Seitdem er 1987 mit seinem Debütfilm „Rotes Kornfeld“ den Goldenen Bären der Berlinale gewinnen konnte, hat sich der 1950 in China geborene Zhang Yimou vor allem einen Namen als Regisseur kritischer Dramen gemacht. Rote Laterne (Silberner Löwe in Venedig), „Die Geschichte der Qui Ju“ (Goldener Löwe), „Leben!“ (Großer Preis der Jury in Cannes), „Keiner weniger“ (Goldener Löwe) und Heimweg (Silberner Bär) gehören zum Besten, was das chinesische Kino der letzten 20 Jahre zu bieten hat, und übten auch international großen Einfluss aus. Seitdem er 2002 mit dem famosen Actionepos Hero seinen bis dahin mit Abstand größten Erfolg feiern konnte, hat Yimou allerdings ein neues Lieblingsgenre für sich entdeckt. Mit „Der Fluch der goldenen Blume“ kommt nun schon sein drittes Mammut-Projekt in gerade einmal vier Jahren in unsere Kinos. Und nachdem er mit seinem zweiten Kassenschlager House Of Flying Daggers leicht schwächelte, kann Yimou mit „Der Fluch der goldenen Blume“ nun wieder nahtlos an die Qualität seines Martial-Arts-Meisterwerks Heroanknüpfen.
China vor mehr als 1000 Jahren: Nachdem er erfahren musste, dass seine Gattin (Gong Li) eine Affäre mit seinem Sohn aus erster Ehe, dem Kronprinzen Wan (Liu Ye), begonnen hat, trifft der König (Chow Yun Fat) Vorbereitungen, die Königin mit Hilfe eines schwarzen Pilzes in ihrer Medizin langsam zu vergiften. Doch diese hat keinesfalls vor, ihrem Tod untätig ins Auge zu sehen. Sie selbst schmiedet ein ebenso grausames Komplott. Am Tag des Chrysanthemenfestes, wenn die Palastwache sich zum Festschmaus zurückzieht, soll ihr gerade von seiner Militärausbildung zurückgekehrter Sohn Prinz Jai (Jay Chou) mit ihrer Unterstützung einen Putschversuch wagen und den König von seinem Thron stoßen. Doch dies sind nicht die einzigen Begehrlichkeiten, die sich über die Jahre am Hofe aufgestaut haben, nicht die einzigen verbotenen Liebschaften, die nun verbitterte Todeswünsche nach sich ziehen. Während des säubernden Finales müssen so mehr königliche Familienmitglieder ihr Leben lassen, als man es je zu vermuten wagte…
Nachdem Story und Actionchoreographien in Hero perfekt ineinander übergingen, kamen die Martial-Arts-Szenen und die leicht sentimentale Liebesgeschichte in House Of Flying Daggers nie wirklich zusammen. Diesen Fehler wiederholt Yimou in „Der Fluch der goldenen Blume“ glücklicherweise nicht, sondern nutzt die unvergleichlichen Kampfchoreographien ausschließlich dazu, die inneren Konflikte seiner Charaktere nach außen hin zu offenbaren. Dabei geht Yimou bis zur kaum noch zu übertreffenden Schlacht am Ende, die selbst dem Vergleich mit Peter Jacksons Der Herr der Ringe - Trilogie in jeder Hinsicht standhalten würde, überraschend sparsam mit Actionsequenzen um, lediglich eine Handvoll kleinerer Geplänkel gibt es vorher zu bestaunen. Doch diese haben es in sich. Jeweils nach einer ganz eigenen Grundidee ausgerichtet, strahlen sie neben purer Perfektion auch alle eine Einzigartigkeit und Originalität aus, wie man sie im Martial-Arts-Genre in dieser ausgeprägten Form schon lange nicht mehr gesehen hat. Vor allem eine Einstellung, in der sich eine kleine Attentäter-Armee mit dem Nachthimmel als Hintergrund an Seilen zu einer Attacke herablässt, wird dabei ebenso unvergesslich bleiben wie das den Himmel verdunkelnde Pfeilmeer aus Hero.
Jonglierte Yimou in House Of Flying Daggers noch mit urasiatischen Mythen und Geschichten, ist das royale Ränkespiel in „Der Fluch der goldenen Blume“ stark europäisch geprägt. Basierend auf Cao Yus viel gespieltem Theaterstück „Das Gewitter“, dessen Geschichte für den Film in die Zeit der späten Tang-Dynastie verlegt wurde, offenbart sich hier ein geschickt verschachteltes Königsdrama von shakespeareschen Ausmaßen. Dass dieses durchtriebene Intrigenduell trotz der kühlen Etikette am chinesischen Hofe mit einer unfassbaren emotionalen Wucht zuschlägt, ist dabei vor allem den beiden fantastischen Hauptdarstellern zu verdanken. Chow Yun Fat (Tiger und Dragon, Pirates Of The Caribbean - Am Ende der Welt) reichen allein seine hinter Bart und Kostüm hervorstechenden eiskalten Augen, um die finsteren Abgründe seines Charakters zu offenbaren. Und Gong Li (2046, Hannibal Rising) macht mit ihrem verzweifelten, aber dennoch Haltung bewahrenden Blick das unendliche Leid der Königin für den Zuschauer schon fast physisch spürbar.
„Eine Fassade aus Gold und Jade, aber darinnen krabbeln die Spinnen.“ – ein altes chinesisches Sprichwort
Diese prunkvolle Fassade, hinter der Yimou seine perfiden Ränkespiele ansiedelt, ist in „Der Fluch der goldenen Blume“ nicht einfach nur aus Gold und Jade, sie ist an schillernder Pracht und wahrer Schönheit schlicht nicht mehr zu überbieten. Egal ob bei ausufernden Kamerafahrten über den mit Millionen von Chrysanthemen geschmückten Hof des Palastes, oder bei Szenen im mit allen erdenkbaren Kostbarkeiten verzierten Inneren, hier wird große Kunst mit purem Bombast so eindrucksvoll vermengt, dass diese atemberaubende Mischung noch lange Zeit nach dem Verlassen des Kinosaals nachwirkt. Den Titel „Schönster Film des Jahres“ wird Yimous kunstvollem Farbenfeuerwerk wohl niemand mehr streitig machen können. Um es auf den Punkt zu bringen: Gong Lis extravagant modellierten Fingernägel liefern für sich allein mehr Schauwerte, als viele andere Filme während ihrer kompletten Laufzeit zu bieten haben. Mit „Der Fluch der goldenen Blume“ ist Chinas Meisterregisseur Zhang Yimou ein bildgewaltiges Historienepos gelungen, das pompöses Ausstattungskino von gigantischen Ausmaßen geschickt mit einem intimen shakespeareschen Königsdrama zu verstricken versteht.