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    Texas Chainsaw Massacre
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Texas Chainsaw Massacre

    Mehr Schlachtplatte als Sequel

    Von Christoph Petersen

    Als Tobe Hoopers Terror-Klassiker „The Texas Chainsaw Massacre“ am 23. Dezember 1985 pünktlich zum Weihnachtsfest bundesweit beschlagnahmt wurde, erfuhr man im Beschluss des Münchner Landgerichts von allerlei angeblichen sadistischen Brutalitäten, die im Film selbst allerdings gar nicht oder zumindest nicht wie beschrieben vorkommen. So heißt es in dem juristisch verklausulierten, aber inhaltlich schlicht fehlerhaften Schriftsatz etwa, dass ein Rollstuhlfahrer von Leatherface zersägt wird – klingt gut, wird im Film aber (leider) nicht gezeigt. Da konnte der zuständige Richter offensichtlich nicht mehr zwischen Kino und Kopfkino unterscheiden. Seitdem gab es dann noch eine ganze Reihe von Sequels, Reboots und Prequels, die in einer ziemlich verqueren Timeline miteinander verbunden oder auch nicht verbunden sind.

    Der neue „Texas Chainsaw Massacre“, der direkt und exklusiv bei Netflix erscheint, macht’s einem da allerdings in gleich zweifacher Hinsicht sehr einfach. Zum einen blendet der von „Evil Dead“-Regisseur Fede Alvarez produzierte und von David Blue Garcia („Tejano“) inszenierte Horror-Schocker fast alle vorherigen Franchise-Einträge konsequent aus – und schließt stattdessen lediglich an das Original von 1974 an. Und zum anderen bleibt für Kopfkino zwischen all den ausgiebig zelebrierten Blutfontänen ohnehin kein Platz mehr. Wenn wieder ein Gericht auf dumme Gedanken kommen sollte, dann gibt es diesmal zumindest genügend tatsächliche Gewaltexzesse, die man in einen Beschluss hineinschreiben könnte, ohne sich wie damals an Weihnachten vor 37 Jahren irgendeinen imaginierten Unfug aus den Finger saugen zu müssen.

    Im neuen "Texas Chainsaw Massacre" werden die Opfer von Leatherface gleich busladungsweise massakriert.

    Melody (Sarah Yarkin) und Dante (Jacob Latimore) haben es mit Kochvideos im Internet zu einer stattlichen Influencer-Berühmtheit gebracht. Nun haben sie irgendwo im texanischen Nirgendwo die Geisterstadt Harlow erstanden, um dort ein Paradies für ihre weltverbessernden Hipster-Fans zu errichten. Gemeinsam mit Melodys jüngerer Schwester Lila (Elsie Fisher), Dantes Freundin Ruth (Nell Hudson) sowie ihrer Business-Managerin Catherine (Jessica Allain) sind sie nun dort hingefahren, um schon mal alles für den Party-Bus voller potenzieller Investor*innen vorzubereiten, der in wenigen Stunden in Harlow eintreffen soll.

    Zu ihrem Erstaunen ist eines der Häuser allerdings wider Erwarten noch bewohnt. Die ehemalige Waisenhaus-Leiterin Mrs. Mc (Alice Krige) schleppt sich mit einem Sauerstofftank durch das Heim, das sie seit vielen Jahrzehnten ihr Zuhause nennt. Aber das hält Dante nicht davon ab, die greise Frau mit Hilfe des Sheriffs (William Hope) vor die Tür zu setzen – woraufhin sie direkt einen Herzinfarkt erleidet und stirbt. Während vor allem Melody von Gewissensbissen geplagt wird, sinnt der einzig verbliebene und inzwischen wohl selbst schon im Rentenalter angekommene Waisenjunge (Mark Burnham als Leatherface) auf blutige Rache…

    Verlogene Weltenretter*innen

    Von Biozutaten und Nachhaltigkeit schwafeln, ein Elektroauto fahren – aber wenn es dann ums Ganze (sprich: die Investorendollars) geht, wird ohne mit der Wimper zu zucken auch eine schwerkranke Greisin aus ihrem Haus geschmissen. David Blue Garcia und sein Drehbuchautor Chris Thomas Devlin weichen das Gute-Städter/Böse-Rednecks-Schema des Originals auf und lassen gerade zu Beginn sehr viel mehr Grautöne (und Raum für satirische Spitzen) zu. Das ist erfreulich, dauert aber auch eine ganze Zeit. Zumal die Charakterzeichnung durchaus mit einigem überflüssigen Ballast – wie dem Detail, dass Lila die einzige Überlebende eines Schul-Amoklaufs ist – aufwartet.

