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    True Lies
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    True Lies
    Von Ulrich Behrens

    Manchmal schon fragte ich mich – so wenn ich ganz allein und bei mir selbst war: Ist „True Lies” der ultimative Action-Film der 90er Jahre? Ist hier nicht alles und sind hier nicht alle versammelt, die zu einem guten, wenn auch in jeder Hinsicht realitätsfernen Action-Movie gehören? Direktor James Cameron hatte mit Aliens – Die Rückkehr (1986) einen würdigen Nachfolger des Ripley-Abenteuers von Ridley Scott geschaffen und zwei Jahre zuvor mit The Terminator Arnold Schwarzenegger zu dem gemacht, was er (obwohl jetzt Governor of California) immer noch ist – und dann dieses knallende und sprudelnde Spektakel von 1994, Remake einer französischen Abenteuerkomödie von Claude Zidi „La Totale!” (1991, mit Thierry Lhermitte und Miou-Miou).

    Jedenfalls scheint in „True Lies” alles versammelt, was hierher gehört:

    – ein Bond-gemäßer Auftakt in der Höhle des Löwen, sprich bei einem Fest des unter Terrorismus-Verdacht stehenden Jamal Khaled (Marshall Manesh), in dessen pompöse Villa sich Arnie, sprich Harry Tasker von der super-super-super-geheimen amerikanischen Regierungsorganisation „Omega-Sector”, als Gast im Frack einschleicht, um dessen Computergeheimnisse „auszusaugen” (noch mit Modem und Diskette), und aus der er sich durch einen Tanz mit der Vampire-Lady namens Juno Skinner (Tia Carrere) – die offiziell als Kunsthändlerin fungiert – wieder heraus zu komplimentieren gedenkt. Die sich daran anschließende Verfolgungsjagd ist Bond- wie Schwarzenegger-like.

    – Humor like „Lethal Weapon” zwischen den beiden Buddies Tasker und Albert Gibson (Tom Arnold), nicht zu dick und nicht zu dünn aufgetragen. Man sehe Albert, als der Top-Terrorist Salim (Art Malik) auf ihn schießt, wie er sich schützend hinter einen Laternenpfahl stellt und nach dem Geballere nachschaut, ob noch alles an ihm dran ist. Oder wie er Arnie mehrfach davon abhalten will, die Infrastruktur der „Omega-Sector”-Organisation für private Zwecke zu missbrauchen.

    – Eine Frau, die ihren Mann steht – und wen hätte Cameron da besser engagieren können als Jamie Lee Curtis, die anfangs noch als biedere Hausfrau und Ehefrau Helen Tasker erscheint, sich dann später aber im Zweikampf und auch ansonsten als ebenbürtige Partnerin ihres Gatten erweist.

    – eine haarsträubende Story, die so ziemlich alles an Glaubwürdigkeit fahren lässt, was man sich vorstellen kann. Kurz: Arnie macht, was er will. Cameron dreht, was er mag.

    – ein Feindbild, das seinesgleichen an klischeehafter Ausformung sucht: Salim Abu Aziz ist in Aussehen, Verhalten und Zielen der Prototyp des arabischen Terroristen, der nicht alle beisammen haben kann.

    – eine Geheimorganisation namens „Omega-Sector”, die vor technologischem Schmuckwerk, Geld und Eingriffsrechten nur so protzen kann und deren Chef von dem amerikanischen Waffen- und Law-and-Order-Narr Number One Charlton Heston gemimt wird.

    – einen Subplot um ein angebliches Techtelmechtel der vernachlässigten Ehefrau Helen mit dem Hochstapler Simon, der Frauen vorspielt, er sei im Auftrag des Präsidenten unterwegs und benötige unbedingt ihre Hilfe, sich andererseits aber in Gegenwart anderer vor Angst in die Hose pinkelt.

    – und last but not least ein (bei Schwarzenegger gewohntes) pyrotechnisches Riesenspektakel, dessen Wirkungen eigentlich eine ganze Großstadt zerstören müssten.

    Um was geht es also?

    Tasker führt ein Doppelleben: Heimlich operiert er gegen arabische Terroristen, die mit vier russischen Atomsprengköpfen Rache für die US-Politik im Nahen Osten nehmen respektive die Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen erzwingen wollen. Offiziell – gegenüber seiner Frau und seiner Tochter Dana (Eliza Dushku) – ist er Vertreter einer Computerfirma und fast nie zu Hause – nicht einmal an seinem Geburtstag. Helen trägt’s mit Fassung, Tochter Dana mit Rebellion.

