: “Das tu ich. Aber im Gegensatz zu dir muss ich in ihr leben.“

    Charlie hat seinen Weg gefunden, genau das zu vermeiden. Miranda musste aus eben diesem Grund schon sehr früh sehr erwachsen handeln. Wenn sie Charlie auf seine Schatzsuche folgt, kann sie über seine Kindlichkeit vielleicht etwas von ihrer eigenen verpassten Kindheit nachholen. Dazu kommt, dass sie einerseits auf ihn aufpassen muss, ihn andererseits aber auch gerne als Vater wieder kennen und lieben lernen würde. Es ist nicht so, dass Charlie die reale Welt gar nicht verstehen könnte. Er akzeptiert sie nur nicht. Er verweigert ihr seinen Respekt. Die Polizei respektiert ihn ja auch nicht, wenn er auf einem Golfplatz nach Aztekengold sucht. Über solche Polizisten kann sich Charlie nur wundern: “Warum sagen sie ‚Kann ich Ihnen helfen', wenn es das Letzte ist, was sie tun würden? Und warum sagen sie ‚Sir', als ob sie Respekt vor einem hätten?“ Manchmal hat er Erfolg, wenn er sich ungeschriebenen oder geschriebenen Gesetzen verweigert. Manchmal sogar bei Polizistinnen.

    „King Of California" ist zwar rebellisch, will aber dabei nicht wirklich böse sein. Little Miss Sunshine, die US-Independent-Produktion des vergangenen Jahres, die ein ähnliches Publikum angepeilt haben dürfte, war deutlich bissiger (und zweifellos auch turbulenter). „King Of California“ kann und will da nicht mithalten. Eigentlich ist das auch gar nicht schlimm. Der Film braucht ein bisschen Zeit, seinen Rhythmus zu finden, entwickelt dann aber einen eigenen Charme. Einen eher warmen, harmonischen Ton, der durchaus auch den Wünschen seiner Figuren entspricht. Ein bisschen sind diese Schatzsucher kleiner Bär und kleiner Tiger, die sich gesagt haben: „Komm, wir finden einen Schatz.“

    Hier wird Michael Douglas’ Darstellung allerdings zum größten Problem des Films. Er übertreibt das, was die Geschichte ohnehin nahe legt und gibt: den zuckersüßen Verrückten. Gut wäre gewesen, gegenzusteuern und die dunkle, depressive Seite von Charlie durchscheinen zu lassen. Leichte Ansätze dazu gibt es im Drehbuch. In Douglas' lustig-bärtigem Gesicht sieht man sie nie. Wo ein Schuss Falling Down gar nicht verkehrt gewesen wäre, ist Douglas zu sehr ein zweiter Robin Williams. In Filmen, die nicht die Radikalität eines Der König der Fischer haben – und die hat „King Of California“ nicht ansatzweise – sorgt dieses jede Kritik ausblendende Agieren für einen überhöhten Zuckergehalt.

    Kamerafahrten wie die, bei der der Vollmond hinter einem riesigen McDonalds-Zeichen versinkt, kratzen an der anderen, der sauren Seite des Kitsches. Dies lässt man sich schon allein deshalb gefallen, weil der Song, der die Schnittfolge unterlegt, so großartig ist. Der stimmungsvolle Soundtrack ist überhaupt sehr gelungen, nur wartet man auf den Song „King Of California“ von Dave Alvin, der auch gut gepasst hätte, leider vergeblich.

    Wenn man einen Verrückten verkörpert, kann man als Schauspieler immer glänzen. Die Rolle der betont Normalen daneben ist hingegen eine eher undankbare. Evan Rachel Wood (An deiner Schulter, Krass) schlägt sich dennoch ordentlich. Selbstverständlich hat allein schon der altkluge Ton, mit dem Miranda aus dem Off die Geschichte kommentiert, das Zeug dazu, dem Zuschauer auf die Nerven zu fallen. Doch Wood gelingt es, auch die Unsicherheit und eine gewisse Naivität der „erwachsenen“ 17-Jährigen darzustellen.

    „King Of California“ ist ein schöner Film über eine Vater-Tochter-Beziehung, über das Erwachsen werden eines siebzehnjährigen Mädchens, das schon immer die Rolle einer Erwachsenen einnehmen musste und einem Erwachsenen, der scheinbar unaufhaltsam seinen Weg in die kindliche Regression geht. Dabei nimmt er den Zuschauer, der sich nicht selten genau so eine Flucht, wenn auch besser nur für kurze Zeit, vom Kino erwartet auf charmante Weise mit. „King Of California“ ist ein kindliches Abenteuer und eine bewegende Tragikomödie mit leichten gesellschaftskritischen Untertönen und ein bisschen zu viel Niedlichkeit.

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