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    Die wandernde Erde II
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die wandernde Erde II

    Die Vorgeschichte des Katastrophen-Megahits!

    Von Kamil Moll

    Wo (interstellare) Naturkatastrophen sonst meist als klassischer Stoff für Dystopien herhalten müssen, erweisen sich Frant Gwos „Die wandernde Erde“ und „Die wandernde Erde II“ zumindest politisch als Utopien: In beiden Blockbustern muss die Menschheit darauf reagieren, dass die sich unaufhaltsam ausdehnende Sonne in naher Zukunft die Erde vollständig zu zerstören droht. Im Angesicht der totalen Auslöschung schließen sich alle Länder zu einer vereinigten Einheitsregierung zusammen, die in gemeinsamer Organisation eine Lösung für die solare Notlage finden will. Durch ein weltweites Netz aus 10.000 Erdtriebwerken soll in einem mehrere Tausend Jahre umfassenden Prozess die Erde zunächst aus der Umlaufbahn der Sonne bewegt und später im System Alpha Centauri neu verankert werden. Weil die Temperatur auf der Erdoberfläche dabei massiv absinkt, zieht die Hälfte der Menschheit in riesige Städte, die unterhalb der Triebwerke errichtet werden. Für die andere Hälfte ist der Kältetod hingegen unausweichlich.

    Angelehnt an den stilprägenden Hollywood-Katastrophenfilm „Armageddon“ zeichnete der erste Teil von „Die wandernde Erde“ die Rettung der uns bekannten Welt noch als eine heroische Aufopferungsmission. Trotz bisweilen kreativer CGI-Weltraum-Setpieces verlor sich der Film über weite Strecken jedoch in einem kleinteiligen, unübersichtlichen Gewusel aus ständig neuen Bedrohungen, ohne einen wirklichen dramaturgischen Rahmen dafür zu schaffen. In „Die wandernde Erde II“ gelingt es Frant Gwo nun zumindest in der ersten Hälfte, den wieder recht gekonnt umgesetzten Blockbuster-Bombast mit einer emotionaleren Figurenbindung und interessanteren Sci-Fi-Ideen zu kombinieren. So scheint im Sequel auch stärker durch, dass das Franchise auf einer Story des renommierten und auch in Deutschland immens erfolgreichen Genre-Autoren Liu Cixin basiert.

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    Auch im Prequel stürzt wieder allerlei Gewaltiges auf die Erde!

    Als Prequel setzt „Die wandernde Erde II“ mehr als 30 Jahre vor den Ereignissen des Vorgängers ein. Zu diesem Zeitpunkt ist das sogenannte Projekt „Wandererde“ noch eine von mehreren in Betracht gezogenen Strategien, um der Expansion der Sonne auszuweichen. Wu Jing spielt erneut Liu Peiqiang, einen Piloten der Luftwaffe, der sich im Prequel erst am Anfang seiner Laufbahn befindet und auf einer Forschungsstation im Nordosten Afrikas stationiert ist. Hier wird ein gigantischer Weltraumaufzug gebaut, der bis hinauf zum Mond reichen soll. Auf dem Erdtrabanten arbeitet unterdessen der Computeringenieur Tu Hengyu (Andy Lau) an der Fortentwicklung eines Quantencomputers, der in Zukunft die Steuerung und Koordinierung sämtlicher Triebwerke übernehmen soll.

    Im Geheimen verfolgt Tu Hengyu jedoch noch einen zweiten, eigennützigeren Plan: Er möchte seiner verunfallten Tochter ewiges Leben in einer virtuellen Welt ermöglichen. Noch zu ihren Lebzeiten wurde ihr Gehirn gescannt – und mit diesen Daten soll der Quantencomputer nun das Bewusstsein des toten Mädchens simulieren. Eine erstaunlich spannende Gegenüberstellung: Auf der einen Seite die physischen Anstrengungen, vor der Auslöschung in ein anderes Sonnensystem zu fliehen – und auf der anderen die Möglichkeit, direkt ein endloses, aber virtuelles Leben in einer Computersimulation zu führen…

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    Eine gute alte Bekannte aus dem Katastrophen-Genre: Die Freiheitsstatue muss auch in „Die wandernde Erde 2“ mal wieder dran glauben!

    Letztlich wird aber auch „Die wandernde Erde II“ bei einer opulenten Spielzeit von drei Stunden von einer losen Abfolge stets viel zu bravourös bewältigter Katastrophen strukturiert, deren Herannahen immer wieder durch heruntergezählte Countdowns angekündigt wird: eine herabstürzende Raumstation, ein Sonnensturm, ein implodierender Mond. Dazwischen sehen wir die politische Entscheidungsfindung im New Yorker Hauptquartier der fürs Gemeinwohl verantwortlichen Einheitsregierung. Anders als in elaborierteren Katastrophenfilmen wie Hideaki Annos „Shin Godzilla“ steht dabei aber gar nicht so sehr der komplexe Aushandlungsprozess zwischen den verschiedenen Fraktionen …

    … sondern stattdessen die folgende, klar kommunizierte Message im Vordergrund: Jedes Problem bleibt beherrschbar, solange die Welt bei ihren Entscheidungen nur auf die chinesische Delegation vertraut. Dass die dafür stets notwendige Aufopferungs- und Todesbereitschaft stillschweigend vorausgesetzt und von den Figuren ohne jeglichen Konflikt erfüllt wird, hinterlässt, wie bei zahlreichen anderen chinesischen Blockbustern der letzten Jahre, am Ende einen faden bis allarmierenden Beigeschmack.

    Fazit: „Die wandernde Erde II“ schafft es besser als der erste Teil, den technisch recht gelungenen Zerstörungs-Bombast zumindest streckenweise mit einer emotional involvierenden Geschichte zu verbinden. Aber von einer gewissen Beliebigkeit bei der Katastrophen-Abfolge sowie einer zumindest fragwürdigen Opferbereitschafts-Message kann sich auch die Fortsetzung nicht freimachen.

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