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    Scream - Schrei!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Scream - Schrei!
    Von René Malgo

    Mit „Scream“ gelang Horror-Altmeister Wes Craven ein sensationeller Überraschungserfolg (einer der erfolgreichsten Genrefilme überhaupt) und die Neudefinierung des bis dato ausgelutschten Subgenres des Teenie-Slashers. Dank der feinen Ironie, einer packenden Story und guten Charakterzeichnung ist aber „Scream“ vor allem ein Film, der außer Horror-Freaks auch die breite Masse ins Kino zu locken wusste und fast alle Zuschauerschichten glücklich machte. Eine Meisterleistung.

    Die Schülerin Casey und ihr Freund werden brutal ermordet. Danach hat es der verantwortliche, in einem billigen Kostüm gekleidete Psychopath auf die junge Sidney Prescott (Neve Campbell) abgesehen. Ihre Mutter wurde vor einem Jahr vergewaltigt und ermordet, worunter sie noch immer leidet. Der maskierte Killer beginnt Sidney zu attackieren. Das Mädchen erweist sich aber als ausgesprochen widerstandsfähig und nimmt zwangsläufig den Kampf mit ihm an.

    Ja, „Scream“ ist blutig. Wer diesen Kultfilm noch nicht gesehen hat und sich als Genreunkundiger fragt, ob er/sie das wohl vertragen könne, solle sich gleich klar machen, dass es sich bei „Scream“ zwar auch um eine gelungene Satire handelt und verhältnismäßig wenig gemeuchelt wird, doch die wenigen Schnetzelszenen, die es gibt, kommen alles andere als weichgespült daher. Die Konsequenz ist beeindruckend und gerade im blutigen Finale wird sich beim einen oder anderen Betrachter der Magen sicherlich umdrehen. Vom schockenden Auftakt ganz zu schweigen, der seinerzeit schon einige unbedarfte Zuschauer aus dem Kino gejagt hatte. Qua Bodycount mag „Scream“ ein harmloser Spaß sein, bezüglich drastischer Darstellung der Tötungen und Messerstechereien kann das aber nicht behauptet werden.

    Mittlerweile ist ein Director’s Cut und ein noch mal um sechs Sekunden längerer Extended Cut auf DVD erhältlich. Keine Frage, dass es sich bei den erweiterten Szenen nicht um erklärende Dialogpassagen, sondern um eine Vertiefung blutiger Geschehnisse handelt. Jene erweiterten Passagen entlarven die seltsame Ausrichtung der Zensurbehörden, die diese paar Sekunden im Kino nicht sehen wollten. Nur manchmal sinnig, aber überwiegend unangebracht – wie in vorliegendem Fall -, lassen sie mangels Fingerspitzengefühl oft da schnibbeln, wo es eben nicht sollte. Ungeschnitten ist so manche Tötungsszene wesentlich brutaler und dank dem erbarmungslosen Draufhalten auf die Gesichter und Mienen der Opfer auch persönlicher. Geschnitten verkommt das ganze Gemetzel eher zum gesichtslosen, unpersönlichen und somit austauschbaren Metzel-„Spaß“. Denn „Scream“ hat zwar seine komischen Momente, geht aber während den gewalttätigen, tödlich endenden Szenen ebenso unerbittlich wie ehrlich zu Werke. Tod und Folgen werden ernst genommen, etwas, was diverse ironische Nachzügler nicht so verstanden haben und gleich alles humorisierten. Darin beweist sich die Klasse von „Scream“ und der Ausnahmestatus unter den minderwertigen Nachahmern.

    „Scream“ lässt viel Raum für eigene Interpretationen. „Don’t blame the movies.“ So fasst Drehbuchautor Kevin Williamson die Aussage des Films zusammen. In anderen Worten: Macht nicht die Filme für die Verrohung der Gesellschaft oder gewalttätige Psychopathen verantwortlich. Dass Filme im Laufe der Zeit in punkto Darstellung drastischer und brutaler geworden sind, das dürfte keiner bei Verstand zurückweisen, dass sie aber auch ein Spiegelbild, Produkt und Kommentar zu unser Gesellschaft sind und damit weniger einen auslösenden Charakter haben, da sind sich die meisten auch schon einig. Trotzdem, wer will, kann in „Scream“ auch ein kritisches Selbstzitat auf die Fernseh-, Film- und Medienlandschaft sehen. Eine Hommage an das blutige und für einige Cineasten nicht ganz zu unrecht fragwürdige Slasher-Genre ist „Scream“ aber desgleichen. So funktioniert der Kultklassiker auf vielen Ebenen und kann ohne sich selbst zu verleugnen oder etwas von Konsequenz und Qualität einzubüßen, weit gefächerte Zuschauergruppen bedienen und zufrieden stellen.