    Dass man bei diesem etwas zu langen Vorgeplänkel trotzdem nicht die Lust verliert, liegt vor allem an dem vielversprechenden Vorgeschmack auf die Upcoming Attractions, den uns David Blue Garcia gleich mit dem ersten Kill bietet: Da bricht Leatherface einem Polizisten trocken-humorlos den Arm, um ihn dann mit der aus seinem eigenen Körper herausragenden Knochenspitze abzustechen. Das kann sich als Splatter-Auftakt doch echt sehen lassen – zumal die Gore-Effekte in „Texas Chainsaw Massacre“ zum großen Teil angenehm saftig und handgemacht aussehen.

    Und so geht es dann auch knackig (wenn auch nicht sonderlich spannend) weiter, wenn Leatherface endlich nach Harlow zurückkehrt. Viel Zeit bleibt ihm bei einer Spieldauer von nur 73 Minuten ohne Abspann dann allerdings gar nicht mehr, weshalb er sich auch durch die ungebeten Gäste im Disco-Bus schnetzelt, als würde er mit seiner von der Filmanalyse hinlänglich zum Penisersatz uminterpretierten Motorsäge an einem Timbersports-Wettbewerb teilnehmen…

    Sally Hardesty, die Überlebende des Originals, wird nach dem Tod der ursprünglichen Schauspielerin diesmal von Olwen Fouéré verkörpert.

    Zugleich lässt sich „Texas Chainsaw Massacre“ auch als ein kleines Fuck You! in Richtung von David Gordon Greens „Halloween“-Reboot von 2018 lesen. Wie dort die erneut von Ober-Scream-Queen Jamie Lee Curtis verkörperte Laurie Strode zurückkehrt, um Michael Meyers endgültig den Garaus zu machen, hat sich nun auch Sally Hardesty, die einzige Überlebende aus dem originalen „The Texas Chainsaw Massacre“, ein halbes Jahrhundert lang nur darauf vorbereitet, Leatherface noch ein weiteres und hoffentlich letztes Mal gegenüberzutreten. Allerdings ist die ursprüngliche Sally-Darstellerin Marilyn Burns schon im Jahr 2014 verstorben, weshalb nun Olwen Fouéré („Mandy“) die Rolle als bis an die Zähne bewaffnete Badass-Omi übernommen hat.

    Wie genau sich Sally eigentlich sicher sein konnte, dass Leatherface irgendwann noch einmal auftauchen würde, bleibt dabei übrigens ihr Geheimnis – schließlich ist der Masken aus Menschenhaut tragende Wahnsinnige anders als Michael Myers noch nicht als metaphysische Ausgeburt des Teufels etabliert. Aber wie dem auch sei: Das Wiedersehen nach fast 50 Jahren verläuft jedenfalls ganz anders als erwartet – und das ist schon ziemlich cool, selbst wenn der Film es nicht ganz konsequent durchzieht. Absolut konsequent ist hingegen, wie David Blue Garcia das ikonische Schlussbild des Originals in seinem Hipster-Gemetzel zeitgeistig updatet – stilecht mit selbstfahrendem Elektroauto statt rostigem Pick-up-Truck…

    Fazit: Der neue „Texas Chainsaw Massacre“ täuscht zu Beginn eine Menge Themen an, um sie dann mit einem einzigen Streich der Motorsäge wieder zur Seite zu wischen. Stattdessen gibt es statt Terror-Horror eine saftige Schlachtplatte, bei der Leatherface nicht länger brav einen nach dem anderen zerteilt, sondern seine Opfer gleich busladungsweise massakriert. Das macht zumindest sehr viel mehr Laune als die bisherigen unsäglichen Reboots (egal ob von Michael Bay oder in 3D).

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