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    Zu niedrige Gagen für Synchronsprecher: Darum muss es nach dem Erfolg des "Twilight"-Sprechers ein Umdenken geben

    Grundsätzlich zu niedrig seien die Gagen von Synchrondarstellern. Das urteilte das Landgericht München gerade im Rahmen einer Klage von Johannes Raspe, der in allen Teilen der Twilight-Saga Edward Cullen seine Stimme lieh. Er ist kein Einzelfall.

    Concorde Filmverleih GmbH

    Obwohl in Deutschland das Gros der Filme und Serien immer noch in einer synchronisierten Fassung geschaut werden und damit die dafür Verantwortlichen einen großen Anteil daran haben, wie die Werke beim Zuschauer ankommen, fristen die Mitarbeiter der Synchronbranche ein Schattendasein. Auch wenn sich die meisten wahrscheinlich nicht darüber beschweren, dass sie auf der Straße im Gegensatz zu den Stars, denen sie ihre Stimme leihen, nur selten erkannt werden (und dann nur, wenn sie ihren Mund öffnen), ist die niedrige Bezahlung in der Branche schon lange ein großes Problem.

    Gerade in der jüngeren Vergangenheit regte sich hier viel Unmut. Wir berichteten bereits unter anderem über die Auseinandersetzung von Marcus Off, der Johnny Depp nur in den ersten Teilen der „Fluch der Karibik“-Reihe synchronisierte oder auch die Umbesetzung bei „Akte X“. Ein neuer Fall ist für uns nun Anlass, noch einmal zurückzublicken und zu überlegen, woran die Forderungen nach höheren Gagen bislang scheiterten und was sich ändern muss.

    Johannes Raspe

    Der neueste Fall ist der von Johannes Raspe. Wie der Interessenverband der Synchronschauspieler (IVS) vor einigen Tagen mitteilte, konnte die deutsche Stimme von Edward Cullen in der „Twilight“-Reihe nun nach rund drei Jahren Prozess einen bedeutenden Teilsieg erringen. Das Landgericht München bewertete in seiner Urteilsbegründung die Gagen der Synchronschauspieler generell als zu niedrig und sprach Raspe eine sogenannte Nachvergütung für seine Tätigkeit zu. Die Berechnung der Höhe dieser will er laut Pressemitteilung zwar durch eine Berufung angreifen, aber allein die Feststellung eines Anspruchs auf eine Nachvergütung ist natürlich ein bedeutender Erfolg. Grundlage der Entscheidung ist übrigens eine Regelung im Urheberrecht. Danach kann ein Künstler nach § 32a UrhG Nachforderungen geltend machen, wenn zwischen der vereinbarten Gage und den Erträgen aus der Nutzung des Werkes ein auffälliges Missverhältnis besteht.

    Gerade darauf stellte das Landgericht München ab, als es feststellte, dass die Gagen von Synchronsprechern derart niedrig seien, dass sie nicht als angemessen angesehen werden können. IVS-Vorstand Till Völger wertet den Urteilsspruch in der Pressemitteilung des Verbandes als wichtigen Teilerfolg und merkt an: „Seit Mitte der 60er Jahre hat sich die Höhe der Gagen kaum verändert. Obwohl das Auswertungsvolumen und damit die Gewinne der Produzenten seither explodiert sind, wurde unsere Vergütung nie angepasst. Berechnet man die Inflation ein, ist sogar ein drastischer Gagenverfall zu erkennen – und das bei Pauschalabgeltungen ohne Berücksichtigung des Nutzungserfolges.“

    Marcus Off

    Vor Raspe konnte bereits im Sommer 2017 Marcus Off einen solchen Nachvergütungsanspruch geltend machen. Off synchronisierte in den ersten drei „Fluch der Karibik“-Teilen Johnny Depps Captain Jack Sparrow. Insgesamt spielten diese Filme bei Produktionskosten von rund 665 Millionen Dollar weltweit rund 2,6 Milliarden Dollar ein. Off erhielt für die Synchronisation ein Honorar von 9.306,14 Euro zuzüglich weiterer 8.650,00 Euro für die Synchronisation von DVD-Bonusmaterial und TV-Spots. Das lag zwar seinerzeit deutlich über der gängigen Gage für Synchronschauspieler, im Vergleich zu den Einnahmen, die auch in Deutschland mit dem Film erzielt wurden, mutet die Summe aber natürlich unglaublich gering an.

    Nach acht Jahren des Rechtsstreits zwischen Marcus Off und des deutschen Ablegers von Disney wurde ihm 2017 aufgrund dieses Missverhältnisses das Zehnfache seiner ursprünglichen Gage zugesprochen. Off bezahlte sein Kampf vor Gericht aber auch: Er spricht seit Beginn des Rechtsstreits deutlich weniger Rollen, nach eigener Aussage wollen ihn viele Filmverleiher nicht mehr.

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    Benjamin Völz

    In 177 Folgen und zwei Filmen von „Akte X“ lieh Benjamin Völz dem Agenten Fox Mulder (David Duchovny) seine Stimme für das deutsche Publikum. Doch im Film „Akte X – Jenseits der Wahrheit“ wurde er ersetzt und auch beim Neustart der Serie mit einer zehnten Staffel ist Benjamin Völz nicht zu hören. Woran das liegt? Als er angefragt wurde, um wieder die deutsche Stimme von Fox Mulder zu sein, nannte er seine Modalitäten. Diesmal wollte er mehr als die ihm angebotenen 4.000 Euro. Laut Völz erfolgte dann ohne weitere Verhandlung der Gage die Absage.

