Mein Konto
    Seraphim Falls - Gnadenlose Jagd
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Seraphim Falls - Gnadenlose Jagd
    Von Martin Soyka

    Wenn man an das Genre des Westerns denkt, dann fällt einem unwillkürlich ein, dass dieses schon seit Jahrzehnten tot gesagt wird. Seit dem legendären Flop „Heaven’ s Gate“ und dem Heimgang des „Duke“ John Wayne scheint auf den ersten Blick tatsächlich nicht sonderlich viel passiert zu sein. Denkt man dann weiter nach, fällt einem Der mit dem Wolf tanzt ein, dann natürlich Erbarmungslos, der großartige Open Range oder demnächst das Western-Highlight Todeszug nach Yuma. So ganz tot ist das Genre also nicht, immer wieder wird des amerikanischen Kinos liebstes Kind herangezogen, um Geschichten aus der Gründerzeit zu erzählen. Dem Zuschauer kann das nur Recht sein, zumal sich auf einen Western meist die ganze Familie einigen kann, von den Töchtern vielleicht einmal abgesehen. Aber möglicherweise werden auch die David von Anckens „Seraphim Falls“ ebenfalls etwas abgewinnen können, denn einer der Hauptdarsteller ist der nach wie vor attraktive Pierce Brosnan (James Bond von Goldeneye bis Stirb an einem anderen Tag). Pierce Brosnan in einem Western? Geht das? Ja, das geht. Ziemlich gut sogar…

    Irgendwo in den Rockies, einige Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Ein namenloser Trapper (Pierce Brosnan) macht sich in den schneebedeckten Bergen am Lagerfeuer einen kleinen Happen zu Essen, den er zuvor erlegt hat. Plötzlich knallen Schüsse, einer trifft ihn in den Arm. Kein Zweifel, der Mann wird gejagt. Ihm auf den Fersen ist ein Trupp ebenfalls noch namenloser Jäger, angeführt von einem verbissenen Hühnen (Liam Neeson, Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung, Tatsächlich Liebe, Batman Begins). Warum die Männer auf der Jagd sind? Wir wissen es nicht. Nur eines wird von vornherein klar: Es geht um Leben und Tod. Der Trapper macht sich Hals über Kopf und ohne Pferd auf die Flucht durch die verschneiten Berge und schlägt Haken über Haken, nur bewaffnet mit einem riesigen Jagdmesser. Ein Verfolger nach dem anderen, angeheuert von deren Anführer, lässt auf der Hatz nach dem Verwundeten sein Leben. Und je mehr die Verfolger dezimiert werden, desto verbissener geht deren Anführer zu Werk. Wer ist der Schurke? Wer ist der Held? Und welches schreckliche Geheimnis verbindet die beiden erbitterten Kontrahenten?

    Mehr zu den Hintergründen zu erzählen, verbietet sich, denn die Frage nach dem Warum macht einen wesentlichen Reiz des Films aus, der eigentlich nichts anderes ist als eine einzige lange Verfolgungsjagd. Die erste halbe Stunde ist ebenso wortkarg wie packend inszeniert, auch wenn der Zuschauer nicht genau weiß, wem er seine Sympathien entgegenbringen soll. Dem Verfolger (Neeson), denn der scheint einen gerechten Zorn auf den Gejagten zu haben? Oder dem Verfolgten (Brosnan), der sich immer wieder mit ebenso einfachen wie überraschenden Mitteln aus schier ausweglosen Situationen rettet? So lange dies in der Schwebe gelassen wird, erinnert „Seraphim Falls“ an einen anderen Klassiker des Verfolgungsfilms, nämlich den zu Unrecht viel gescholtenen Klassiker Rambo. Denn das riesige Jagdmesser ist nicht die einzige Parallele.

    Brosnan macht seine Sache erstaunlich gut. Fast vergessen sind die Zeiten, in denen er sich im Smoking Martinis bestellte. Der Brosnan, den wir hier sehen, ist älter, etwas fülliger und wesentlich härter als der britische Sportwagenfahrer alter Zeiten. Der James Bond, für den Brosnan früher stand, hätte sich kaum mit einem nur notdürftig sterilisierten Monstermesser eine Kugel aus dem Arm herausgeschnitten – ohne Narkose versteht sich. Brosnan gelingt es, seinen Charakter fast als wildes Tier zu zeigen. Er spricht anfangs nicht und später kaum und reagiert immer nur nach seinen Fähigkeiten auf die jeweilige Situation. Liam Neesons Figur bietet da weniger Überraschungen, aber auch ihn haben wir bisher nie so hart, verbohrt und verbissen gesehen wie hier. Rücksichtslos geht er zu Werke, die Belange anderer, und seien sie auch kindlichen Alters, sind ihm völlig schnuppe. Er will den Gejagten haben, er will endlich eine alte Rechnung begleichen.

    Lange zieht sich die Jagd hin, von den eisigen Bergen bis hin in die Wüste (was man verraten darf, denn dieses Bild wird schon auf dem Cover der DVD gezeigt), mehrere Zwischenstationen inbegriffen. Aber auch wenn das Geheimnis um die beiden Kontrahenten schließlich offen gelegt wird, ist der Zuschauer sich letztlich immer noch nicht sicher, wer hier der Gute und wer der Böse ist. Beide Seiten haben demonstriert, dass sie zum Schlimmsten fähig sind. Gleichzeitig haben sie auch weichere Seiten gezeigt.

    Der Film punktet mit einer schnörkellosen Inszenierung des bisher nur als TV-Serien-Regisseurs aufgefallenen David von Ancken. Alles ist angenehm zurückgenommen, auf den Punkt herausgearbeitet. Kein Wort Dialog zu viel, jede Auseinandersetzung ist eine logische Folge des vorangegangenen Tuns. Und der Film verströmt einen angenehmen Realismus, denn es wird anders als in anderen Western nichts verklärt oder heorisiert. Selbst die unschuldig wirkenden Kinder und Gottesgläubigen, die im Verlauf der Handlung auftauchen, sind mit Vorsicht zu genießen.

    Schwächen leistet sich der Film allerdings stets dann, wenn es Brosnans Charakter schafft, sich immer wieder aus dem Zugriff seiner Verfolger herauszuwinden – und umgekehrt. Mehrfach gelingt es dem einen, des jeweils anderen habhaft zu werden, ohne dass einer von beiden das Leben lassen muss. Da macht es sich der Film zuweilen zu einfach, zu offensichtlich ist das Bemühen, die Geschichte immer in Bewegung zu halten. Und der eine oder andere Logikfehler ist auch dabei (Was ist bei Langstreckenschüssen zuerst da? Schall oder Kugel?). Dumm ist der Western dabei nicht. Streckenweise gleitet er sogar ins Surreale ab, insbesondere kurz vor Schluss, wenn beiden Charakteren nacheinander mit Angelica Houston eine ganz schräge Figur begegnet (Tipp: auf die Beschriftung ihres Planwagens achten!). Und auch die psychologische Motivation des Endes wird nicht plausibel genug herausgearbeitet.

    Das ist aber letztendlich zu verschmerzen, wird sind hier schließlich in einem Western mit harten Kerlen und nicht in einem Ingmar-Bergman-Film. Was zu der eingangs aufgestellten Prämisse führt, bei dem Film könnte es sich um einen Familienstreifen handeln. Das ist er, wenn die Familie wartet, bis die Kinder ins Bett gegangen sind, denn die Gewalt ist für einen Western bretthart und ungeschönt, wenn auch glaubhaft und nicht übertrieben dargestellt.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top