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    Awake
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Awake
    Von Jan Hamm

    Jedes Jahr durchleben bis zu 0,2 Prozent aller OP-Patienten in den Vereinigten Staaten einen Zustand namens „anesthesia awareness“ – das sind immerhin 40.000 Menschen. Aufgrund einer fehlerhaften Narkose ist der Patient zwar körperlich stillgelegt, erlebt den operativen Eingriff aber bewusst mit. Nicht wenige der Unglückseligen leiden danach an posttraumatischen Belastungsstörungen und müssen jahrelang behandelt werden, um wieder in ihren früheren Alltag zurückzufinden. Schlimm genug! Was aber, wenn man hilflos unter dem Skalpell liegt, während die Ärzte von Schutzengeln zu mordlustigen Verschwörern mutieren? Ein unvorstellbarer Horror – und der perfekte Stoff für einen hochspannenden Thriller. Theoretisch zumindest. Mit „Awake“ versucht sich Regisseur und Autor Joby Harold an dieser vielversprechenden Thematik, setzt sein Debüt aber mit Karacho in den Sand. Der Film ist ein dramaturgisches Desaster und verliert sich in metaphysischem Unfug, statt sich auch nur ansatzweise um die Tragweite seines Themas zu scheren. Dabei fängt alles so vielversprechend an...

    Clay Beresford (Hayden Christensen, Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith) hat alles, wovon andere nur träumen können. Als schwerreicher Erbe schließt er bereits mit Mitte zwanzig internationale Wirtschaftsverträge ab, obwohl er eigentlich schon längst ausgesorgt hat. Auch privat blickt Clay seit der Verlobung mit seiner bildhübschen Freundin Sam (Jessica Alba, Sin City) einer strahlenden Zukunft entgegen. Wenn nur sein schwaches Herz nicht wäre! Als ihm endlich eine Transplantation zugesagt wird, bittet er seinen Freund, den Chirurg Jack Harper (Terrence Howard, Iron Man), den Eingriff vorzunehmen. Trotz heftiger Einwände seiner Mutter Lilith (Lena Olin, Chocolat), die ihren Sohn lieber in den Händen eines erfahreneren Arztes sehen würde, legt Clay sich auf Jacks OP-Tisch und schließt die Augen. Doch die Narkose schlägt fehl. Vollkommen ausgeliefert muss er miterleben, wie sein Herz den Körper verlässt. Und wie die Chirurgen zu einem mörderischen Coup ansetzen...

    Von hier aus hätte „Awake“ richtig durchstarten können, zum Beispiel mit einer spannenden Hatz auf die hinterwäldlerischen Mediziner. Oder mit einem ausgereiften Drama um die verwüstete Psyche des wiedererwachten Patienten. Aus unerfindlichen Gründen zieht Regisseur Harold es aber vor, seinen Film mit der immerhin wendungsreichen OP abzuschließen. Damit lässt er nicht nur bereitwillig das eigentliche Potential der Geschichte links liegen, sondern macht auch genau den Fehler, der im Unterhaltungskino einfach nicht vorkommen darf: Er verdammt seinen Protagonisten zur totalen Passivität. Das hat zuletzt schon bei Die Mumie - Das Grabmal des Drachenkaisers für große Verstimmung gesorgt.

    Damit Hayden Christensen überhaupt noch etwas zu tun hat, darf er ganz im Sinne des Nahtoderlebnisses seinen Körper verlassen und aufgeregt durch die Klinikflure gurken. Aber statt den Sturzflug der Dramaturgie damit abzubremsen, driftet „Awake“ in krude Traumsphären ab, die mit Clays Vaterkomplex einen unnötigen Nebenschauplatz eröffnen. Während die Chirurgen also alle Hände voll damit zu tun haben, die OP zum Scheitern zu bringen, tourt Clay abwechselnd durch die Klinik und Episoden aus seiner Vergangenheit. Da trifft er nach einem arg konstruierten Twist auf seine Mutter, die ihm nebenher die Wahrheit über seinen toten Vater steckt. Die Offenbarung erschöpft sich in plakativer Laienpsychologie und trennt den Protagonisten vollends vom eigentlichen Plot.

    Was die Operation endgültig misslingen und den Patienten „Awake“ qualvoll verrecken lässt, ist die Belanglosigkeit, mit der Harold die „anesthesia awareness“ inszeniert. Die Sequenz beginnt zwar atemlos mit einem zunehmend panischer werdenden Voice Over, danach ist aber schnell die Luft raus. Zumal die OP ohnehin zwei Drittel des Films abdeckt und damit viel zu lang geraten ist. Weder hantiert die Kamera dabei intelligent mit der eingeschränkten Perspektive des Patienten (vergleiche: Schmetterling und Taucherglocke), noch tragen Schnitt oder Soundtrack sonderlich zur Intensität der eigentlich albtraumhaften Szenerie bei. Dazwischen flimmern dann in kitschiger Werbeästhetik besagte Rückblenden in Clays Vergangenheit über die Leinwand.

    Gegen eine derart mangelhafte Konzeption können auch die Darsteller wenig ausrichten. Hayden Christensen, der nicht müde wird zu betonen, wie sehr er seinen Auftritt in den „Star Wars“-Prequels bereut, ist ohnehin weniger ein fähiger Schauspieler, als viel eher ein Blickfang fürs weibliche Publikum. Fairerweise bekommt der männliche Teil mit Jessica Alba das entsprechende Pendant vorgesetzt. Insbesondere dafür, dass ihre taufrische Ehe mit der lebensgefährlichen OP ein jähes Ende finden könnte, sind beide bis zum Wendepunkt der Geschichte viel zu beschwingt unterwegs. Lediglich Terrence Howard kann ein paar Sympathien auf seine Seite ziehen. Dumm nur, dass gerade der am Ende eigentlich gar nicht mehr sympathisch wirken soll.

    Fazit: „Awake“ ist als Thriller und Drama gleichermaßen ein Totalausfall. Das Spannungspotential einer hautnah miterlebten Herztransplantation bleibt weitestgehend ungenutzt und die dramaturgischen Fehler sorgen konsequent dafür, dass dem Film der rote Faden verloren geht. Die metaphysische Therapiesitzung ist dann gar unfreiwillig komisch. Wer sich auf solche Drehbücher einlässt, sollte sich zwei Mal überlegen, ob er lautstark über „Star Wars“ herziehen muss. Die Rache der Sith hatte zumindest ein echtes Finale – eine Selbstverständlichkeit, die „Awake“ fehlt. Übrig bleiben auf Hochglanz polierte Bilder schöner Menschen. Ein würdiges Denkmal für die Opfer fehlerhafter Narkosen ist das wahrlich nicht.

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