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    Ricardo Richter

    Ein weiteres Beispiel ist Ricardo Richter. In den ersten drei Filmen der „Die Tribute von Panem“-Reihe war er die deutsche Stimme von „Peeta“ Josh Hutcherson. Im finalen Teil „Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 2“ wurde er aber von Amadeus Strobl ersetzt. Vorangegangen war auch hier ein Gerichtsprozess, bei dem Richter eine Nachvergütung für die drei von ihm synchronisierten ersten Teile forderte. Zunächst wollte er sich sogar außergerichtlich mit dem deutschen Filmverleih einigen, sah sich dann aber nach eigener Aussage mangels Verhandlungsbereitschaft gezwungen, vor Gericht zu gehen. Die Konsequenz: Er synchronisiert seitdem nicht mehr Josh Hutcherson.

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    Darum ändert sich bislang nichts

    Umbesetzungen der Synchronschauspieler werden von den Fans meist sehr kritisch begleitet, schließlich fällt es schwer, sich an eine neue Stimme zu gewöhnen, wenn man vorher mehrere Filme lang eine andere gehört hat. Teilweise gibt es sogar regelrechte Fanproteste. Im Fall von Völz kam es so zum Beispiel zu einem wahren Shitstorm in den Sozialen Medien. Doch ein solcher flaut irgendwann wieder ab, die Proteste der Fans scheinen nichts zu bringen. Wir haben vielmehr den Eindruck: Die Verantwortlichen sitzen im Zweifelsfall den Konflikt einfach aus.

    Auch in der Branche sieht man das scheinbar so. Annina Braunmiller-Jest, die deutsche Stimme von Kristen Stewart, sagte dazu in einem Beitrag der BILD-Zeitung: „Es ist toll, wenn sich Fans hinter die Sprecher stellen! Aber damit ein Fan-Protest wirkungsvoll ist, müssten sie das Projekt knallhart boykottieren – das machen die wenigsten. Deshalb empfinden die Filmverleihe/Fernsehsender das meiner Meinung nach oft als leere Drohung – die Quoten stimmen und darauf kommt es ihnen an.“

    Auch die Gerichtsverfahren sind bislang nur Einzelfälle. Ricardo Richter erzählt in einem Interview mit dem Branchenmagazin Quotenmeter, dass es mit seiner höheren Gagenforderung ihm in erster Linie gar nicht darum ging, selbst mehr Geld zu verdienen: Sein Gerichtsverfahren sei vielmehr als Zeichen für die gesamte Branche der Synchronschauspieler gedacht und er wollte auch Kollegen überzeugen, es ihm gleichzutun: „Ich habe mich damals, als das Ganze angefangen hat, mit ihnen zusammengesetzt und sie gefragt, ob sie mitziehen wollen. Leider hat niemand zugestimmt, dass wir gemeinsam eine Nachvergütung fordern sollten, was ich aber verstehen kann, weil man da immer mit Repressalien rechnen muss.“

    Das muss sich ändern

    Laut Annina Braunmiller-Jest gibt es nur eine Lösung für die gerechte Bezahlung der Synchronschauspieler: „Wir bräuchten dringend eine EINHEITLICH geregelte, VERBINDLICHE Gagenliste, die für alle gilt. Sowohl in den Bereichen Synchron, wie auch Hörbuch, Hörspiel, Werbung und Voice-over!“ Ob eine solche Gagenliste in der freien Marktwirtschaft funktioniert, darf man durchaus skeptisch sehen, aber man könnte die Idee recht einfach weiterspinnen und überlegen, ob man die Bezahlung von Synchronschauspielern nach dem Vorbild von zum Beispiel Tarifverträgen in anderen Branchen regelt und dann auch immer wieder anpasst.

    Doch das Tarifsystem, das es übrigens in ähnlicher Form auch in Hollywood für die Filmschaffenden der meisten Branchen gibt, funktioniert nur, weil die Arbeitnehmer gemeinsam organisiert sind und ihre Fortsetzungen dann auch durchsetzen. Wichtiger Bestandteil einer neuen Regelung wäre also, dass sich die Synchronschauspieler zusammenfinden und gemeinsam für eine höhere Gage eintreten. Solange solche Pläne an der Angst vieler Sprecher, ähnlich wie der bereits erwähnte Marcus Off auf einer „Schwarzen Liste“ zu landen und kaum mehr Angebote zu bekommen oder entlassen zu werden, scheitern, dürfte es auch schwer werden, große Schritte zu unternehmen. Bis dahin sind die einzelnen Gerichtsurteile nur kleine Fortschritte.

    Fazit

    Letztendlich ist das nun gefällte Urteil des Landgerichts München ein Weg in die richtige Richtung. Doch mit dem Urteil wurde bisher nur festgestellt, dass die Gagen der Synchronschauspieler zu niedrig sind. Letztendlich müssen nun auch Konsequenzen folgen, wonach sich in der Synchronbranche endlich eine Besserung einstellen kann, die für beide Seiten (und natürlich auch uns Kinozuschauer) zufriedenstellend sein sollte.

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