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    Die kleine Hexe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die kleine Hexe
    Von Antje Wessels

    2017 feierte Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ 60-jähriges Jubiläum. Aber obwohl der Kinderbuch-Klassiker bereits in 47 Sprachen übersetzt und für verschiedene Medien adaptiert wurde (es gibt sogar eine Origami-Verfilmung von 1975 fürs japanische Fernsehen), hat es bis 2018 gedauert, bis mit Michael Schaerers „Die kleine Hexe“ nun erstmals eine Realverfilmung des Stoffes in die deutschen Kinos kommt. Dabei etabliert der bisher vornehmlich als Cutter (etwa bei „Heidi“) tätige Regisseur eine solch im besten Sinne altmodisch-herzliche Atmosphäre, dass sich „Die kleine Hexe“ lange Zeit wie ein aus der Zeit gefallenes Weihnachtsmärchen anfühlt. Aber wer die Vorlage kennt, der weiß, dass Preußler seine Geschichte vor sechs Jahrzehnten mit einem ziemlich radikalen Happy End ausklingen ließ – und das ist nun auch in der Kinoversion nicht anders, was man entweder als unzeitgemäß unversöhnlich oder als mutig über die übliche Heile-Welt-Kinderfilmdramaturgie hinausgehend bewerten kann. Worüber man hingegen kaum wird streiten können, ist Karoline Herfurth („SMS für dich“), die auch hier wieder mit einer umwerfenden Natürlichkeit begeistert.

    Die kleine Hexe (Karoline Herfurth) hat einen großen Traum: Sie möchte mit den anderen Hexen die Walpurgisnacht feiern und gemeinsam mit ihnen auf dem Blocksberg tanzen. Das Problem ist nur, dass sie mit ihren 127 noch viel zu jung dafür ist. Die anderen Hexen verspotten sie deshalb auch regelmäßig. Als sich die kleine Hexe eines Nachts aus dem Haus schleicht, um trotzdem heimlich mitzufeiern, wird sie prompt entdeckt. Das gibt Ärger: Entweder lernt sie nun innerhalb nur eines Jahres sämtliche Hexensprüche aus dem großen Zauberbuch auswendig oder ihr wird ihre Hexenkraft für immer genommen. Die kleine Hexe ist genervt, aber schließlich wird ihr Ehrgeiz geweckt und sie lernt fortan jeden Tag eifrig für die Zauberprüfung. Doch nach und nach realisiert sie, dass sie so ganz anders ist als die Hexen vom Blocksberg. Die kleine Hexe ist nämlich eine gute Hexe und möchte ihre Zauberkraft ungern dafür nutzen, um anderen gemeine Streiche zu spielen oder den Menschen Angst einzujagen…

    Wenn sich die kleine Hexe in der Auftaktszene des Kinofilms erfolglos an einem Unwetterzauber versucht, dann prasselt dabei alles Mögliche vom Himmel, nur keine Wassertropfen. Da regnet es mal Tannenzapfen, mal Rosinen und mal verbogene Löffel – und erstaunlicherweise stammt nichts davon aus dem Computer, stattdessen ist alles handgemacht. Sowieso wird selbst bei den meisten Zaubersprüchen lieber auf geschickte Schnitte und Kameraarbeit statt auf Computertechnik gesetzt. Nur wenn es mal gar nicht anders geht, etwa beim Herbeizaubern eines absonderlichen Fabelwesens, werden maßvoll CGI-Effekte eingesetzt (und bei den Auf-dem-Besen-reiten-Szenen wird natürlich ein – leider nicht ganz so glaubhafte Ergebnisse liefernder – Green Screen verwendet). „Die kleine Hexe“ ist jedenfalls eine nostalgische Augenweide, die nicht bloß mit handgemachten Effekten (der von einem hörbar engagierten Axel Prahl gesprochene Rabe Abraxas ist ein Animatronic) punktet, sondern auch mit einer liebevollen Ausstattung: Allein die Inneneinrichtung des Hexenhauses strotzt nur so vor kleinen sympathischen Details, an denen man sich einfach nicht sattsehen kann.

    In 109 Minuten wird in „Die kleine Hexe“ ein ganzes Jahr von einer Walpurgisnacht bis zur nächsten erzählt, aber das kann man so richtig eigentlich nur an den wechselnden Jahreszeiten nachvollziehen. Ein wirkliches Gespür dafür, wie aufwändig und langwierig die Aufgabe ist, die der kleinen Hexe mit dem Auswendiglernen des Zauberbuchs aufgebrummt wird, bekommt der Zuschauer nicht. Aber darauf liegt der erzählerische Fokus eh nicht: Wie schon in der Buchvorlage geht es auch in der Verfilmung vornehmlich darum, wie die kleine Hexe nach und nach begreift, dass es überhaupt nicht erstrebenswert ist, den zunächst noch von ihr so bewunderten anderen Hexen nachzueifern. Spätestens als sie zwei ahnungslose Menschenkinder verzaubern soll, nur um in den Kreis der ums Feuer tanzenden Hexen aufgenommen zu werden, sieht sich die kleine Hexe einem echten Dilemma ausgesetzt. Wenn hier offenbart wird, dass die Gesinnung der alten Hexen eben nicht nur ignorant oder gemein, sondern richtiggehend bösartig ist, stößt diese Erkenntnis in ihrer Plötzlichkeit selbst einen erwachsenen Zuschauer vor den Kopf, weshalb der darauffolgende Befreiungsschlag der kleinen Hexe (inklusive Besen- und Bücherverbrennung) erstaunlich radikal daherkommt. Am Ende siegt das Gute über das Böse – aber wie das hier geschieht, wirkt dann tatsächlich doch eher wie aus einem Kinderbuch aus den 1950ern und nicht wie ein Kinder-Kinofilm aus den 2010ern.

    Fazit: „Die kleine Hexe“ verzaubert sein Publikum mit massenhaft liebevollen Ausstattungsdetails und einer großartigen Karoline Herfurth. Das moralisch fragwürdige Finale wirkt in einem Kinderfilm aus dem Jahr 2018 hingegen zumindest irritierend.

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