    Obwohl Tasker und sein Mitstreiter Gibson zwei Terroristen, die Tasker wegen der geklauten PC-Informationen umbringen wollen, die Leviten lesen können (in einer sehenswerten Toilettenszene, die einen alten Mann in einem Scherbenhaufen zurücklässt), kann Salim Abu Aziz entkommen. Bei einer schweißtreibenden und nicht nur Glasscheiben zertrümmernden Verfolgungsjagd durch das angesehene Hotel „Marriott” per Motorrad und per Pferd entkommt Salim durch einen gewagten Flug vom Dach des Hotels, während ein Gaul Klugheit beweist.

    Kurz darauf erfährt unser Held zufällig, dass seine Frau sich heimlich mit einem anderen Mann namens Simon trifft. Gegen den Willen von Gibson setzt Tasker alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Geheimorganisation ein, um seine Frau auszuspionieren. Simon erweist sich als dreister Aufschneider; er und Helen werden von den maskierten Einheiten der „Omega-Sector” kurzerhand festgenommen und Helen per anonymen Verhör auf ihre Treue getestet. Der von ihr unerkannte Harry zwingt seine Frau, für die Organisation zu arbeiten, und sich mit einem angeblichen Feind zu treffen und vor diesem einen Strip zu absolvieren. Der Unbekannte ist natürlich kein anderer als Harry selbst.

    Pech nur, dass Salim von dem Treffen erfahren hat und beide – Helen will gerade anfangen, ihrer Wut freien Lauf zu lassen – schnurstracks als Geiseln nimmt. Und nun geht die Sause erst richtig los. Befreiung – Gegenschlag – Entführung – bis zum bitteren Ende. Für wen es bitter werden wird, dürfte kein Geheimnis sein.

    Nomen est omen. Und tatsächlich sagt der Titel des Films viel über den Streifen aus. Wahre Lügenmärchen, verpackt in einer gut dosierten Portion Humor und mehr Action, als viele andere Inszenierungen aufweisen können. Cameron beweist geradezu, was es heißen kann, das Genre in der richtigen Mischung zu präsentieren. Doch nicht nur das: Der Film nimmt sich selbst nicht so ganz ernst. Die überzeichneten Charaktere – von der „braven” Ehefrau, die zum Äußersten greift, über ihren smart-starken Ehemann bis zum arabischen Terroristen aus dem Bilderbuch, Charlton Heston, der sich mehr oder weniger selbst mimt –, die absolut krassen Verfolgungsjagden und Crashs und nicht zuletzt die Geschichte, die einem ob ihrer Logik nicht nur einmal die Haare zu Berge stehen lässt, greift Cameron voll in die Trickkiste des Trügerischen, das Kino letztlich ausmacht.

    „True Lies” ist – freiwillig oder nicht – der extreme Beweis für den Schein des Visuellen. In einer zentralen Szene gegen Schluss besteigt Schwarzenegger einen dieser senkrecht startenden Düsenjets, einen Harrier, und macht – die eigene Tochter auf der Jet-Nase all das, was im wirklichen Leben nicht möglich wäre – ILM lässt grüßen. Auch Schwarzeneggers Ritt durch das „Marriott” oder Helens Fahrt mit der bösen Juno im fahrerlosen Schlitten auf einer Straße, die im Nichts endet, d.h. im Wasser, gehören zu den plastischen Beispielen eines satten Action-Kinos, das mit der Realität so wenig zu tun hat, das einem schwindlig werden könnte.

    Doch merkwürdigerweise ist dieser Trash in „True Lies” eben nicht störend. Oder hat sich jemand daran doch gestört? Man(n) kann sich drauf einlassen, Frau vielleicht (manchmal, oder öfter) auch. Selbst die Liebesgeschichte – true lies –, die immerhin auf einem jahrelangen Betrug beruht, findet derart abstrus und durch massenhaft inszenierte Zufälle ihr Happyend, dass man nur die Hände auf die Schenkel schlagen möchte. Schlagt zu. „True Lies” ist Entspannung, Spannung, beautiful and strong Jamie, und ein Arnie, der hier und da auch mal Grips zeigt.

    Und bei alledem reproduziert der Film (natürlich, was sonst?) auch noch den amerikanischen Traum vom Helden vs. Terroristen und das amerikanische Trauma vom immer wieder kehrenden Fall der Twin Towers (von dem damals nur die Rede, nicht Gewissheit war). Da kann W. Bush dann endgültig einpacken.

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