Das verstehe, wer will! In den vergangenen Jahren scheint sich Hollywood verstärkt einen Spaß daraus zu machen, Regie-Talente aus aller Welt in die Traumfabrik zu locken, nur um deren eigenen Stil sofort zu unterbinden und sie stattdessen harmlose 08/15-Ware inszenieren zu lassen. Von dem Rumänen Nimrod Antal (Motel) über den Schweden Mikael Hafström (Entgleist) bis hin zum Deutschen Robert Schwentke (Flightplan) wird die Liste der gut entlohnten Opfer immer länger. Und nun hat es auch Lautlos-Regisseur Mennan Yapo erwischt. Wo sein Erstling noch als stilsicherer, eigenwilliger Genrestreifen der Güteklasse A überzeugte, ist sein US-Debüt, der Mystery-Thriller „Die Vorahnung“, nun nicht mehr als Hollywood-Einheitsbrei. Zwar ist an dem Film bei weitem nicht alles schlecht, und ab und zu blitzt vor allem auf der visuellen Ebene sogar ein klein wenig von Yapos großem Talent durch, aber spätestens bei der misslungenen Auflösung, die komplett in der Tradition der „Tu bloß keinem weh!“-Einstellung der herrschenden Studios steht, muss auch er sich der anti-kreativen Haltung der Traumfabrik beugen.
Donnerstag: Als Linda Hanson (Sandra Bullock) erfährt, dass ihr Mann Jim (Julian McMahon, „Nip/Tuck“) am Tag zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, bricht für sie eine Welt zusammen. Neben ihrer Trauer steht plötzlich die Organisation der Beerdigung an, und ihren beiden Töchtern Megan (Shyann McClure) und Bridgette (Courtney Taylor Burness) muss der schmerzliche Verlust auch noch beigebracht werden. Vollkommen müde und erschöpft schleppt sich Linda in ihr Bett. Montag: Als Linda am nächsten Morgen erwacht, staunt sie nicht schlecht - Jim bereitet in der Küche gerade das Frühstück vor. Zwar zweifelt Linda kurzzeitig an ihrem Verstand, doch trotzdem geht sie weiter ihrem ganz normalen Tagesgeschäft nach. Samstag: Gerade noch in den Armen ihres Mannes eingeschlafen, platzt Linda, kurz nachdem sie wieder erwacht ist, auch schon in dessen Trauerfeier. Nun ist die Verwirrung komplett. Scheinbar durchlebt Linda immer abwechselnd einen Tag vor und einen Tag nach dem Unfall. Da kommt ihr eine Idee: Vielleicht kann sie mit den so gewonnenen Informationen Jims Unfall irgendwie verhindern. Doch bei den Nachforschungen kommen nicht nur positive Details über das Treiben ihres Musterehemanns ans Licht...
Anders als in „... und täglich grüßt das Murmeltier“ wacht Linda nicht jedes Mal am selben Tag auf, allerdings auch nie am nächsten. So muss vor dem Frühstück stets erst einmal das aktuelle Datum herausgefunden werden. Es gibt wohl nicht viele Filme, die mit so eng gesäten Zeitsprüngen wie im Fall von „Die Vorahnung“ gesegnet sind. Hier ein kleine Grafik zur „Vereinfachung“ (beim Kreuz geht’s los!):
Es fällt schwer zu behaupten, dass diese allzu verschachtelte Dramaturgie zum Erzählen der Geschichte zwingend nötig gewesen wäre, aber wirklich stören tut sie auch nicht. Auch haben viele der Puzzleteile, etwa Bridgettes plötzlich auftauchende Schnittwunden oder die tote Krähe im Garten, rein gar nichts mit der eigentlichen Story zu tun, aber auch dies fällt nicht unbedingt negativ auf. So unterhält die erste Stunde als zwar oberflächliches, aber doch spaßiges Knobelspiel, das dazu noch ziemlich gut aussieht. Mit Ausnahme einiger übertriebener Weichzeichnungen werden hier durchgehend interessante Bilder auf die Leinwand gebracht. In erster Linie geht es Yapo sowieso um die Entwicklung seiner Hauptfigur, die Zeitsprung-Spielereien interessieren ihn nur sekundär. So sollte man auch auf keinen Fall zu tief in die Logik hinter dem Ganzen eintauchen, man würde dann wohl nur noch mit den zahllosen Löchern in dieser hadern, sondern sich stattdessen lieber an der Darstellung von Sandra Bullock (Speed, Mord nach Plan, Das Haus am See) erfreuen. Im Gegensatz zu ihren zuletzt eher eindimensionalen Rollen (mit Ausnahme ihres grandiosen Auftritts in L.A. Crash) darf sie hier nämlich mal wieder die gesamte Bandbreite ihres Könnens abrufen. „Die Vorahnung“ ist ein Bullock-Starvehikel, und Yapos Inszenierung wird dieser Vorgabe absolut gerecht.
Es gibt in „Die Vorahnung“ eine Szene, in der Linda, kurz nachdem sie von Jims außerehelichen Aktivitäten erfahren hat, ihre Mutter fragt, ob es gleichbedeutend mit Mord wäre, wenn sie ihren Mann einfach sterben lassen würde. Man stelle sich nur vor, wie genial es gewesen wäre, wenn der Film diesen radikalen Ansatz konsequent weiterverfolgt hätte: Die ganze Zeit über werkelt die Hauptfigur an einer Möglichkeit, den vorhergesehenen Unfall abzuwenden, nur um dann festzustellen, dass der zu Rettende ein ziemlicher Arsch ist und den Tod absolut verdient. Eine Revolution, die das ganze Vorhersehungs-Genre wunderbar ad absurdum geführt hätte. Doch statt in diese Richtung voranzuschreiten, lässt sich Yapo auf das niederste Hollywood-Niveau herab. Durch seine nun gewählte, süßlich-schmalzige, verklärend moralische und religiös angehauchte Schuld-und-Sühne-Auflösung wird Spannung und Atmosphäre der Propagierung uramerikanischer, erzreaktionärer Werte geopfert. Nicht nur werden die religiösen Einflüsse erst ganze 15 Minuten vor dem Ende durch einen unmotivierten Gang Lindas zu einem Priester eingeführt, außerdem verlässt man den Saal so nach 90 Minuten Mysterykino mit nur einer einzigen Erkenntnis: Fremdgehen ist nicht so dolle! Na super.
Fazit: Mennan Yapo liefert mit seinem Hollywood-Debüt „Die Vorahnung“ einen klar überdurchschnittlich inszenierten Mystery-Thriller ab, der in der ersten Stunde vor allem dank einer gut aufgelegten Sandra Bullock als unterhaltsames Puzzlespiel funktioniert, der sich aber mit seinen ganz, ganz schwachen letzten 20 Minuten auch viele seiner positiven Ansätze zunichte macht.