    Wer als Genreunkundiger nur einmal (und nie wieder) in seinem Leben einen Horrorschocker mitsamt psychotischem Killer und weibliche Opfer sehen will, der soll sich „Scream“ zu Gemüte führen. Gekonnt zitiert, persifliert und bricht „Scream“ Gesetze des Genres und mixt eigene Ideen mit Altbekanntem zu einem genialen, innovativen Horrorcocktail. Zahlreiche Horrorklassiker werden zitiert, mal sind die Querverweise subtil und lediglich Genrefans ersichtlich, dann wieder offensichtlich. Zuviel soll an dieser Stelle nicht über die Zitate und Selbstreferenzen verraten werden, denn sie zu entdecken und erraten, macht einen großen Teil des Spaßes von „Scream“ aus. Dieses Zitieren und Brechen mit Genregesetzen trägt sogar im erheblichen Maße zur Spannung bei.

    Die Protagonisten, eine High-School-Clique, kennen die Regeln des Horrorfilms. Sie wissen, was nicht getan werden sollte, wenn ein Killer im einsamen, allein auf weiter Fläche stehenden Haus auftaucht. Entsprechend respektlos reagieren sie auf den im zugleich lachhaften und beängstigend ausschauenden Supermarktkostüm herumlaufenden Meuchelmörder. „Töte mich nicht, ich will in der Fortsetzung dabei sein“, heißt es zum Beispiel. Bei solchen Szenen, wo zuvor den Genrekonventionen entsprechend Spannung aufgebaut wurde, muss der Betrachter laut auflachen; wenig später bleibt ihm das Lachen im Halse stecken, denn unbeeindruckt, wenngleich von Bierflaschen beworfen, geht der maskierte Killer seiner blutigen Leidenschaft nach.

    Als Horror-Regisseur zieht Wes Craven alle Register seines Könnens und baut geschickt Spannungs- und Schockmomente auf. Darüber hinaus profitiert der Film aber von einer überraschend packenden Geschichte, ausgezeichneten Charakterisierungen und wirklich genialen Dialogen, mal humorvoll, mal erstaunlich tiefsinnig. In drei Tagen soll Kevin Williamson das Drehbuch geschrieben haben; diese drei Tage waren wohl die ersprießlichsten in seinem Leben. Das Resultat ist eine grandiose Story, gleichermaßen Hommage wie Satire, welche zum mehrfachen Angucken einlädt.

    „Scream“ und die dahinter stehende Crew macht so ziemlich alles richtig, was nur richtig gemacht werden kann. Das Casting ist exzellent, ein jeder passt in der ihr/ihm zugedachten Rolle. Neve Campbell trägt den Film als gleichermaßen starke wie sensible Heldin mühelos. Anerkennenswert ist auch die Leistung von David Arquette als kauziger Deputy, der mit seiner liebenswürdigen Performance gekonnt die Waage zwischen Karikatur und lebensnaher Charakterisierung hält. Schön ist auch Courteney „Monica“ Cox-Arquettes Darstellung der sensationsgeilen Klatschreporterin Gale Weathers. Die beiden verliebten sich während den Dreharbeiten und heirateten 1999. In ihrer Person manifestiert sich auch noch leichte Medienkritik, wenngleich das als Randerscheinung im Film abgetan werden kann. „Scream“ ist keine wirkliche Mediensatire. Die weiteren Jungdarsteller machen ihre Sache genauso gut, womit der Horrorslasher von für das Genre überdurchschnittlich talentierten Schauspielern profitiert. Manche Klischees werden bewusst gepflegt, andere wiederum wissentlich ausgelassen.

    Formvollendet ist die Regie von Wes Craven, der nicht nur in den spannenden Szenen sein Metier beherrscht, sondern auch während den dialoglastigen Ruhepausen vor dem Sturm alles richtig macht. Für die richtige Optik sorgt Mark Irwins atmosphärische Kameraführung und Patrick Lussiers perfekter Schnitt. Die sorgfältig ausgewählte Ausstattung verstärkt den visuellen Reiz des Films. Den letzte Schliff gibt Komponist Marco Beltrami. Sein außergewöhnlicher Score, bestehend aus komponiertem Soundtrack und ausgesuchten Songs, unterstreicht das ganze Ambiente kongenial. Selten war ein Gesamtpaket so stimmig, wie bei „Scream“.

    Am Ende gibt es den obligatorischen Überraschungstwist. Das Finale ist humorvoll, spannend, bizarr, blutig und genial. Weder ist die Überraschung fies, noch führt sie den Sinn vorangegangener Szenarien ad absurdum. Im Gegenteil, das Ende passt hervorragend und die innere Logik wurde nicht aufgebrochen, sondern vielmehr bestätigt. Eine bemerkenswerte Leistung des Drehbuchautors. Summa a summarum ist „Scream“ ein Film, der gesehen werden sollte. Das einzige, was gegen Genuss dieses bis ins Detail perfekte Meisterstück spricht, wäre ein dünnes Nervenkostüm sowie einer grundsätzlichen Abneigung gegen Kunstblut.

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