Mit den Royal Maibaums auf Lanzarote
Von Jochen WernerEs ist nicht einfach als Tochter der „Stimme einer Generation“. Findet zumindest Sam (Julia Windischbauer), deren Vater Jo Maibaum (Niels Bormann) mit „Aus der Sonne“ einst einen Klassiker des Jugendromans verfasst hat. An ihrem eigenen Roman hat Sam, die Protagonistin aus Aaron Arens‘ Kinodebüt „Sonnenplätze“, zwar bereits sieben Jahre lang herumgewerkelt, aber offene Türen läuft sie damit nicht gerade ein. Zwar gibt sich die Literaturagentin Inge (Denise M’Baye) immer wieder mit der Nachwuchsautorin ab, aber statt ihr Manuskript zu lesen, legt sie ihr eine Crowdfunding-Internetplattform für kollaborative Fan-Literatur nahe. So ahnt Sam langsam, dass man sich doch nur wegen ihres Namens überhaupt mit ihr auseinandersetzt. Und vielleicht aus Hoffnung, ihr Vater möge seinem Kultbuch doch noch einen zweiten Roman folgen lassen.
Einen Vorteil hat die Existenz als arbeits- und mittellose Erfolgsautorentochter aber doch – und den nimmt Sam kurzerhand in Anspruch, als sie von ihrem Freund auf die Straße gesetzt wird: Beim Versuch, wieder in ihr Jugendzimmer einzuziehen, muss sie zwar feststellen, dass Marc (Jeremy Mockridge), der lieblich-dümmliche Lover ihrer Mutter Sybille (Juliane Köhler), darin inzwischen Hipster-Holzaccessoires produziert. Plan B ist das alte Familienferienhaus auf Lanzarote, wo sich perfekt dem Weltschmerz frönen lässt. Ein Sonnentrip, dem sich auch Sams an der schrägen neuen Familienkonstellation verzweifelnder jüngerer Bruder Frederick (Jeremias Meyer), ein mit einer Bundeswehrlaufbahn kokettierendes Pianistenwunderkind, spontan anschließt. Nur so leer wie erwartet ist das Haus nicht. Stattdessen treffen die weltflüchtigen Geschwister auf Papa Jo, der betrunken von der Terrasse auf Wachteln schießt.
Was folgt, ist eine Familienaufstellung der teils skurrilen, teils nervenzehrenden, großenteils aber etwas belanglosen Art. Diese eskaliert immer weiter, als zunächst ein mit dem Hausverkauf beauftragter Immobilienmakler (Oscar Ortega Sánchez) und schließlich auch noch Mutter Sybille mit ihrem deutlich jüngeren Lover im Schlepptau auftauchen. Zwischen Stromausfällen, Udo-Jürgens-Songs und allerlei Streitigkeiten bleibt nichts unausgesprochen – und als Jo seiner Tochter anbietet, ihren Roman unter seinem Namen zu veröffentlichen, um für den Kauf des Ferienhauses von seiner Ex-Frau zu zahlen, scheint sich gar ein alter familiärer Sündenfall zu wiederholen…
Man kommt manchmal nicht umhin, an andere, bessere Filme zu denken, wenn man sich „Sonnenplätze“ ansieht. Da ist die zersplitterte, entfremdete Familie voller hochbegabter, aber verkrachter und gescheiterter Existenzen, die im alten Zuhause wieder zusammenfindet, nur um alle einander zugefügten Wunden wieder aufzureißen. Und die literarische Kapitelstruktur, hier von kalenderspruchartigen Sentenzen aus Jo Maibaums Kultroman „Aus der Sonne“ begleitet. Fast meint man, es hier mit den Royal Maibaums (in Anlehnung an Wes Andersons „Die Royal Tenenbaums“) zu tun zu haben. In Sachen Gefühlstiefe bleibt der Vergleich jedoch zu hoch gegriffen, denn wo Anderson seine emotionalen Trümmerlandschaften mit herzzerreißender Traurigkeit und idiosynkratischem Humor gleichermaßen ausstaffiert, plätschert „Sonnenplätze“ eher gleichmäßig vor sich hin, ohne groß zu berühren oder echten Witz zu entwickeln.
Zugutehalten kann man ihm freilich, dass er in seinen besten Momenten um diese Lücke zwischen Anspruch und Realität zu wissen scheint, und am überzeugendsten ist er eigentlich immer dann, wenn er sich selbst ein wenig darüber lustig zu machen scheint. Selbst der große Jo Maibaum, der in seiner gesamten Karriere als Kultautor nur ein einziges Buch geschrieben hat, ist nicht nur kein Tenenbaum, sondern noch nicht einmal ein Maibaum, sondern ein gewisser Joseph Sack – und seine jüdische Identität besteht für ihn darin, sich halt wie ein Jude zu fühlen. Da kommt dann sogar mal kurz eine interessante (und betont deutsche) Perspektive in das ansonsten etwas belanglose Spiel um Sein und Schein – nur um dann aber direkt wieder fallen gelassen zu werden.
Ein paar harmlose Seitenhiebe gibt es überdies noch gegen Dieses & Jenes im Internet, wobei positiv auffällt, dass die dort entstehenden neuen, die Leser*innen direkt integrierenden Literaturformen, verkörpert durch Sams erfolgreiche, aber sehr freundliche Autorenkonkurrentin Lotte (Mina-Giselle Rüffer), durchaus nicht in Bausch und Bogen verdammt werden. Und ein Running Gag um Online-Sternebewertungen ist dann sogar ganz hübsch geraten – und lädt am Ende vielleicht sogar ein wenig zu sehr dazu ein, die Kritik zu „Sonnenplätze“ mit dem Zitat eines Urteils aus dem Film zu beschließen: „Kann man gucken. Man kann aber auch einfach ´n Bier oder ´nen Wein trinken gehen.“
Fazit: Eine nicht wirklich missratene, aber auch nicht besonders aufregende Familienaufstellung auf Lanzarote, die weder wirklich berührt noch sonderlich lustig geraten ist. Die durchaus gute, spielfreudige Besetzung arbeitet sich an einem etwas zu flachen, papierenen Drehbuch ab und holt heraus, was herauszuholen ist. Was am Ende übrig bleibt, ist aber all ihren Mühen zum Trotz etwas zu wenig.